Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.sagte: es ist spät und die Abendröthe hat sich schon Jeden Morgen schien ihn der Gedanke wie Ta¬ ſagte: es iſt ſpaͤt und die Abendroͤthe hat ſich ſchon Jeden Morgen ſchien ihn der Gedanke wie Ta¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0425" n="415"/> ſagte: es iſt ſpaͤt und die Abendroͤthe hat ſich ſchon<lb/> weit herumgezogen und es iſt alles im Dorfe ſtill.<lb/> Sie giengen nach Hauſe; er oͤfnete die Fenſter ſei¬<lb/> ner mondhellen Stube und ſchlich mit einem leiſen<lb/> Gutenacht bei ſeiner Mutter voruͤber, die ſchon<lb/> ſchlief. —</p><lb/> <p>Jeden Morgen ſchien ihn der Gedanke wie Ta¬<lb/> geslicht an, daß er dem Hochzeittage, dem 8ten<lb/> Jun., ſich um eine Nacht naͤher geſchlafen; und<lb/> am Tage lief die Freude mit ihm herum, daß er<lb/> durch die paradieſiſchen Tage, die ſich zwiſchen ihn<lb/> und ſein Hochzeitbett geſtellet, noch nicht durchwaͤ¬<lb/> re. So hielt er wie der metaphyſiſche Eſel den<lb/> Kopf zwiſchen beiden Heubuͤndeln, zwiſchen der Ge¬<lb/> genwart und Zukunft; aber er war kein Eſel oder<lb/> Scholaſtiker ſondern graſete und rupfte an beiden<lb/> Buͤndeln auf einmal . . . . Wahrhaftig die Men¬<lb/> ſchen ſollten niemals Eſel ſeyn, weder indifferen¬<lb/> tiſtiſche noch hoͤlzerne noch bileamiſche und ich habe<lb/> meine Gruͤnde dazu . . . . Ich breche hier ab, weil<lb/> ich noch uͤberlegen will, ob ich ſeinen Hochzeittag<lb/> abzeichne oder nicht. Data hab' ich uͤbrigens dazu<lb/> ganze Groͤße. — —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [415/0425]
ſagte: es iſt ſpaͤt und die Abendroͤthe hat ſich ſchon
weit herumgezogen und es iſt alles im Dorfe ſtill.
Sie giengen nach Hauſe; er oͤfnete die Fenſter ſei¬
ner mondhellen Stube und ſchlich mit einem leiſen
Gutenacht bei ſeiner Mutter voruͤber, die ſchon
ſchlief. —
Jeden Morgen ſchien ihn der Gedanke wie Ta¬
geslicht an, daß er dem Hochzeittage, dem 8ten
Jun., ſich um eine Nacht naͤher geſchlafen; und
am Tage lief die Freude mit ihm herum, daß er
durch die paradieſiſchen Tage, die ſich zwiſchen ihn
und ſein Hochzeitbett geſtellet, noch nicht durchwaͤ¬
re. So hielt er wie der metaphyſiſche Eſel den
Kopf zwiſchen beiden Heubuͤndeln, zwiſchen der Ge¬
genwart und Zukunft; aber er war kein Eſel oder
Scholaſtiker ſondern graſete und rupfte an beiden
Buͤndeln auf einmal . . . . Wahrhaftig die Men¬
ſchen ſollten niemals Eſel ſeyn, weder indifferen¬
tiſtiſche noch hoͤlzerne noch bileamiſche und ich habe
meine Gruͤnde dazu . . . . Ich breche hier ab, weil
ich noch uͤberlegen will, ob ich ſeinen Hochzeittag
abzeichne oder nicht. Data hab' ich uͤbrigens dazu
ganze Groͤße. — —
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