Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan- zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei- nem sehr ernsten frere terrible) gesprochen: so sind die Klagen wirklich herb. -- -- --
Aber hier liegt nun die Schuld (darauf sollte, die lange Periode wo möglich führen) viel weniger an den Sprechern als an den Hörern selber, welche, anstatt wie gute Ba- rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey Ohren öffnen und folglich Luft einlassen. Ein Mann aber mit einhörigem Ohr -- das er so leicht zumacht als ein dummes Buch -- schätzt geselligen Verkehr. Kann er denn nicht -- dieß weiß er -- mitten unter gedachten Reden wie zufällig, ans Hör. Ohr den Stockknopf le- gen -- oder den Kopf auf die Hand, oder es sonst verschließen -- oder ohne es zu thun, sich umdrehen und jedem sein geschloßnes Ohr zuwenden, und dadurch so glücklich werden, als wenige? -- Wie seelig war ich in oft den vornehmsten Männerzirkeln, wo als in Epi- kurs- und Augias-Ställen die kothigsten Anek- doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als
Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan- zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei- nem ſehr ernſten frère terrible) geſprochen: ſo ſind die Klagen wirklich herb. — — —
Aber hier liegt nun die Schuld (darauf ſollte, die lange Periode wo moͤglich fuͤhren) viel weniger an den Sprechern als an den Hoͤrern ſelber, welche, anſtatt wie gute Ba- rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey Ohren oͤffnen und folglich Luft einlaſſen. Ein Mann aber mit einhörigem Ohr — das er ſo leicht zumacht als ein dummes Buch — ſchaͤtzt geſelligen Verkehr. Kann er denn nicht — dieß weiß er — mitten unter gedachten Reden wie zufaͤllig, ans Hoͤr. Ohr den Stockknopf le- gen — oder den Kopf auf die Hand, oder es ſonſt verſchließen — oder ohne es zu thun, ſich umdrehen und jedem ſein geſchloßnes Ohr zuwenden, und dadurch ſo gluͤcklich werden, als wenige? — Wie ſeelig war ich in oft den vornehmſten Maͤnnerzirkeln, wo als in Epi- kurs- und Augias-Staͤllen die kothigſten Anek- doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0206"n="200"/><p>Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan-<lb/>
zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei-<lb/>
nem ſehr ernſten <hirendition="#aq">frère terrible</hi>) geſprochen:<lb/>ſo ſind die Klagen wirklich herb. ———</p><lb/><p>Aber hier liegt nun die Schuld (darauf<lb/>ſollte, die lange Periode wo moͤglich fuͤhren)<lb/>
viel weniger an den Sprechern als an den<lb/>
Hoͤrern ſelber, welche, anſtatt wie gute Ba-<lb/>
rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey<lb/>
Ohren oͤffnen und folglich Luft einlaſſen. Ein<lb/>
Mann aber mit einhörigem Ohr — das er ſo<lb/>
leicht zumacht als ein dummes Buch —ſchaͤtzt<lb/>
geſelligen Verkehr. Kann er denn nicht —<lb/>
dieß weiß er — mitten unter gedachten Reden<lb/>
wie zufaͤllig, ans Hoͤr. Ohr den Stockknopf le-<lb/>
gen — oder den Kopf auf die Hand, oder es<lb/>ſonſt verſchließen — oder ohne es zu thun,<lb/>ſich umdrehen und jedem ſein geſchloßnes Ohr<lb/>
zuwenden, und dadurch ſo gluͤcklich werden,<lb/>
als wenige? — Wie ſeelig war ich in oft den<lb/>
vornehmſten Maͤnnerzirkeln, wo als in Epi-<lb/>
kurs- und Augias-Staͤllen die kothigſten Anek-<lb/>
doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als<lb/></p></div></body></text></TEI>
[200/0206]
Wird gar von Amts-, Huldigungs-, Kan-
zelrednern oder von dem Bruder Redner (ei-
nem ſehr ernſten frère terrible) geſprochen:
ſo ſind die Klagen wirklich herb. — — —
Aber hier liegt nun die Schuld (darauf
ſollte, die lange Periode wo moͤglich fuͤhren)
viel weniger an den Sprechern als an den
Hoͤrern ſelber, welche, anſtatt wie gute Ba-
rometer, nur eine Oeffnung zu haben, zwey
Ohren oͤffnen und folglich Luft einlaſſen. Ein
Mann aber mit einhörigem Ohr — das er ſo
leicht zumacht als ein dummes Buch — ſchaͤtzt
geſelligen Verkehr. Kann er denn nicht —
dieß weiß er — mitten unter gedachten Reden
wie zufaͤllig, ans Hoͤr. Ohr den Stockknopf le-
gen — oder den Kopf auf die Hand, oder es
ſonſt verſchließen — oder ohne es zu thun,
ſich umdrehen und jedem ſein geſchloßnes Ohr
zuwenden, und dadurch ſo gluͤcklich werden,
als wenige? — Wie ſeelig war ich in oft den
vornehmſten Maͤnnerzirkeln, wo als in Epi-
kurs- und Augias-Staͤllen die kothigſten Anek-
doten aller Art umliefen, wenn ich nichts als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/206>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.