Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

des Kommunionweins einsam auszusaufen, der fatal
schmeckte. Ein höheres Wesen muß dir so herzlich
gut gewesen seyn wie das referierende, da es gerade
in deinen achtwöchentlichen Eden-Lustrum deinen
gnädigen Kirchenpatron kommunizieren hieß: denn
der hatte doch so viel Einsicht, daß er an die Stelle
des Kommunionweins, der Christi Trank am Kreuz
nicht unglücklich nach bildete, Christi Thränen
aus seinem Keller setzte; aber welche Himmel dann
nach dem Trank des Bodensatzes in alle deine Glie¬
der zogen . . . . Warlich jedesmal will ich wieder
in Exklamationen verfallen -- aber warum macht
mir und nielleicht Euch dieses schulmeisterlich ver¬
gnügte Herz so viel Freude? -- ach es muß daran lie¬
gen, daß wir selber sie nie so voll bekommen, weil
der Gedanke der Erden-Eitelkeit auf uns liegt und
unsern Athem drückt und weil wir die schwarze-Got¬
tesacker-Erde unter den Rasen- und Blumenstücken
schon gesehen haben, auf denen das Meisterlein sein
Leben verhüpft! --

Der gedachte Kommunionwein moussirte noch
Abends in seinen Adern; und diese letzte Tagszeit
seines Sabbaths hab' ich noch abzuschildern. Bloß
am Sonntag durft' er mit seiner Justine spatzieren

des Kommunionweins einſam auszuſaufen, der fatal
ſchmeckte. Ein hoͤheres Weſen muß dir ſo herzlich
gut geweſen ſeyn wie das referierende, da es gerade
in deinen achtwoͤchentlichen Eden-Luſtrum deinen
gnaͤdigen Kirchenpatron kommunizieren hieß: denn
der hatte doch ſo viel Einſicht, daß er an die Stelle
des Kommunionweins, der Chriſti Trank am Kreuz
nicht ungluͤcklich nach bildete, Chriſti Thraͤnen
aus ſeinem Keller ſetzte; aber welche Himmel dann
nach dem Trank des Bodenſatzes in alle deine Glie¬
der zogen . . . . Warlich jedesmal will ich wieder
in Exklamationen verfallen — aber warum macht
mir und nielleicht Euch dieſes ſchulmeiſterlich ver¬
gnuͤgte Herz ſo viel Freude? — ach es muß daran lie¬
gen, daß wir ſelber ſie nie ſo voll bekommen, weil
der Gedanke der Erden-Eitelkeit auf uns liegt und
unſern Athem druͤckt und weil wir die ſchwarze-Got¬
tesacker-Erde unter den Raſen- und Blumenſtuͤcken
ſchon geſehen haben, auf denen das Meiſterlein ſein
Leben verhuͤpft! —

Der gedachte Kommunionwein mouſſirte noch
Abends in ſeinen Adern; und dieſe letzte Tagszeit
ſeines Sabbaths hab' ich noch abzuſchildern. Bloß
am Sonntag durft' er mit ſeiner Juſtine ſpatzieren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0421" n="411"/>
des Kommunionweins ein&#x017F;am auszu&#x017F;aufen, der fatal<lb/>
&#x017F;chmeckte. Ein ho&#x0364;heres We&#x017F;en muß dir &#x017F;o herzlich<lb/>
gut gewe&#x017F;en &#x017F;eyn wie das referierende, da es gerade<lb/>
in deinen achtwo&#x0364;chentlichen Eden-Lu&#x017F;trum deinen<lb/>
gna&#x0364;digen Kirchenpatron kommunizieren hieß: denn<lb/>
der hatte doch &#x017F;o viel Ein&#x017F;icht, daß er an die Stelle<lb/>
des Kommunionweins, der Chri&#x017F;ti <hi rendition="#g">Trank</hi> am Kreuz<lb/>
nicht unglu&#x0364;cklich nach bildete, Chri&#x017F;ti <hi rendition="#g">Thra&#x0364;nen</hi><lb/>
aus &#x017F;einem Keller &#x017F;etzte; aber welche Himmel dann<lb/>
nach dem Trank des Boden&#x017F;atzes in alle deine Glie¬<lb/>
der zogen . . . . Warlich jedesmal will ich wieder<lb/>
in <choice><sic>Exkamationen</sic><corr>Exklamationen</corr></choice> verfallen &#x2014; aber warum macht<lb/>
mir und nielleicht Euch die&#x017F;es &#x017F;chulmei&#x017F;terlich ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gte Herz &#x017F;o viel Freude? &#x2014; ach es muß daran lie¬<lb/>
gen, daß wir &#x017F;elber &#x017F;ie nie &#x017F;o voll bekommen, weil<lb/>
der Gedanke der Erden-Eitelkeit auf uns liegt und<lb/>
un&#x017F;ern Athem dru&#x0364;ckt und weil wir die &#x017F;chwarze-Got¬<lb/>
tesacker-Erde unter den Ra&#x017F;en- und Blumen&#x017F;tu&#x0364;cken<lb/>
&#x017F;chon ge&#x017F;ehen haben, auf denen das Mei&#x017F;terlein &#x017F;ein<lb/>
Leben verhu&#x0364;pft! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der gedachte Kommunionwein mou&#x017F;&#x017F;irte noch<lb/>
Abends in &#x017F;einen Adern; und die&#x017F;e letzte Tagszeit<lb/>
&#x017F;eines Sabbaths hab' ich noch abzu&#x017F;childern. Bloß<lb/>
am Sonntag durft' er mit &#x017F;einer Ju&#x017F;tine &#x017F;patzieren<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[411/0421] des Kommunionweins einſam auszuſaufen, der fatal ſchmeckte. Ein hoͤheres Weſen muß dir ſo herzlich gut geweſen ſeyn wie das referierende, da es gerade in deinen achtwoͤchentlichen Eden-Luſtrum deinen gnaͤdigen Kirchenpatron kommunizieren hieß: denn der hatte doch ſo viel Einſicht, daß er an die Stelle des Kommunionweins, der Chriſti Trank am Kreuz nicht ungluͤcklich nach bildete, Chriſti Thraͤnen aus ſeinem Keller ſetzte; aber welche Himmel dann nach dem Trank des Bodenſatzes in alle deine Glie¬ der zogen . . . . Warlich jedesmal will ich wieder in Exklamationen verfallen — aber warum macht mir und nielleicht Euch dieſes ſchulmeiſterlich ver¬ gnuͤgte Herz ſo viel Freude? — ach es muß daran lie¬ gen, daß wir ſelber ſie nie ſo voll bekommen, weil der Gedanke der Erden-Eitelkeit auf uns liegt und unſern Athem druͤckt und weil wir die ſchwarze-Got¬ tesacker-Erde unter den Raſen- und Blumenſtuͤcken ſchon geſehen haben, auf denen das Meiſterlein ſein Leben verhuͤpft! — Der gedachte Kommunionwein mouſſirte noch Abends in ſeinen Adern; und dieſe letzte Tagszeit ſeines Sabbaths hab' ich noch abzuſchildern. Bloß am Sonntag durft' er mit ſeiner Juſtine ſpatzieren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/421
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/421>, abgerufen am 22.11.2024.