Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.Die Nachtwandlerin fuhr zusammen, da sie Die Nachtwandlerin fuhr zuſammen, da ſie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0131" n="121"/> <p>Die Nachtwandlerin fuhr zuſammen, da ſie<lb/> den ſchoͤnen Schlaͤfer ſah: ſie hatte im ganzen Gar¬<lb/> ten, den ſie in dieſen ſtillen Minuten durchſtrichen<lb/> hatte, niemand vermuthet und gefunden. Er lag<lb/> auf einem Knie ſanft zuſammen geſunken; ſein blaſ¬<lb/> ſes Geſicht wurde von einem ſchoͤnen Traum, vom<lb/> aufgehenden Monde und von Beatens Auge ange¬<lb/> ſtrahlt. Ihr fiel nicht ein, daß er ſich vielleicht nur<lb/> ſchlafend ſtelle; ſie zitterte alſo um einen halben<lb/> Schritt naͤher, um erſtlich gewiß zu ſeyn wers waͤre<lb/> und um zweitens mit vollem Auge auf der Geſtallt<lb/> zu ruhen, vor der ſie bisher nur voruͤberſtreichen<lb/> durfte. Unter dem Anſchauen wuſte ſie nicht recht,<lb/> wenn ſie es eigentlich endigen ſollte. Endlich wandte<lb/> ſie ihrem Paradieſe dem Ruͤcken, nachdem ſie noch<lb/> einmal ganz an ihn getreten war; aber unter dem<lb/> traͤgen Ruͤckwaͤrtsgehen fiel ihr (<hi rendition="#g">ohne</hi> Schrecken)<lb/> ein, „er wird doch nicht gar tod ſeyn.“ Sie kehrte<lb/> alſo wieder um und behorchte ſeine wachſenden<lb/> Athemzuͤge. Neben ihm lagen zwei ſpitze Steingen<lb/> ſo groß wie mein Dintenfaß; ſie buͤckte ſich <hi rendition="#g">zwei¬<lb/> mal neben</hi> ihm nieder (ſie wollt' es nicht auf ein¬<lb/> mal oder auch mit dem Fuße thun) um ſie wegzu¬<lb/> nehmen, damit er nicht in ihre Spitzen hineinfiele. . .</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0131]
Die Nachtwandlerin fuhr zuſammen, da ſie
den ſchoͤnen Schlaͤfer ſah: ſie hatte im ganzen Gar¬
ten, den ſie in dieſen ſtillen Minuten durchſtrichen
hatte, niemand vermuthet und gefunden. Er lag
auf einem Knie ſanft zuſammen geſunken; ſein blaſ¬
ſes Geſicht wurde von einem ſchoͤnen Traum, vom
aufgehenden Monde und von Beatens Auge ange¬
ſtrahlt. Ihr fiel nicht ein, daß er ſich vielleicht nur
ſchlafend ſtelle; ſie zitterte alſo um einen halben
Schritt naͤher, um erſtlich gewiß zu ſeyn wers waͤre
und um zweitens mit vollem Auge auf der Geſtallt
zu ruhen, vor der ſie bisher nur voruͤberſtreichen
durfte. Unter dem Anſchauen wuſte ſie nicht recht,
wenn ſie es eigentlich endigen ſollte. Endlich wandte
ſie ihrem Paradieſe dem Ruͤcken, nachdem ſie noch
einmal ganz an ihn getreten war; aber unter dem
traͤgen Ruͤckwaͤrtsgehen fiel ihr (ohne Schrecken)
ein, „er wird doch nicht gar tod ſeyn.“ Sie kehrte
alſo wieder um und behorchte ſeine wachſenden
Athemzuͤge. Neben ihm lagen zwei ſpitze Steingen
ſo groß wie mein Dintenfaß; ſie buͤckte ſich zwei¬
mal neben ihm nieder (ſie wollt' es nicht auf ein¬
mal oder auch mit dem Fuße thun) um ſie wegzu¬
nehmen, damit er nicht in ihre Spitzen hineinfiele. . .
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/131>, abgerufen am 23.07.2024. |