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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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deren Wiederkehr-Hörern -- daß er in allen
stehenden, obgleich langweiligen Theaterartikeln
der Tags- und Monatsblätter stets im selben
Blatt von neuem gelobt wird, weil die Bühnen-
Schelle immer als Taufglocke seines Namens
und das Einbläser-Loch als sein Delphisches Loch
wiederkommt. -- Woraus noch manches folgt,
z. B. daß ein gemeiner Autor wie z. B. Jünger
länger in seinen gehörten Stücken lebt als in
seinen gelesenen Romanen. Daraus erklärt sich
die Erscheinung, daß das kalte Deutschland sich
für Schiller (und mit Recht, denn dieser sün-
digte nur durch Unterlassen, nie durch Unter-
nehmen) so sehr und so schön anstrengt, und
für Herder so wenig. Denn mißt der Werth
den Dank: so hätte wohl Herder, als der
frühere, höhere, vielseitigere Genius, als der
orientalisch-griechische, als der Bekämpfer der
Schillerschen Reflexions-Poesie durch seine
Volkslieder, als der Geist, der in alle Wissen-
schaften formend eingriff, und der nur den Feh-
ler hatte, daß er nicht mit allen Flügeln flog,

deren Wiederkehr-Hoͤrern — daß er in allen
ſtehenden, obgleich langweiligen Theaterartikeln
der Tags- und Monatsblaͤtter ſtets im ſelben
Blatt von neuem gelobt wird, weil die Buͤhnen-
Schelle immer als Taufglocke ſeines Namens
und das Einblaͤſer-Loch als ſein Delphiſches Loch
wiederkommt. — Woraus noch manches folgt,
z. B. daß ein gemeiner Autor wie z. B. Juͤnger
länger in ſeinen gehoͤrten Stuͤcken lebt als in
ſeinen geleſenen Romanen. Daraus erklaͤrt ſich
die Erſcheinung, daß das kalte Deutſchland ſich
fuͤr Schiller (und mit Recht, denn dieſer ſuͤn-
digte nur durch Unterlaſſen, nie durch Unter-
nehmen) ſo ſehr und ſo ſchoͤn anſtrengt, und
fuͤr Herder ſo wenig. Denn mißt der Werth
den Dank: ſo haͤtte wohl Herder, als der
fruͤhere, hoͤhere, vielſeitigere Genius, als der
orientaliſch-griechiſche, als der Bekämpfer der
Schillerſchen Reflexions-Poeſie durch ſeine
Volkslieder, als der Geiſt, der in alle Wiſſen-
ſchaften formend eingriff, und der nur den Feh-
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[9/0015] deren Wiederkehr-Hoͤrern — daß er in allen ſtehenden, obgleich langweiligen Theaterartikeln der Tags- und Monatsblaͤtter ſtets im ſelben Blatt von neuem gelobt wird, weil die Buͤhnen- Schelle immer als Taufglocke ſeines Namens und das Einblaͤſer-Loch als ſein Delphiſches Loch wiederkommt. — Woraus noch manches folgt, z. B. daß ein gemeiner Autor wie z. B. Juͤnger länger in ſeinen gehoͤrten Stuͤcken lebt als in ſeinen geleſenen Romanen. Daraus erklaͤrt ſich die Erſcheinung, daß das kalte Deutſchland ſich fuͤr Schiller (und mit Recht, denn dieſer ſuͤn- digte nur durch Unterlaſſen, nie durch Unter- nehmen) ſo ſehr und ſo ſchoͤn anſtrengt, und fuͤr Herder ſo wenig. Denn mißt der Werth den Dank: ſo haͤtte wohl Herder, als der fruͤhere, hoͤhere, vielſeitigere Genius, als der orientaliſch-griechiſche, als der Bekämpfer der Schillerſchen Reflexions-Poeſie durch ſeine Volkslieder, als der Geiſt, der in alle Wiſſen- ſchaften formend eingriff, und der nur den Feh- ler hatte, daß er nicht mit allen Fluͤgeln flog,

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/15>, abgerufen am 24.11.2024.