Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

that was er nicht vorher und nachher aller Welt
promulgirte: so hatt' es sogar mein Rittmeister
gehört, daß er beim Kadettengeneral so lange und
so fein intriguirt hatte bis er statt eines aufsehen¬
den Offiziers die Zimmer des Kadettenpädagogiums
bewohnen und verwechseln durfte; und so kam un¬
ser Fürst diesem Menschen-Naturforscher eben so
mit einer menschlichen Menagerie zu Hülfe, wie
Alexander dem Aristoteles mit einer thierischen.
Der Rittmeister trat also mit seiner siegenden Men¬
schenfreundlichkeit zu ihm und bat ihn, sich für un¬
sern Gustav beim Kadettengeneral geschickt zu ver¬
wenden, damit er einmal unter dessen Fahne kä¬
me. Der Protektor Oefel sagte, nunmehr sey es
schon so gut als richtig; er enzückte sich selber mit
der Vorstellung, einen unter der Erde erzognen
Sonderling zum Stubenkameraden und zum sitzen¬
den Original zu bekommen.

Die Stralenbrechung zeigt Schiffern das Land
allezeit um etliche Hundert Meilen näher als es
liegt und stärkt durch so einen unschuldigen Betrug
sie mit Hoffnung und Genuß. Aber auch in der
moralischen Welt ist die wohlthätige Einrichtung,
daß Fürsten und ihre Ministerien uns Bittsteller

that was er nicht vorher und nachher aller Welt
promulgirte: ſo hatt' es ſogar mein Rittmeiſter
gehoͤrt, daß er beim Kadettengeneral ſo lange und
ſo fein intriguirt hatte bis er ſtatt eines aufſehen¬
den Offiziers die Zimmer des Kadettenpaͤdagogiums
bewohnen und verwechſeln durfte; und ſo kam un¬
ſer Fuͤrſt dieſem Menſchen-Naturforſcher eben ſo
mit einer menſchlichen Menagerie zu Huͤlfe, wie
Alexander dem Ariſtoteles mit einer thieriſchen.
Der Rittmeiſter trat alſo mit ſeiner ſiegenden Men¬
ſchenfreundlichkeit zu ihm und bat ihn, ſich fuͤr un¬
ſern Guſtav beim Kadettengeneral geſchickt zu ver¬
wenden, damit er einmal unter deſſen Fahne kaͤ¬
me. Der Protektor Oefel ſagte, nunmehr ſey es
ſchon ſo gut als richtig; er enzuͤckte ſich ſelber mit
der Vorſtellung, einen unter der Erde erzognen
Sonderling zum Stubenkameraden und zum ſitzen¬
den Original zu bekommen.

Die Stralenbrechung zeigt Schiffern das Land
allezeit um etliche Hundert Meilen naͤher als es
liegt und ſtaͤrkt durch ſo einen unſchuldigen Betrug
ſie mit Hoffnung und Genuß. Aber auch in der
moraliſchen Welt iſt die wohlthaͤtige Einrichtung,
daß Fuͤrſten und ihre Miniſterien uns Bittſteller

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0306" n="270"/>
that was er nicht vorher und nachher aller Welt<lb/>
promulgirte: &#x017F;o hatt' es &#x017F;ogar mein Rittmei&#x017F;ter<lb/>
geho&#x0364;rt, daß er beim Kadettengeneral &#x017F;o lange und<lb/>
&#x017F;o fein intriguirt hatte bis er &#x017F;tatt eines auf&#x017F;ehen¬<lb/>
den Offiziers die Zimmer des Kadettenpa&#x0364;dagogiums<lb/>
bewohnen und verwech&#x017F;eln durfte; und &#x017F;o kam un¬<lb/>
&#x017F;er Fu&#x0364;r&#x017F;t die&#x017F;em Men&#x017F;chen-Naturfor&#x017F;cher eben &#x017F;o<lb/>
mit einer men&#x017F;chlichen Menagerie zu Hu&#x0364;lfe, wie<lb/>
Alexander dem Ari&#x017F;toteles mit einer thieri&#x017F;chen.<lb/>
Der Rittmei&#x017F;ter trat al&#x017F;o mit &#x017F;einer &#x017F;iegenden Men¬<lb/>
&#x017F;chenfreundlichkeit zu ihm und bat ihn, &#x017F;ich fu&#x0364;r un¬<lb/>
&#x017F;ern Gu&#x017F;tav beim Kadettengeneral ge&#x017F;chickt zu ver¬<lb/>
wenden, damit er einmal unter de&#x017F;&#x017F;en Fahne ka&#x0364;¬<lb/>
me. Der Protektor Oefel &#x017F;agte, nunmehr &#x017F;ey es<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;o gut als richtig; er enzu&#x0364;ckte &#x017F;ich &#x017F;elber mit<lb/>
der Vor&#x017F;tellung, einen unter der Erde erzognen<lb/>
Sonderling zum Stubenkameraden und zum &#x017F;itzen¬<lb/>
den Original zu bekommen.</p><lb/>
          <p>Die Stralenbrechung zeigt Schiffern das Land<lb/>
allezeit um etliche Hundert Meilen na&#x0364;her als es<lb/>
liegt und &#x017F;ta&#x0364;rkt durch &#x017F;o einen un&#x017F;chuldigen Betrug<lb/>
&#x017F;ie mit Hoffnung und Genuß. Aber auch in der<lb/>
morali&#x017F;chen Welt i&#x017F;t die wohltha&#x0364;tige Einrichtung,<lb/>
daß Fu&#x0364;r&#x017F;ten und ihre Mini&#x017F;terien uns <hi rendition="#g">Bitt&#x017F;teller</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0306] that was er nicht vorher und nachher aller Welt promulgirte: ſo hatt' es ſogar mein Rittmeiſter gehoͤrt, daß er beim Kadettengeneral ſo lange und ſo fein intriguirt hatte bis er ſtatt eines aufſehen¬ den Offiziers die Zimmer des Kadettenpaͤdagogiums bewohnen und verwechſeln durfte; und ſo kam un¬ ſer Fuͤrſt dieſem Menſchen-Naturforſcher eben ſo mit einer menſchlichen Menagerie zu Huͤlfe, wie Alexander dem Ariſtoteles mit einer thieriſchen. Der Rittmeiſter trat alſo mit ſeiner ſiegenden Men¬ ſchenfreundlichkeit zu ihm und bat ihn, ſich fuͤr un¬ ſern Guſtav beim Kadettengeneral geſchickt zu ver¬ wenden, damit er einmal unter deſſen Fahne kaͤ¬ me. Der Protektor Oefel ſagte, nunmehr ſey es ſchon ſo gut als richtig; er enzuͤckte ſich ſelber mit der Vorſtellung, einen unter der Erde erzognen Sonderling zum Stubenkameraden und zum ſitzen¬ den Original zu bekommen. Die Stralenbrechung zeigt Schiffern das Land allezeit um etliche Hundert Meilen naͤher als es liegt und ſtaͤrkt durch ſo einen unſchuldigen Betrug ſie mit Hoffnung und Genuß. Aber auch in der moraliſchen Welt iſt die wohlthaͤtige Einrichtung, daß Fuͤrſten und ihre Miniſterien uns Bittſteller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/306
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/306>, abgerufen am 13.05.2024.