Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

sehend und wohl verschanzt. -- So oft vol-
lends in der Oper die Musik aufhört, so eilt
niemand mehr als ich mit der Rechten -- wo-
mit die anderen klatschen -- ans gute Ohr
und mauert die heilige Jubelpforte der Töne,
z. B. eines Mozarts so lange damit zu, bis
das Sprechen etwas nachgelassen; -- aber
eben dieser herrliche Wechsel zwischen zwey Oh-
ren macht mich vielleicht zu einem leidenschaft-
lichern Opernfreunde als ich öffentlich gestehen
darf. Le Sage, ein Liebhaber der Pariser
Bühne, setzte, als er ganz taub geworden,
die Besuche derselben fort und schöpfte den
alten Genuß daraus, zum Erstaunen Vieler;
ich aber erkläre mir's ohne Mühe aus dem
Vorigen. Ich habe sogar einen wackern Ge-
schäftsmann gekannt, welcher, um kein Schau-
spiel zu versäumen, in jedes mit seinem Ak-
tenpack unter dem Arme kam, sich ins Punsch-
zimmer setzte, und da so lange neben seinem
Glase seine Akten durchging, bis das Stück
geendet war und er sich erfrischt und neu be-
lebt mit andern Zuschauern nach Hause begab.

ſehend und wohl verſchanzt. — So oft vol-
lends in der Oper die Muſik aufhört, ſo eilt
niemand mehr als ich mit der Rechten — wo-
mit die anderen klatſchen — ans gute Ohr
und mauert die heilige Jubelpforte der Töne,
z. B. eines Mozarts ſo lange damit zu, bis
das Sprechen etwas nachgelaſſen; — aber
eben dieſer herrliche Wechſel zwiſchen zwey Oh-
ren macht mich vielleicht zu einem leidenſchaft-
lichern Opernfreunde als ich oͤffentlich geſtehen
darf. Le Sage, ein Liebhaber der Pariſer
Buͤhne, ſetzte, als er ganz taub geworden,
die Beſuche derſelben fort und ſchoͤpfte den
alten Genuß daraus, zum Erſtaunen Vieler;
ich aber erklaͤre mir’s ohne Muͤhe aus dem
Vorigen. Ich habe ſogar einen wackern Ge-
ſchaͤftsmann gekannt, welcher, um kein Schau-
ſpiel zu verſaͤumen, in jedes mit ſeinem Ak-
tenpack unter dem Arme kam, ſich ins Punſch-
zimmer ſetzte, und da ſo lange neben ſeinem
Glaſe ſeine Akten durchging, bis das Stuͤck
geendet war und er ſich erfriſcht und neu be-
lebt mit andern Zuſchauern nach Hauſe begab.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0202" n="196"/>
&#x017F;ehend und wohl ver&#x017F;chanzt. &#x2014; So oft vol-<lb/>
lends in der Oper die Mu&#x017F;ik aufhört, &#x017F;o eilt<lb/>
niemand mehr als ich mit der Rechten &#x2014; wo-<lb/>
mit die anderen klat&#x017F;chen &#x2014; ans gute Ohr<lb/>
und mauert die heilige Jubelpforte der Töne,<lb/>
z. B. eines Mozarts &#x017F;o lange damit zu, bis<lb/>
das Sprechen etwas nachgela&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; aber<lb/>
eben die&#x017F;er herrliche Wech&#x017F;el zwi&#x017F;chen zwey Oh-<lb/>
ren macht mich vielleicht zu einem leiden&#x017F;chaft-<lb/>
lichern Opernfreunde als ich o&#x0364;ffentlich ge&#x017F;tehen<lb/>
darf. Le Sage, ein Liebhaber der Pari&#x017F;er<lb/>
Bu&#x0364;hne, &#x017F;etzte, als er ganz taub geworden,<lb/>
die Be&#x017F;uche der&#x017F;elben fort und &#x017F;cho&#x0364;pfte den<lb/>
alten Genuß daraus, zum Er&#x017F;taunen Vieler;<lb/>
ich aber erkla&#x0364;re mir&#x2019;s ohne Mu&#x0364;he aus dem<lb/>
Vorigen. Ich habe &#x017F;ogar einen wackern Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ftsmann gekannt, welcher, um kein Schau-<lb/>
&#x017F;piel zu ver&#x017F;a&#x0364;umen, in jedes mit &#x017F;einem Ak-<lb/>
tenpack unter dem Arme kam, &#x017F;ich ins Pun&#x017F;ch-<lb/>
zimmer &#x017F;etzte, und da &#x017F;o lange neben &#x017F;einem<lb/>
Gla&#x017F;e &#x017F;eine Akten durchging, bis das Stu&#x0364;ck<lb/>
geendet war und er &#x017F;ich erfri&#x017F;cht und neu be-<lb/>
lebt mit andern Zu&#x017F;chauern nach Hau&#x017F;e begab.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0202] ſehend und wohl verſchanzt. — So oft vol- lends in der Oper die Muſik aufhört, ſo eilt niemand mehr als ich mit der Rechten — wo- mit die anderen klatſchen — ans gute Ohr und mauert die heilige Jubelpforte der Töne, z. B. eines Mozarts ſo lange damit zu, bis das Sprechen etwas nachgelaſſen; — aber eben dieſer herrliche Wechſel zwiſchen zwey Oh- ren macht mich vielleicht zu einem leidenſchaft- lichern Opernfreunde als ich oͤffentlich geſtehen darf. Le Sage, ein Liebhaber der Pariſer Buͤhne, ſetzte, als er ganz taub geworden, die Beſuche derſelben fort und ſchoͤpfte den alten Genuß daraus, zum Erſtaunen Vieler; ich aber erklaͤre mir’s ohne Muͤhe aus dem Vorigen. Ich habe ſogar einen wackern Ge- ſchaͤftsmann gekannt, welcher, um kein Schau- ſpiel zu verſaͤumen, in jedes mit ſeinem Ak- tenpack unter dem Arme kam, ſich ins Punſch- zimmer ſetzte, und da ſo lange neben ſeinem Glaſe ſeine Akten durchging, bis das Stuͤck geendet war und er ſich erfriſcht und neu be- lebt mit andern Zuſchauern nach Hauſe begab.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/202
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/202>, abgerufen am 22.11.2024.