Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

gen und unserer Magenhaut gut thut, wenn wir
in Einem Nachmittage jene vier Brodsortiments
auf einmal anfressen; denn wir müssen aller Hen¬
ker seyn, um allen Henker zu schildern: wie woll¬
ten wir's sonst machen, wenn wir im nämlichen
Monat aus dem nämlichen Herzen, wie aus dem
nämlichen Buchladen (ich ärgere hier Hr. Adelung
durchs Wort "nämlichen") Satiren -- Hymnen --
Nachtgedanken -- Huren- und Sterbelieder liefern
sollen, so daß man hinter und vor uns erstaunt
übers Pantheon und Pandämonium unter Einem
Dache -- mehr als über des Galeerensklaven Bazile
nachgelassenen Magen, in dem ein Mobiliarvermö¬
gen von 35 Effekten hausete, z. B. Pfeifenköpfe,
Leder u. s. w.

Wenn die zwei jungen Leute am Schachbrett
saßen, das entweder ihre Scheidewand oder ihre
Brücke werden sollte: so stand der Vater allemal
als Marqueur dabei; es war aber wirklich nicht nö¬
thig -- nicht bloß weil der Rittmeister so erbärm¬
lich spielte und seine Gegenfüßlerin so philidorisch,
auch darum nicht, weil ihr die weibliche Kleider¬
ordnung ohnehin verbot, matt oder verliebt zu wer¬
den (denn am Ende kehren Weiber und Ruderknech¬

gen und unſerer Magenhaut gut thut, wenn wir
in Einem Nachmittage jene vier Brodſortiments
auf einmal anfreſſen; denn wir muͤſſen aller Hen¬
ker ſeyn, um allen Henker zu ſchildern: wie woll¬
ten wir's ſonſt machen, wenn wir im naͤmlichen
Monat aus dem naͤmlichen Herzen, wie aus dem
naͤmlichen Buchladen (ich aͤrgere hier Hr. Adelung
durchs Wort „naͤmlichen“) Satiren — Hymnen —
Nachtgedanken — Huren- und Sterbelieder liefern
ſollen, ſo daß man hinter und vor uns erſtaunt
uͤbers Pantheon und Pandaͤmonium unter Einem
Dache — mehr als uͤber des Galeerenſklaven Bazile
nachgelaſſenen Magen, in dem ein Mobiliarvermoͤ¬
gen von 35 Effekten hauſete, z. B. Pfeifenkoͤpfe,
Leder u. ſ. w.

Wenn die zwei jungen Leute am Schachbrett
ſaßen, das entweder ihre Scheidewand oder ihre
Bruͤcke werden ſollte: ſo ſtand der Vater allemal
als Marqueur dabei; es war aber wirklich nicht noͤ¬
thig — nicht bloß weil der Rittmeiſter ſo erbaͤrm¬
lich ſpielte und ſeine Gegenfuͤßlerin ſo philidoriſch,
auch darum nicht, weil ihr die weibliche Kleider¬
ordnung ohnehin verbot, matt oder verliebt zu wer¬
den (denn am Ende kehren Weiber und Ruderknech¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0043" n="7"/>
gen und un&#x017F;erer Magenhaut gut thut, wenn wir<lb/>
in Einem Nachmittage jene vier Brod&#x017F;ortiments<lb/>
auf einmal anfre&#x017F;&#x017F;en; denn wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aller Hen¬<lb/>
ker &#x017F;eyn, um allen Henker zu &#x017F;childern: wie woll¬<lb/>
ten wir's &#x017F;on&#x017F;t machen, wenn wir im na&#x0364;mlichen<lb/>
Monat aus dem na&#x0364;mlichen Herzen, wie aus dem<lb/>
na&#x0364;mlichen Buchladen (ich a&#x0364;rgere hier Hr. Adelung<lb/>
durchs Wort &#x201E;na&#x0364;mlichen&#x201C;) Satiren &#x2014; Hymnen &#x2014;<lb/>
Nachtgedanken &#x2014; Huren- und Sterbelieder liefern<lb/>
&#x017F;ollen, &#x017F;o daß man hinter und vor uns er&#x017F;taunt<lb/>
u&#x0364;bers Pantheon und Panda&#x0364;monium unter Einem<lb/>
Dache &#x2014; mehr als u&#x0364;ber des Galeeren&#x017F;klaven Bazile<lb/>
nachgela&#x017F;&#x017F;enen Magen, in dem ein Mobiliarvermo&#x0364;¬<lb/>
gen von 35 Effekten hau&#x017F;ete, z. B. Pfeifenko&#x0364;pfe,<lb/>
Leder u. &#x017F;. w.</p><lb/>
          <p>Wenn die zwei jungen Leute am Schachbrett<lb/>
&#x017F;aßen, das entweder ihre Scheidewand oder ihre<lb/>
Bru&#x0364;cke werden &#x017F;ollte: &#x017F;o &#x017F;tand der Vater allemal<lb/>
als Marqueur dabei; es war aber wirklich nicht no&#x0364;¬<lb/>
thig &#x2014; nicht bloß weil der Rittmei&#x017F;ter &#x017F;o erba&#x0364;rm¬<lb/>
lich &#x017F;pielte und &#x017F;eine Gegenfu&#x0364;ßlerin &#x017F;o philidori&#x017F;ch,<lb/>
auch darum nicht, weil ihr die weibliche Kleider¬<lb/>
ordnung ohnehin verbot, matt oder verliebt zu wer¬<lb/>
den (denn am Ende kehren Weiber und Ruderknech¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0043] gen und unſerer Magenhaut gut thut, wenn wir in Einem Nachmittage jene vier Brodſortiments auf einmal anfreſſen; denn wir muͤſſen aller Hen¬ ker ſeyn, um allen Henker zu ſchildern: wie woll¬ ten wir's ſonſt machen, wenn wir im naͤmlichen Monat aus dem naͤmlichen Herzen, wie aus dem naͤmlichen Buchladen (ich aͤrgere hier Hr. Adelung durchs Wort „naͤmlichen“) Satiren — Hymnen — Nachtgedanken — Huren- und Sterbelieder liefern ſollen, ſo daß man hinter und vor uns erſtaunt uͤbers Pantheon und Pandaͤmonium unter Einem Dache — mehr als uͤber des Galeerenſklaven Bazile nachgelaſſenen Magen, in dem ein Mobiliarvermoͤ¬ gen von 35 Effekten hauſete, z. B. Pfeifenkoͤpfe, Leder u. ſ. w. Wenn die zwei jungen Leute am Schachbrett ſaßen, das entweder ihre Scheidewand oder ihre Bruͤcke werden ſollte: ſo ſtand der Vater allemal als Marqueur dabei; es war aber wirklich nicht noͤ¬ thig — nicht bloß weil der Rittmeiſter ſo erbaͤrm¬ lich ſpielte und ſeine Gegenfuͤßlerin ſo philidoriſch, auch darum nicht, weil ihr die weibliche Kleider¬ ordnung ohnehin verbot, matt oder verliebt zu wer¬ den (denn am Ende kehren Weiber und Ruderknech¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/43
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/43>, abgerufen am 21.11.2024.