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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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Nacht und der Traum wieder einen Mantel auf alle
Fehler der Menschen und auf diesen. Abends um 5 Uhr
fiengs von vornen an. Lacht ihn aus, aber ohne Stolz
und mich und euch auch, denn alle unsre Empfin¬
dungen sind, -- ohne ihre Löwen- und Narrenwärte¬
rin, die Vernunft -- eben so toll, wenn nicht in unserem
Leben, doch in unserem Herzen! -- aber endlich hatte
er seine Verzeihung so oft zurückgenommen, daß ers
bleiben lassen wollte, falls nur Gustav anklopfte und
von ihm alle die Beschuldigungen anhörte die er ihm
zu verzeihen vorhatte. Man schiebt oft das Verge¬
ben auf, weil man das Keifen aufzuschieben gezwun¬
gen ist -- Aber, trauter Amandus, konnt' er denn
kommen, Gustav und ließ ihn der Romancier? --

Letzterer triebs noch weiter und intriguirte es,
daß Gustav, dieser Großsultan, dieser Held zweier
gut geschriebner Bücher, an einem Abend wo der
Kadettengeneral großes Soupee gab, vor dessen Haus
kam als -- Schildwache. Beim Henker! wenn die
schönsten Damen vorfahren, die bekannte Residen¬
tin -- die mit einem zufälligen Blick unsre gute
Schildwache ausbälgte und ausgestopft unter ihrer
Hirnschaale aufstellte -- und ihr Gesellschaftsfräulein
Beata und wenn man vor solchen Gesichtern das Ge¬

Nacht und der Traum wieder einen Mantel auf alle
Fehler der Menſchen und auf dieſen. Abends um 5 Uhr
fiengs von vornen an. Lacht ihn aus, aber ohne Stolz
und mich und euch auch, denn alle unſre Empfin¬
dungen ſind, — ohne ihre Loͤwen- und Narrenwaͤrte¬
rin, die Vernunft — eben ſo toll, wenn nicht in unſerem
Leben, doch in unſerem Herzen! — aber endlich hatte
er ſeine Verzeihung ſo oft zuruͤckgenommen, daß ers
bleiben laſſen wollte, falls nur Guſtav anklopfte und
von ihm alle die Beſchuldigungen anhoͤrte die er ihm
zu verzeihen vorhatte. Man ſchiebt oft das Verge¬
ben auf, weil man das Keifen aufzuſchieben gezwun¬
gen iſt — Aber, trauter Amandus, konnt' er denn
kommen, Guſtav und ließ ihn der Romancier? —

Letzterer triebs noch weiter und intriguirte es,
daß Guſtav, dieſer Großſultan, dieſer Held zweier
gut geſchriebner Buͤcher, an einem Abend wo der
Kadettengeneral großes Soupee gab, vor deſſen Haus
kam als — Schildwache. Beim Henker! wenn die
ſchoͤnſten Damen vorfahren, die bekannte Reſiden¬
tin — die mit einem zufaͤlligen Blick unſre gute
Schildwache ausbaͤlgte und ausgeſtopft unter ihrer
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[351/0387] Nacht und der Traum wieder einen Mantel auf alle Fehler der Menſchen und auf dieſen. Abends um 5 Uhr fiengs von vornen an. Lacht ihn aus, aber ohne Stolz und mich und euch auch, denn alle unſre Empfin¬ dungen ſind, — ohne ihre Loͤwen- und Narrenwaͤrte¬ rin, die Vernunft — eben ſo toll, wenn nicht in unſerem Leben, doch in unſerem Herzen! — aber endlich hatte er ſeine Verzeihung ſo oft zuruͤckgenommen, daß ers bleiben laſſen wollte, falls nur Guſtav anklopfte und von ihm alle die Beſchuldigungen anhoͤrte die er ihm zu verzeihen vorhatte. Man ſchiebt oft das Verge¬ ben auf, weil man das Keifen aufzuſchieben gezwun¬ gen iſt — Aber, trauter Amandus, konnt' er denn kommen, Guſtav und ließ ihn der Romancier? — Letzterer triebs noch weiter und intriguirte es, daß Guſtav, dieſer Großſultan, dieſer Held zweier gut geſchriebner Buͤcher, an einem Abend wo der Kadettengeneral großes Soupee gab, vor deſſen Haus kam als — Schildwache. Beim Henker! wenn die ſchoͤnſten Damen vorfahren, die bekannte Reſiden¬ tin — die mit einem zufaͤlligen Blick unſre gute Schildwache ausbaͤlgte und ausgeſtopft unter ihrer Hirnſchaale aufſtellte — und ihr Geſellſchaftsfraͤulein Beata und wenn man vor ſolchen Geſichtern das Ge¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/387>, abgerufen am 23.07.2024.