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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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liebt die Frau den Mann reiner; sie liebt in ihm
den gegenwärtigen Gegenstand ihres Herzens, er
in ihr öfter das Gebilde seiner Phantasie; daher
sein Wanken kömmt. Dieses Vorredchen soll
nur eine Anfurth zu einer kleinen Schlägerei zwi¬
schen unserem kleinen Kastor und Pollux seyn.

Sie waren nämlich ungern so lange aus einan¬
der
als die Augen auf- und zugebunden wurden.
So oft der Verband wegkam, stellte sich Gustav
vor ihn und verlangte durchaus, er sollte ihn sehen
und that seinen Finger sich an die Nase und sagte:
"wo tipp' ich jetzt hin?" aber er examinirte den
Blinden nicht sehend. Nach einer wöchentlichen Ab¬
wesenheit fuhr Amandus auf ihn zu: "schieb mein
"Band auf, sagte er, ich kann dich gewiß auch se¬
"hen wie meinen Katzenheinz;" da Gustav es auf¬
gelüftet hatte und da er wirklich in das Auge des
operirten Freundes eingieng ganz wie er war, mit
allem, mit Rock, Schuhen und Strümpfen: so
war er froher als ein Patriot, dessen Fürst die Au¬
gen oder den Verband aufmacht und ihn sieht. Er
inventirte sein ganzes Bilderkabinet vor seinen Au¬
gen mit einem ewigen "Guck!" bei jedem Stück.
Aber weiter! Die Welt wird wenig davon wissen

liebt die Frau den Mann reiner; ſie liebt in ihm
den gegenwaͤrtigen Gegenſtand ihres Herzens, er
in ihr oͤfter das Gebilde ſeiner Phantaſie; daher
ſein Wanken koͤmmt. Dieſes Vorredchen ſoll
nur eine Anfurth zu einer kleinen Schlaͤgerei zwi¬
ſchen unſerem kleinen Kaſtor und Pollux ſeyn.

Sie waren naͤmlich ungern ſo lange aus einan¬
der
als die Augen auf- und zugebunden wurden.
So oft der Verband wegkam, ſtellte ſich Guſtav
vor ihn und verlangte durchaus, er ſollte ihn ſehen
und that ſeinen Finger ſich an die Naſe und ſagte:
„wo tipp' ich jetzt hin?“ aber er examinirte den
Blinden nicht ſehend. Nach einer woͤchentlichen Ab¬
weſenheit fuhr Amandus auf ihn zu: „ſchieb mein
„Band auf, ſagte er, ich kann dich gewiß auch ſe¬
„hen wie meinen Katzenheinz;“ da Guſtav es auf¬
geluͤftet hatte und da er wirklich in das Auge des
operirten Freundes eingieng ganz wie er war, mit
allem, mit Rock, Schuhen und Struͤmpfen: ſo
war er froher als ein Patriot, deſſen Fuͤrſt die Au¬
gen oder den Verband aufmacht und ihn ſieht. Er
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gen mit einem ewigen „Guck!“ bei jedem Stuͤck.
Aber weiter! Die Welt wird wenig davon wiſſen

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[138/0174] liebt die Frau den Mann reiner; ſie liebt in ihm den gegenwaͤrtigen Gegenſtand ihres Herzens, er in ihr oͤfter das Gebilde ſeiner Phantaſie; daher ſein Wanken koͤmmt. Dieſes Vorredchen ſoll nur eine Anfurth zu einer kleinen Schlaͤgerei zwi¬ ſchen unſerem kleinen Kaſtor und Pollux ſeyn. Sie waren naͤmlich ungern ſo lange aus einan¬ der als die Augen auf- und zugebunden wurden. So oft der Verband wegkam, ſtellte ſich Guſtav vor ihn und verlangte durchaus, er ſollte ihn ſehen und that ſeinen Finger ſich an die Naſe und ſagte: „wo tipp' ich jetzt hin?“ aber er examinirte den Blinden nicht ſehend. Nach einer woͤchentlichen Ab¬ weſenheit fuhr Amandus auf ihn zu: „ſchieb mein „Band auf, ſagte er, ich kann dich gewiß auch ſe¬ „hen wie meinen Katzenheinz;“ da Guſtav es auf¬ geluͤftet hatte und da er wirklich in das Auge des operirten Freundes eingieng ganz wie er war, mit allem, mit Rock, Schuhen und Struͤmpfen: ſo war er froher als ein Patriot, deſſen Fuͤrſt die Au¬ gen oder den Verband aufmacht und ihn ſieht. Er inventirte ſein ganzes Bilderkabinet vor ſeinen Au¬ gen mit einem ewigen „Guck!“ bei jedem Stuͤck. Aber weiter! Die Welt wird wenig davon wiſſen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/174>, abgerufen am 24.11.2024.