durch einen blassen Triumphbogen heraufzog. O du Vater des Lichts! mit wieviel Farben und Stra¬ len und Leuchtkugeln fassest du deine bleiche Erde ein! -- Die Sonne kroch jetzt ein zu einem einzi¬ gen rothen Strale, der mit dem Wiederschein der Abendröthe auf dem Gesichte seiner Braut zusam¬ men kam; und diese, nur mit stummen Gefühlen bekannt, sagte, daß sie in ihrer Kindheit sich oft gesehnet hätte, auf den rothen Bergen der Abend¬ röthe zu stehen und von ihnen mit der Sonne in die schönen rothgemalten Länder hinunter zu stei¬ gen, die hinter der Abendröthe lägen. Unter dem Gebetläuten seiner Mutter legt' er seinen Hut auf die Knie und sah ohne die Hände zu falten, an die rothe Stelle am Himmel, wo die Sonne zu¬ letzt gestanden, und hinunter in den ziehenden Strom, der tiefe Schatten trug; und es war ihm als läutete die Abendglocke die Welt und noch ein¬ mal seinen Vater zur Ruhe -- zum ersten- und letz[¬] tenmale in seinem Leben stieg sein Herz über die irdische Szene hinaus -- und es rief, schien ihm, etwas aus den Abendtönen herunter, er würd jetzt vor Vergnügen sterben . . . . Heftig und verzückt umschlang er seine Braut und sagte: "wie lieb
durch einen blaſſen Triumphbogen heraufzog. O du Vater des Lichts! mit wieviel Farben und Stra¬ len und Leuchtkugeln faſſeſt du deine bleiche Erde ein! — Die Sonne kroch jetzt ein zu einem einzi¬ gen rothen Strale, der mit dem Wiederſchein der Abendroͤthe auf dem Geſichte ſeiner Braut zuſam¬ men kam; und dieſe, nur mit ſtummen Gefuͤhlen bekannt, ſagte, daß ſie in ihrer Kindheit ſich oft geſehnet haͤtte, auf den rothen Bergen der Abend¬ roͤthe zu ſtehen und von ihnen mit der Sonne in die ſchoͤnen rothgemalten Laͤnder hinunter zu ſtei¬ gen, die hinter der Abendroͤthe laͤgen. Unter dem Gebetlaͤuten ſeiner Mutter legt’ er ſeinen Hut auf die Knie und ſah ohne die Haͤnde zu falten, an die rothe Stelle am Himmel, wo die Sonne zu¬ letzt geſtanden, und hinunter in den ziehenden Strom, der tiefe Schatten trug; und es war ihm als laͤutete die Abendglocke die Welt und noch ein¬ mal ſeinen Vater zur Ruhe — zum erſten- und letz[¬] tenmale in ſeinem Leben ſtieg ſein Herz uͤber die irdiſche Szene hinaus — und es rief, ſchien ihm, etwas aus den Abendtoͤnen herunter, er wuͤrd jetzt vor Vergnuͤgen ſterben . . . . Heftig und verzuͤckt umſchlang er ſeine Braut und ſagte: „wie lieb
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durch einen blaſſen Triumphbogen heraufzog. O
du Vater des Lichts! mit wieviel Farben und Stra¬
len und Leuchtkugeln faſſeſt du deine bleiche Erde
ein! — Die Sonne kroch jetzt ein zu einem einzi¬
gen rothen Strale, der mit dem Wiederſchein der
Abendroͤthe auf dem Geſichte ſeiner Braut zuſam¬
men kam; und dieſe, nur mit ſtummen Gefuͤhlen
bekannt, ſagte, daß ſie in ihrer Kindheit ſich oft
geſehnet haͤtte, auf den rothen Bergen der Abend¬
roͤthe zu ſtehen und von ihnen mit der Sonne in
die ſchoͤnen rothgemalten Laͤnder hinunter zu ſtei¬
gen, die hinter der Abendroͤthe laͤgen. Unter dem
Gebetlaͤuten ſeiner Mutter legt’ er ſeinen Hut auf
die Knie und ſah ohne die Haͤnde zu falten, an
die rothe Stelle am Himmel, wo die Sonne zu¬
letzt geſtanden, und hinunter in den ziehenden
Strom, der tiefe Schatten trug; und es war ihm
als laͤutete die Abendglocke die Welt und noch ein¬
mal ſeinen Vater zur Ruhe — zum erſten- und letz¬
tenmale in ſeinem Leben ſtieg ſein Herz uͤber die
irdiſche Szene hinaus — und es rief, ſchien ihm,
etwas aus den Abendtoͤnen herunter, er wuͤrd jetzt
vor Vergnuͤgen ſterben . . . . Heftig und verzuͤckt
umſchlang er ſeine Braut und ſagte: „wie lieb
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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