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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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Druck so oft gefühlet hatte: so nahm der Schmerz
die Schleiergestallt der Vergangenheit an, Mai¬
land gieng mit den Blüthen seiner Weinberge und
mit den Gipfeln seiner Kastanien und mit den schö¬
nen Tagen unter beiden vorüber und sah traurig
die zwei Menschen an, die nichts mehr hatten --
hier wär er mit den zwei gießenden Augen auf
die zwei ewig trocknen gefallen, wenn nicht der
Leichenmarschall gesagt hätte, "das thut man nicht
gern, es ist nicht gut." Bloß eine Locke gab ihm
das Grab vom ganzen geraubten Freunde zurück,
eine Locke die für das Auge so wenig und für den
fühlende Finger so viel ist. Er schlichtete die Hand,
die den letzten Brief so traurig geschlossen sanft
wieder über die unberührte und verließ seinen Ot¬
tomar auf lange.

Er hatte nicht bemerkt, daß des Verstorbnen
Spitzhund und zwei tonsurierte fremde Men¬
schen, da waren, wovon der eine 6 Finger hat¬
te. -- Außer der Kirche auf dem Wege, dessen
eine Richtung nach dem Ottomar'schen Schloß und
dessen andre um den Eremitenberg lief, sahen sie
einander mit einer stummen trostlosen Frage an --
sie antworteten einander durch den Abschied -- --

Druck ſo oft gefuͤhlet hatte: ſo nahm der Schmerz
die Schleiergeſtallt der Vergangenheit an, Mai¬
land gieng mit den Bluͤthen ſeiner Weinberge und
mit den Gipfeln ſeiner Kaſtanien und mit den ſchoͤ¬
nen Tagen unter beiden voruͤber und ſah traurig
die zwei Menſchen an, die nichts mehr hatten —
hier waͤr er mit den zwei gießenden Augen auf
die zwei ewig trocknen gefallen, wenn nicht der
Leichenmarſchall geſagt haͤtte, „das thut man nicht
gern, es iſt nicht gut.“ Bloß eine Locke gab ihm
das Grab vom ganzen geraubten Freunde zuruͤck,
eine Locke die fuͤr das Auge ſo wenig und fuͤr den
fuͤhlende Finger ſo viel iſt. Er ſchlichtete die Hand,
die den letzten Brief ſo traurig geſchloſſen ſanft
wieder uͤber die unberuͤhrte und verließ ſeinen Ot¬
tomar auf lange.

Er hatte nicht bemerkt, daß des Verſtorbnen
Spitzhund und zwei tonſurierte fremde Men¬
ſchen, da waren, wovon der eine 6 Finger hat¬
te. — Außer der Kirche auf dem Wege, deſſen
eine Richtung nach dem Ottomar'ſchen Schloß und
deſſen andre um den Eremitenberg lief, ſahen ſie
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ſie antworteten einander durch den Abſchied — —

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[116/0126] Druck ſo oft gefuͤhlet hatte: ſo nahm der Schmerz die Schleiergeſtallt der Vergangenheit an, Mai¬ land gieng mit den Bluͤthen ſeiner Weinberge und mit den Gipfeln ſeiner Kaſtanien und mit den ſchoͤ¬ nen Tagen unter beiden voruͤber und ſah traurig die zwei Menſchen an, die nichts mehr hatten — hier waͤr er mit den zwei gießenden Augen auf die zwei ewig trocknen gefallen, wenn nicht der Leichenmarſchall geſagt haͤtte, „das thut man nicht gern, es iſt nicht gut.“ Bloß eine Locke gab ihm das Grab vom ganzen geraubten Freunde zuruͤck, eine Locke die fuͤr das Auge ſo wenig und fuͤr den fuͤhlende Finger ſo viel iſt. Er ſchlichtete die Hand, die den letzten Brief ſo traurig geſchloſſen ſanft wieder uͤber die unberuͤhrte und verließ ſeinen Ot¬ tomar auf lange. Er hatte nicht bemerkt, daß des Verſtorbnen Spitzhund und zwei tonſurierte fremde Men¬ ſchen, da waren, wovon der eine 6 Finger hat¬ te. — Außer der Kirche auf dem Wege, deſſen eine Richtung nach dem Ottomar'ſchen Schloß und deſſen andre um den Eremitenberg lief, ſahen ſie einander mit einer ſtummen troſtloſen Frage an — ſie antworteten einander durch den Abſchied — —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/126>, abgerufen am 22.11.2024.