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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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seinem Freunde das weichste mit, das es außer der
Brust Beatens gab. Ich und der Leser haben hier¬
über unsre Gedanken: eben diese versöhnliche Weich¬
heit schrieb sich bloß vom versteckten Bewustsein her,
daß er halb den Verdacht der Nebenbuhlerei verdie¬
ne; denn sonst hätt' er, von Stolz gehoben, dem
andern zwar auch vergeben, aber ihn darum nicht
stärker geliebt. -- Er fand ihn in der schlimmsten
Stimmung für seine Absicht -- in der freundschaft¬
lichsten nämlich: denn in Zärtlich-Kranken ist jede
Empfindung ein gewisser Vorbothe der entgegenge¬
setzten und alle haben alternierende Stimmen.
Amandus war im Anatomier-Zimmer seines Vaters
-- der Sonnenstrahl fiel vor seinem Untergang in
die leere Augenhöle eines Todtenschädels -- in Phio¬
len hiengen Menschen-Blüthen, kleine Grundstri¬
che, nach denen das Schicksal den Menschen gar aus¬
ziehen wollte, Menschgen mit vorhängendem großen
Kopf und großen Herzen, aber mit einem großen
Kopfe ohne einen Irrthum und einem großen Her¬
zen ohne einen Schmerz -- auf einer Tafel lag eine
schwarze Färbers Hand, an deren Farbe der Doktor
Proben machen wollte. ... Welche Nachbarschaft
für eine Aussöhnung und einen Abschied;

ſeinem Freunde das weichſte mit, das es außer der
Bruſt Beatens gab. Ich und der Leſer haben hier¬
uͤber unſre Gedanken: eben dieſe verſoͤhnliche Weich¬
heit ſchrieb ſich bloß vom verſteckten Bewuſtſein her,
daß er halb den Verdacht der Nebenbuhlerei verdie¬
ne; denn ſonſt haͤtt' er, von Stolz gehoben, dem
andern zwar auch vergeben, aber ihn darum nicht
ſtaͤrker geliebt. — Er fand ihn in der ſchlimmſten
Stimmung fuͤr ſeine Abſicht — in der freundſchaft¬
lichſten naͤmlich: denn in Zaͤrtlich-Kranken iſt jede
Empfindung ein gewiſſer Vorbothe der entgegenge¬
ſetzten und alle haben alternierende Stimmen.
Amandus war im Anatomier-Zimmer ſeines Vaters
— der Sonnenſtrahl fiel vor ſeinem Untergang in
die leere Augenhoͤle eines Todtenſchaͤdels — in Phio¬
len hiengen Menſchen-Bluͤthen, kleine Grundſtri¬
che, nach denen das Schickſal den Menſchen gar aus¬
ziehen wollte, Menſchgen mit vorhaͤngendem großen
Kopf und großen Herzen, aber mit einem großen
Kopfe ohne einen Irrthum und einem großen Her¬
zen ohne einen Schmerz — auf einer Tafel lag eine
ſchwarze Faͤrbers Hand, an deren Farbe der Doktor
Proben machen wollte. ... Welche Nachbarſchaft
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[358/0394] ſeinem Freunde das weichſte mit, das es außer der Bruſt Beatens gab. Ich und der Leſer haben hier¬ uͤber unſre Gedanken: eben dieſe verſoͤhnliche Weich¬ heit ſchrieb ſich bloß vom verſteckten Bewuſtſein her, daß er halb den Verdacht der Nebenbuhlerei verdie¬ ne; denn ſonſt haͤtt' er, von Stolz gehoben, dem andern zwar auch vergeben, aber ihn darum nicht ſtaͤrker geliebt. — Er fand ihn in der ſchlimmſten Stimmung fuͤr ſeine Abſicht — in der freundſchaft¬ lichſten naͤmlich: denn in Zaͤrtlich-Kranken iſt jede Empfindung ein gewiſſer Vorbothe der entgegenge¬ ſetzten und alle haben alternierende Stimmen. Amandus war im Anatomier-Zimmer ſeines Vaters — der Sonnenſtrahl fiel vor ſeinem Untergang in die leere Augenhoͤle eines Todtenſchaͤdels — in Phio¬ len hiengen Menſchen-Bluͤthen, kleine Grundſtri¬ che, nach denen das Schickſal den Menſchen gar aus¬ ziehen wollte, Menſchgen mit vorhaͤngendem großen Kopf und großen Herzen, aber mit einem großen Kopfe ohne einen Irrthum und einem großen Her¬ zen ohne einen Schmerz — auf einer Tafel lag eine ſchwarze Faͤrbers Hand, an deren Farbe der Doktor Proben machen wollte. ... Welche Nachbarſchaft fuͤr eine Ausſoͤhnung und einen Abſchied;

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/394>, abgerufen am 24.11.2024.