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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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und durch ein Parterre-Fenster seine Justina, die
da alle Sonntage einen ordentlichen Brief setzen
lernte . . . . o wenn er dann in dieser paradiesischen
Viertelstunde seines Lebens auf funfzig Schritte die
Stube und die Briefe und das Dorf von sich hätte
wegsprengen und um sich und um die Briefstellerin
bloß ein einsames dämmerndes Tempe-Thal hätte
ziehen können -- wenn er in diesem Thale mit sei¬
ner trunknen Seele, die unter Weges um alle
Wesen ihre Arme schlug, auch an das schönste We¬
sen hätte fallen dürfen und er und sie und Himmel
und Erde zurückgesunken und zerflossen wären vor
einem flammenden Augenblicke und Fokus mensch¬
licher Entzückung . . . .

Indessen that ers wenigstens Nachts um eilf
Uhr; und vorher giengs auch nicht schlecht. Er
erzählte dem Vater, aber im Grunde Justinen seinen
Studienplan und seinen politischen Einfluß; er setz¬
te sich dem Tadel, womit sein Vater ihre Briefe
korrigirte, mit demjenigen Gewicht entgegen, das
ein solcher Kunstrichter hat und er war, da er ge¬
rade warm aus der Stadt kam, mehr als einmal
mit Witz bei der Hand -- kurz unter dem Einschla¬
fen hörte er in seiner tanzenden taumelnden Phan¬
tasie nichts als Sphären-Musik.

und durch ein Parterre-Fenſter ſeine Juſtina, die
da alle Sonntage einen ordentlichen Brief ſetzen
lernte . . . . o wenn er dann in dieſer paradieſiſchen
Viertelſtunde ſeines Lebens auf funfzig Schritte die
Stube und die Briefe und das Dorf von ſich haͤtte
wegſprengen und um ſich und um die Briefſtellerin
bloß ein einſames daͤmmerndes Tempe-Thal haͤtte
ziehen koͤnnen — wenn er in dieſem Thale mit ſei¬
ner trunknen Seele, die unter Weges um alle
Weſen ihre Arme ſchlug, auch an das ſchoͤnſte We¬
ſen haͤtte fallen duͤrfen und er und ſie und Himmel
und Erde zuruͤckgeſunken und zerfloſſen waͤren vor
einem flammenden Augenblicke und Fokus menſch¬
licher Entzuͤckung . . . .

Indeſſen that ers wenigſtens Nachts um eilf
Uhr; und vorher giengs auch nicht ſchlecht. Er
erzaͤhlte dem Vater, aber im Grunde Juſtinen ſeinen
Studienplan und ſeinen politiſchen Einfluß; er ſetz¬
te ſich dem Tadel, womit ſein Vater ihre Briefe
korrigirte, mit demjenigen Gewicht entgegen, das
ein ſolcher Kunſtrichter hat und er war, da er ge¬
rade warm aus der Stadt kam, mehr als einmal
mit Witz bei der Hand — kurz unter dem Einſchla¬
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[393/0403] und durch ein Parterre-Fenſter ſeine Juſtina, die da alle Sonntage einen ordentlichen Brief ſetzen lernte . . . . o wenn er dann in dieſer paradieſiſchen Viertelſtunde ſeines Lebens auf funfzig Schritte die Stube und die Briefe und das Dorf von ſich haͤtte wegſprengen und um ſich und um die Briefſtellerin bloß ein einſames daͤmmerndes Tempe-Thal haͤtte ziehen koͤnnen — wenn er in dieſem Thale mit ſei¬ ner trunknen Seele, die unter Weges um alle Weſen ihre Arme ſchlug, auch an das ſchoͤnſte We¬ ſen haͤtte fallen duͤrfen und er und ſie und Himmel und Erde zuruͤckgeſunken und zerfloſſen waͤren vor einem flammenden Augenblicke und Fokus menſch¬ licher Entzuͤckung . . . . Indeſſen that ers wenigſtens Nachts um eilf Uhr; und vorher giengs auch nicht ſchlecht. Er erzaͤhlte dem Vater, aber im Grunde Juſtinen ſeinen Studienplan und ſeinen politiſchen Einfluß; er ſetz¬ te ſich dem Tadel, womit ſein Vater ihre Briefe korrigirte, mit demjenigen Gewicht entgegen, das ein ſolcher Kunſtrichter hat und er war, da er ge¬ rade warm aus der Stadt kam, mehr als einmal mit Witz bei der Hand — kurz unter dem Einſchla¬ fen hoͤrte er in ſeiner tanzenden taumelnden Phan¬ taſie nichts als Sphaͤren-Muſik.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/403>, abgerufen am 22.11.2024.