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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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kles geschrieben wurden wie jezt. Allein ich rede
vom jezigen Geschmack des Volks, nicht des Genies.

Wenn der Geist der Alten in ihrem geraden
festen Gang zum Zweck bestand, in ihrem Hasse
des doppelten dreifachen Manschetten-Schmucks, in
einer gewissen kindlichen Aufrichtigkeit: so muß es
uns immer leichter werden, diesen Geist zu füh¬
len, und immer schwerer, ihn in unsre Werke
zu hauchen: mit jedem Jahrhundert müssen in
unserem Style die Ein- Ueber- und Rücksichten
mit unserm Lernen schimmernd wachsen; die Fülle
unserer Komposition muß ihre Ründe verwehren;
wir putzen den Putz an, binden den Einband ein
und ziehen ein Ueberkleid über das Ueberkleid; wir
müssen den weißen Sonnenstrahl der Wahrheit, da
er uns nicht mehr zum erstenmale trift, in Far¬
ben zersetzen und anstatt daß die Alten mit Wor¬
ten
und Gedanken freigebig waren, sind wir
mit beiden sparsam. Gleichwohl ists besser ein
Instrument von 6 Oktaven zu seyn, dessen Töne
leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬
nochord, dessen einzige Saite sich schwerer ver¬
stimmt: und es wäre eben so schlimm, wenn je¬
der als wenn niemand wie Monboddo schriebe.

kles geſchrieben wurden wie jezt. Allein ich rede
vom jezigen Geſchmack des Volks, nicht des Genies.

Wenn der Geiſt der Alten in ihrem geraden
feſten Gang zum Zweck beſtand, in ihrem Haſſe
des doppelten dreifachen Manſchetten-Schmucks, in
einer gewiſſen kindlichen Aufrichtigkeit: ſo muß es
uns immer leichter werden, dieſen Geiſt zu fuͤh¬
len, und immer ſchwerer, ihn in unſre Werke
zu hauchen: mit jedem Jahrhundert muͤſſen in
unſerem Style die Ein- Ueber- und Ruͤckſichten
mit unſerm Lernen ſchimmernd wachſen; die Fuͤlle
unſerer Kompoſition muß ihre Ruͤnde verwehren;
wir putzen den Putz an, binden den Einband ein
und ziehen ein Ueberkleid uͤber das Ueberkleid; wir
muͤſſen den weißen Sonnenſtrahl der Wahrheit, da
er uns nicht mehr zum erſtenmale trift, in Far¬
ben zerſetzen und anſtatt daß die Alten mit Wor¬
ten
und Gedanken freigebig waren, ſind wir
mit beiden ſparſam. Gleichwohl iſts beſſer ein
Inſtrument von 6 Oktaven zu ſeyn, deſſen Toͤne
leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬
nochord, deſſen einzige Saite ſich ſchwerer ver¬
ſtimmt: und es waͤre eben ſo ſchlimm, wenn je¬
der als wenn niemand wie Monboddo ſchriebe.

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[192/0228] kles geſchrieben wurden wie jezt. Allein ich rede vom jezigen Geſchmack des Volks, nicht des Genies. Wenn der Geiſt der Alten in ihrem geraden feſten Gang zum Zweck beſtand, in ihrem Haſſe des doppelten dreifachen Manſchetten-Schmucks, in einer gewiſſen kindlichen Aufrichtigkeit: ſo muß es uns immer leichter werden, dieſen Geiſt zu fuͤh¬ len, und immer ſchwerer, ihn in unſre Werke zu hauchen: mit jedem Jahrhundert muͤſſen in unſerem Style die Ein- Ueber- und Ruͤckſichten mit unſerm Lernen ſchimmernd wachſen; die Fuͤlle unſerer Kompoſition muß ihre Ruͤnde verwehren; wir putzen den Putz an, binden den Einband ein und ziehen ein Ueberkleid uͤber das Ueberkleid; wir muͤſſen den weißen Sonnenſtrahl der Wahrheit, da er uns nicht mehr zum erſtenmale trift, in Far¬ ben zerſetzen und anſtatt daß die Alten mit Wor¬ ten und Gedanken freigebig waren, ſind wir mit beiden ſparſam. Gleichwohl iſts beſſer ein Inſtrument von 6 Oktaven zu ſeyn, deſſen Toͤne leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬ nochord, deſſen einzige Saite ſich ſchwerer ver¬ ſtimmt: und es waͤre eben ſo ſchlimm, wenn je¬ der als wenn niemand wie Monboddo ſchriebe.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/228>, abgerufen am 22.11.2024.