schlimmsten, die liegend das edle Menschengesicht durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter diesen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬ schen zu ihm aufblicken sähe -- wenn er sähe, wie sie, gedrückt von der Wassersäule über ihrem Haup¬ te, umstrickt vom Geniste und Schlamm ihres Fu߬ bodens, sich durch die Wellen drängten und lechze¬ ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether über ihnen, wie sie mehr liebten als geliebt wür¬ den, das Leben mehr ertrügen als genössen, gleich fern von stehendem Emporstaunen und rennender Geschäftsleben Hände und Füße dem Meeresboden und das aufwärts steigende Herz und Haupt dem Aether ausser dem Meere gäben und auf nichts sä¬ hen als auf die Hand, die das Gewicht des Kör¬ pers, das den Täucher mit den Boden verbindet, von ihm trennt und ihn aufsteigen lässet in sein Ele¬ ment . . . . o dieser Engel könnte diese Menschen für untergesunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern und ihre Thränen im Meer . . . . Könnte man die Gräber eines Pythagoras (der schönsten Seele un¬ ter den Alten) -- Plato's -- Sokrates -- Anto¬ nins (aber nicht so gut des großen Kato oder Epik¬ tets) -- Shakespears (wenn sein Leben wie sein
ſchlimmſten, die liegend das edle Menſchengeſicht durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter dieſen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬ ſchen zu ihm aufblicken ſaͤhe — wenn er ſaͤhe, wie ſie, gedruͤckt von der Waſſerſaͤule uͤber ihrem Haup¬ te, umſtrickt vom Geniſte und Schlamm ihres Fu߬ bodens, ſich durch die Wellen draͤngten und lechze¬ ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether uͤber ihnen, wie ſie mehr liebten als geliebt wuͤr¬ den, das Leben mehr ertruͤgen als genoͤſſen, gleich fern von ſtehendem Emporſtaunen und rennender Geſchaͤftsleben Haͤnde und Fuͤße dem Meeresboden und das aufwaͤrts ſteigende Herz und Haupt dem Aether auſſer dem Meere gaͤben und auf nichts ſaͤ¬ hen als auf die Hand, die das Gewicht des Koͤr¬ pers, das den Taͤucher mit den Boden verbindet, von ihm trennt und ihn aufſteigen laͤſſet in ſein Ele¬ ment . . . . o dieſer Engel koͤnnte dieſe Menſchen fuͤr untergeſunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern und ihre Thraͤnen im Meer . . . . Koͤnnte man die Graͤber eines Pythagoras (der ſchoͤnſten Seele un¬ ter den Alten) — Plato's — Sokrates — Anto¬ nins (aber nicht ſo gut des großen Kato oder Epik¬ tets) — Shakeſpears (wenn ſein Leben wie ſein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0408"n="372"/>ſchlimmſten, die <hirendition="#g">liegend</hi> das edle Menſchengeſicht<lb/>
durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter<lb/>
dieſen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬<lb/>ſchen zu ihm aufblicken ſaͤhe — wenn er ſaͤhe, wie<lb/>ſie, gedruͤckt von der Waſſerſaͤule uͤber ihrem Haup¬<lb/>
te, umſtrickt vom Geniſte und Schlamm ihres Fu߬<lb/>
bodens, ſich durch die Wellen draͤngten und lechze¬<lb/>
ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether<lb/>
uͤber ihnen, wie ſie mehr liebten als geliebt wuͤr¬<lb/>
den, das Leben mehr ertruͤgen als genoͤſſen, gleich<lb/>
fern von ſtehendem Emporſtaunen und rennender<lb/>
Geſchaͤftsleben Haͤnde und Fuͤße dem Meeresboden<lb/>
und das aufwaͤrts ſteigende Herz und Haupt dem<lb/>
Aether auſſer dem Meere gaͤben und auf nichts ſaͤ¬<lb/>
hen als auf die Hand, die das Gewicht des Koͤr¬<lb/>
pers, das den Taͤucher mit den Boden verbindet,<lb/>
von ihm trennt und ihn aufſteigen laͤſſet in ſein Ele¬<lb/>
ment . . . . o dieſer Engel koͤnnte dieſe Menſchen fuͤr<lb/>
untergeſunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern<lb/>
und ihre Thraͤnen im Meer . . . . Koͤnnte man die<lb/>
Graͤber eines Pythagoras (der ſchoͤnſten Seele un¬<lb/>
ter den Alten) — Plato's — Sokrates — Anto¬<lb/>
nins (aber nicht ſo gut des großen Kato oder Epik¬<lb/>
tets) — Shakeſpears (wenn ſein Leben wie ſein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[372/0408]
ſchlimmſten, die liegend das edle Menſchengeſicht
durch den Koth durchziehen, wenn er aber unter
dieſen Seethieren einige aufrecht gehende hohe Men¬
ſchen zu ihm aufblicken ſaͤhe — wenn er ſaͤhe, wie
ſie, gedruͤckt von der Waſſerſaͤule uͤber ihrem Haup¬
te, umſtrickt vom Geniſte und Schlamm ihres Fu߬
bodens, ſich durch die Wellen draͤngten und lechze¬
ten nach einem Athemzuge aus dem weiten Aether
uͤber ihnen, wie ſie mehr liebten als geliebt wuͤr¬
den, das Leben mehr ertruͤgen als genoͤſſen, gleich
fern von ſtehendem Emporſtaunen und rennender
Geſchaͤftsleben Haͤnde und Fuͤße dem Meeresboden
und das aufwaͤrts ſteigende Herz und Haupt dem
Aether auſſer dem Meere gaͤben und auf nichts ſaͤ¬
hen als auf die Hand, die das Gewicht des Koͤr¬
pers, das den Taͤucher mit den Boden verbindet,
von ihm trennt und ihn aufſteigen laͤſſet in ſein Ele¬
ment . . . . o dieſer Engel koͤnnte dieſe Menſchen fuͤr
untergeſunkne Engel halten und ihre Tiefe bedauern
und ihre Thraͤnen im Meer . . . . Koͤnnte man die
Graͤber eines Pythagoras (der ſchoͤnſten Seele un¬
ter den Alten) — Plato's — Sokrates — Anto¬
nins (aber nicht ſo gut des großen Kato oder Epik¬
tets) — Shakeſpears (wenn ſein Leben wie ſein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/408>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.