kles geschrieben wurden wie jezt. Allein ich rede vom jezigen Geschmack des Volks, nicht des Genies.
Wenn der Geist der Alten in ihrem geraden festen Gang zum Zweck bestand, in ihrem Hasse des doppelten dreifachen Manschetten-Schmucks, in einer gewissen kindlichen Aufrichtigkeit: so muß es uns immer leichter werden, diesen Geist zu füh¬ len, und immer schwerer, ihn in unsre Werke zu hauchen: mit jedem Jahrhundert müssen in unserem Style die Ein- Ueber- und Rücksichten mit unserm Lernen schimmernd wachsen; die Fülle unserer Komposition muß ihre Ründe verwehren; wir putzen den Putz an, binden den Einband ein und ziehen ein Ueberkleid über das Ueberkleid; wir müssen den weißen Sonnenstrahl der Wahrheit, da er uns nicht mehr zum erstenmale trift, in Far¬ ben zersetzen und anstatt daß die Alten mit Wor¬ ten und Gedanken freigebig waren, sind wir mit beiden sparsam. Gleichwohl ists besser ein Instrument von 6 Oktaven zu seyn, dessen Töne leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬ nochord, dessen einzige Saite sich schwerer ver¬ stimmt: und es wäre eben so schlimm, wenn je¬ der als wenn niemand wie Monboddo schriebe.
kles geſchrieben wurden wie jezt. Allein ich rede vom jezigen Geſchmack des Volks, nicht des Genies.
Wenn der Geiſt der Alten in ihrem geraden feſten Gang zum Zweck beſtand, in ihrem Haſſe des doppelten dreifachen Manſchetten-Schmucks, in einer gewiſſen kindlichen Aufrichtigkeit: ſo muß es uns immer leichter werden, dieſen Geiſt zu fuͤh¬ len, und immer ſchwerer, ihn in unſre Werke zu hauchen: mit jedem Jahrhundert muͤſſen in unſerem Style die Ein- Ueber- und Ruͤckſichten mit unſerm Lernen ſchimmernd wachſen; die Fuͤlle unſerer Kompoſition muß ihre Ruͤnde verwehren; wir putzen den Putz an, binden den Einband ein und ziehen ein Ueberkleid uͤber das Ueberkleid; wir muͤſſen den weißen Sonnenſtrahl der Wahrheit, da er uns nicht mehr zum erſtenmale trift, in Far¬ ben zerſetzen und anſtatt daß die Alten mit Wor¬ ten und Gedanken freigebig waren, ſind wir mit beiden ſparſam. Gleichwohl iſts beſſer ein Inſtrument von 6 Oktaven zu ſeyn, deſſen Toͤne leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬ nochord, deſſen einzige Saite ſich ſchwerer ver¬ ſtimmt: und es waͤre eben ſo ſchlimm, wenn je¬ der als wenn niemand wie Monboddo ſchriebe.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0228"n="192"/>
kles geſchrieben wurden wie jezt. Allein ich rede<lb/>
vom jezigen Geſchmack des Volks, nicht des Genies.</p><lb/><p>Wenn der Geiſt der Alten in ihrem geraden<lb/>
feſten Gang zum Zweck beſtand, in ihrem Haſſe<lb/>
des doppelten dreifachen Manſchetten-Schmucks, in<lb/>
einer gewiſſen kindlichen Aufrichtigkeit: ſo muß es<lb/>
uns immer leichter werden, dieſen Geiſt zu fuͤh¬<lb/>
len, und immer ſchwerer, ihn in unſre Werke<lb/>
zu hauchen: mit jedem Jahrhundert muͤſſen in<lb/>
unſerem Style die Ein- Ueber- und Ruͤckſichten<lb/>
mit unſerm Lernen ſchimmernd wachſen; die Fuͤlle<lb/>
unſerer Kompoſition muß ihre Ruͤnde verwehren;<lb/>
wir putzen den Putz an, binden den Einband ein<lb/>
und ziehen ein Ueberkleid uͤber das Ueberkleid; wir<lb/>
muͤſſen den weißen Sonnenſtrahl der Wahrheit, da<lb/>
er uns nicht mehr zum erſtenmale trift, in Far¬<lb/>
ben zerſetzen und anſtatt daß die Alten mit <hirendition="#g">Wor¬<lb/>
ten</hi> und <hirendition="#g">Gedanken</hi> freigebig waren, ſind wir<lb/>
mit <hirendition="#g">beiden</hi>ſparſam. Gleichwohl iſts beſſer ein<lb/>
Inſtrument von 6 Oktaven zu ſeyn, deſſen Toͤne<lb/>
leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬<lb/>
nochord, deſſen einzige Saite ſich ſchwerer ver¬<lb/>ſtimmt: und es waͤre eben ſo ſchlimm, wenn je¬<lb/>
der als wenn niemand wie <hirendition="#g">Monboddo</hi>ſchriebe.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[192/0228]
kles geſchrieben wurden wie jezt. Allein ich rede
vom jezigen Geſchmack des Volks, nicht des Genies.
Wenn der Geiſt der Alten in ihrem geraden
feſten Gang zum Zweck beſtand, in ihrem Haſſe
des doppelten dreifachen Manſchetten-Schmucks, in
einer gewiſſen kindlichen Aufrichtigkeit: ſo muß es
uns immer leichter werden, dieſen Geiſt zu fuͤh¬
len, und immer ſchwerer, ihn in unſre Werke
zu hauchen: mit jedem Jahrhundert muͤſſen in
unſerem Style die Ein- Ueber- und Ruͤckſichten
mit unſerm Lernen ſchimmernd wachſen; die Fuͤlle
unſerer Kompoſition muß ihre Ruͤnde verwehren;
wir putzen den Putz an, binden den Einband ein
und ziehen ein Ueberkleid uͤber das Ueberkleid; wir
muͤſſen den weißen Sonnenſtrahl der Wahrheit, da
er uns nicht mehr zum erſtenmale trift, in Far¬
ben zerſetzen und anſtatt daß die Alten mit Wor¬
ten und Gedanken freigebig waren, ſind wir
mit beiden ſparſam. Gleichwohl iſts beſſer ein
Inſtrument von 6 Oktaven zu ſeyn, deſſen Toͤne
leicht unrein und in einander klingen, als ein Mo¬
nochord, deſſen einzige Saite ſich ſchwerer ver¬
ſtimmt: und es waͤre eben ſo ſchlimm, wenn je¬
der als wenn niemand wie Monboddo ſchriebe.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/228>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.