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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793.

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sagte: "[De]r heutige Abend solt uns nahe um die
dodecandr[i]a finden; aber Schweiß und Fleiß ko¬
stets" -- er wurde beim allgemeinen Jammer über
eine solchen Fegfeuer-Nachmittag, dergleichen noch
kein Scheerauer erlebt hatte, immer vergnügter
und sagte, ihre Aufmerksamkeit feuer am meisten
ihn an -- gleichwohl ließen sich die botanischen
Magistranden aus einem Blatte ins andere mar¬
tern und wolten verbindlich bleiben: -- bis der
Rittmeister, ob er gleich den Scherz errieth, teu¬
felstoll wurde und fortwollte. Der Dokor sagte
"den zweiten Folianten müst' er ohnehin für eine
andre Stunde versparen; aber er wünschte, sie
kämen bald wieder, das soll' ihm erst ein Beweiß
seyn, daß es ihnen heute gefallen." Der bloße
Gedanke an den zweiten Torturfolianten -- woge¬
gen der Theresianische Kodex mit seinen Folter-
Projektionen nur ein Taschenkalender mit Monats¬
kupfern ist -- führte etwas von einem Fieberschau¬
er bei sich. So hatten sie also einen ganzen hal¬
ben Tag schändlich ohne eine Verläumdung, ohne
eine Erzählung verloren, die hätte nach Haus
können mitgebracht oder von Haus mitgenommen
werden. Die ältern Damen besuchten Konzerte

ſagte: „[De]r heutige Abend ſolt uns nahe um die
dodecandr[i]a finden; aber Schweiß und Fleiß ko¬
ſtets“ — er wurde beim allgemeinen Jammer uͤber
eine ſolchen Fegfeuer-Nachmittag, dergleichen noch
kein Scheerauer erlebt hatte, immer vergnuͤgter
und ſagte, ihre Aufmerkſamkeit feuer am meiſten
ihn an — gleichwohl ließen ſich die botaniſchen
Magiſtranden aus einem Blatte ins andere mar¬
tern und wolten verbindlich bleiben: — bis der
Rittmeiſter, ob er gleich den Scherz errieth, teu¬
felstoll wurde und fortwollte. Der Dokor ſagte
„den zweiten Folianten muͤſt' er ohnehin fuͤr eine
andre Stunde verſparen; aber er wuͤnſchte, ſie
kaͤmen bald wieder, das ſoll' ihm erſt ein Beweiß
ſeyn, daß es ihnen heute gefallen.“ Der bloße
Gedanke an den zweiten Torturfolianten — woge¬
gen der Thereſianiſche Kodex mit ſeinen Folter-
Projektionen nur ein Taſchenkalender mit Monats¬
kupfern iſt — fuͤhrte etwas von einem Fieberſchau¬
er bei ſich. So hatten ſie alſo einen ganzen hal¬
ben Tag ſchaͤndlich ohne eine Verlaͤumdung, ohne
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[126/0162] ſagte: „Der heutige Abend ſolt uns nahe um die dodecandria finden; aber Schweiß und Fleiß ko¬ ſtets“ — er wurde beim allgemeinen Jammer uͤber eine ſolchen Fegfeuer-Nachmittag, dergleichen noch kein Scheerauer erlebt hatte, immer vergnuͤgter und ſagte, ihre Aufmerkſamkeit feuer am meiſten ihn an — gleichwohl ließen ſich die botaniſchen Magiſtranden aus einem Blatte ins andere mar¬ tern und wolten verbindlich bleiben: — bis der Rittmeiſter, ob er gleich den Scherz errieth, teu¬ felstoll wurde und fortwollte. Der Dokor ſagte „den zweiten Folianten muͤſt' er ohnehin fuͤr eine andre Stunde verſparen; aber er wuͤnſchte, ſie kaͤmen bald wieder, das ſoll' ihm erſt ein Beweiß ſeyn, daß es ihnen heute gefallen.“ Der bloße Gedanke an den zweiten Torturfolianten — woge¬ gen der Thereſianiſche Kodex mit ſeinen Folter- Projektionen nur ein Taſchenkalender mit Monats¬ kupfern iſt — fuͤhrte etwas von einem Fieberſchau¬ er bei ſich. So hatten ſie alſo einen ganzen hal¬ ben Tag ſchaͤndlich ohne eine Verlaͤumdung, ohne eine Erzaͤhlung verloren, die haͤtte nach Haus koͤnnen mitgebracht oder von Haus mitgenommen werden. Die aͤltern Damen beſuchten Konzerte

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 1. Berlin, 1793, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge01_1793/162>, abgerufen am 22.11.2024.