der Mond, das einzige ofne Auge bei seiner See¬ len-Vermählung, täglich um eine halbe später kam. Der Mond war und wird ewig die Sonne der Liebenden sein, dieser sanfte Dekorationsmaler ihrer Szenen: er schwellet ihre Empfindungen wie die Meere an und hebt auch in ihren Augen eine Fluth. -- Hr. v. Oefel warf den Blick des Beobachters auf ihn und sagte: "die Residentin hat aus Ihnen gemacht, was ich aus dem Fr. v. Röper." Hier rechnete er meinen Helden die ganze Pathognomik der Liebe vor, das Trauern, Schwei¬ gen, zerstreuet seyn, das er an Beaten wahrge¬ nommen und woraus er folgerte, ihr Herz sei nicht mehr leer -- er sitze drinnen, merk' er. Mit Oe¬ feln mochte eine umgehen wie sie wollte, so schloß er doch, sie lieb' ihn sterblich -- gab sie sich scher¬ zend, erlaubend, zutraulich mit ihn ab, so sagte er ohnehin "es es ist nichts gewisser, aber sie sollte mehr an sich halten" bediente sie sich des andern Extrems, würdigte sie ihn keines Blicks, keines Befehls, höchstens ihres Spottes und versagte sie ihm sogar Kleinigkeiten: so schwor er: "unter 100 Mann woll' er den herausziehen, den eine liebe: es sei der, den sie allein nicht ansehe" --
der Mond, das einzige ofne Auge bei ſeiner See¬ len-Vermaͤhlung, taͤglich um eine halbe ſpaͤter kam. Der Mond war und wird ewig die Sonne der Liebenden ſein, dieſer ſanfte Dekorationsmaler ihrer Szenen: er ſchwellet ihre Empfindungen wie die Meere an und hebt auch in ihren Augen eine Fluth. — Hr. v. Oefel warf den Blick des Beobachters auf ihn und ſagte: „die Reſidentin hat aus Ihnen gemacht, was ich aus dem Fr. v. Roͤper.“ Hier rechnete er meinen Helden die ganze Pathognomik der Liebe vor, das Trauern, Schwei¬ gen, zerſtreuet ſeyn, das er an Beaten wahrge¬ nommen und woraus er folgerte, ihr Herz ſei nicht mehr leer — er ſitze drinnen, merk' er. Mit Oe¬ feln mochte eine umgehen wie ſie wollte, ſo ſchloß er doch, ſie lieb' ihn ſterblich — gab ſie ſich ſcher¬ zend, erlaubend, zutraulich mit ihn ab, ſo ſagte er ohnehin „es es iſt nichts gewiſſer, aber ſie ſollte mehr an ſich halten“ bediente ſie ſich des andern Extrems, wuͤrdigte ſie ihn keines Blicks, keines Befehls, hoͤchſtens ihres Spottes und verſagte ſie ihm ſogar Kleinigkeiten: ſo ſchwor er: „unter 100 Mann woll' er den herausziehen, den eine liebe: es ſei der, den ſie allein nicht anſehe“ —
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der Mond, das einzige ofne Auge bei ſeiner See¬
len-Vermaͤhlung, taͤglich um eine halbe ſpaͤter
kam. Der Mond war und wird ewig die Sonne
der Liebenden ſein, dieſer ſanfte Dekorationsmaler
ihrer Szenen: er ſchwellet ihre Empfindungen wie
die Meere an und hebt auch in ihren Augen
eine Fluth. — Hr. v. Oefel warf den Blick des
Beobachters auf ihn und ſagte: „die Reſidentin
hat aus Ihnen gemacht, was ich aus dem Fr. v.
Roͤper.“ Hier rechnete er meinen Helden die ganze
Pathognomik der Liebe vor, das Trauern, Schwei¬
gen, zerſtreuet ſeyn, das er an Beaten wahrge¬
nommen und woraus er folgerte, ihr Herz ſei nicht
mehr leer — er ſitze drinnen, merk' er. Mit Oe¬
feln mochte eine umgehen wie ſie wollte, ſo ſchloß
er doch, ſie lieb' ihn ſterblich — gab ſie ſich ſcher¬
zend, erlaubend, zutraulich mit ihn ab, ſo ſagte er
ohnehin „es es iſt nichts gewiſſer, aber ſie ſollte
mehr an ſich halten“ bediente ſie ſich des andern
Extrems, wuͤrdigte ſie ihn keines Blicks, keines
Befehls, hoͤchſtens ihres Spottes und verſagte ſie
ihm ſogar Kleinigkeiten: ſo ſchwor er: „unter
100 Mann woll' er den herausziehen, den eine
liebe: es ſei der, den ſie allein nicht anſehe“ —
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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/168>, abgerufen am 22.11.2024.
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