Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.nicht der Erinnerung aus der Jugend sondern aus nicht der Erinnerung aus der Jugend ſondern aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0359" n="349"/> nicht der Erinnerung aus der Jugend ſondern aus<lb/> der tiefen Kindheit glich. Wir ſchwankten, aus¬<lb/> gefuͤllt vom Genuß, durch thauende Geſtraͤuche<lb/> und umgebuͤckte ſchlaf- und thautrunkne Fluren,<lb/> aus denen wir entſchlummerte Blumen riſſen, um<lb/> Morgen ihre zugefaltete Schlafgeſtalt zu ſehen.<lb/> Wir dachten an die ſonnenloſen Pfade des heutigen<lb/> Morgens; wir giengen ohne Laut vor dem pigmaͤi¬<lb/> ſchen Gaͤrtchen und Haͤuschen voruͤber und die Kin¬<lb/> der und die brodbackende Frau wurden von den To¬<lb/> desarmen des Schlummers gedruͤckt und umflochten.<lb/> Die Zeit hatte den Mond wie einen Siſyphusſtein<lb/> auf den Gipfel des Himmels gewaͤlzet und ließ ihn<lb/> wieder ſinken. In Oſten giengen Sterne auf, in<lb/> Weſten giengen Sterne unter, mitten im Him¬<lb/> mel zerſprangen kleine von der Erde abgeſandte<lb/> Sterne — aber die Ewigkeit ſtand ſtumm und groß<lb/> neben Gott ſelbſt und alles vergieng vor ihr und<lb/> alles entſtand vor ihm. Das Feld des Lebens und<lb/> der Unendlichkeit hieng nahe und <choice><sic>lief</sic><corr type="corrigenda">tief</corr></choice> uͤber uns wie<lb/> Ein Blitz herein und alles Große, alles Ueberir¬<lb/> diſche, alle Verſtorbne und alle Engel hoben un¬<lb/> ſern Geiſt in ihren blauen Kreis und ſanken ihm<lb/> entgegen . . . .</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [349/0359]
nicht der Erinnerung aus der Jugend ſondern aus
der tiefen Kindheit glich. Wir ſchwankten, aus¬
gefuͤllt vom Genuß, durch thauende Geſtraͤuche
und umgebuͤckte ſchlaf- und thautrunkne Fluren,
aus denen wir entſchlummerte Blumen riſſen, um
Morgen ihre zugefaltete Schlafgeſtalt zu ſehen.
Wir dachten an die ſonnenloſen Pfade des heutigen
Morgens; wir giengen ohne Laut vor dem pigmaͤi¬
ſchen Gaͤrtchen und Haͤuschen voruͤber und die Kin¬
der und die brodbackende Frau wurden von den To¬
desarmen des Schlummers gedruͤckt und umflochten.
Die Zeit hatte den Mond wie einen Siſyphusſtein
auf den Gipfel des Himmels gewaͤlzet und ließ ihn
wieder ſinken. In Oſten giengen Sterne auf, in
Weſten giengen Sterne unter, mitten im Him¬
mel zerſprangen kleine von der Erde abgeſandte
Sterne — aber die Ewigkeit ſtand ſtumm und groß
neben Gott ſelbſt und alles vergieng vor ihr und
alles entſtand vor ihm. Das Feld des Lebens und
der Unendlichkeit hieng nahe und tief uͤber uns wie
Ein Blitz herein und alles Große, alles Ueberir¬
diſche, alle Verſtorbne und alle Engel hoben un¬
ſern Geiſt in ihren blauen Kreis und ſanken ihm
entgegen . . . .
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/359>, abgerufen am 23.07.2024. |