mit ihrem alten Arzte ein Wort zu reden. Man ging leicht, nur Mehlhorn schwer.
Sie leitete wirklich mit einigen Kranken- Fragen ein, ehe sie den Doktor zur Geschichte ihrer Freundin, zu der Vergangenheit, Ge- genwart und Zukunft derselben überführt. Zu- letzt kam ihr eben aus Wöchnerin-Schwäche ihre Schwäche ganz aus dem Sinn, und sie ließ Herz und Zunge flammen für Theoda. Ihr verschwinde zwar, sagte sie, mit ihr das halbe Glück des Lebens; wenn aber diese dadurch das ganze gewinnen, so weine sie gern ihre bittersten Thränen.
Der Doktor bat, ihn mit den nähern Ver- hältnissen des Mannes in Bekanntschaft zu setzen. Sie erzählte, ihr Mann habe schon Vormittags über seine Umstände bey mehr als fünf Studenten aus Theudobachs Nachbar- schaft Nachrichten, und über die Wahrheit seiner Versichrungen einziehen müssen, aber lauter Bejahungen eingebracht, wie sich denn im ganzen Wesen desselben der Mann von Wort ausweise; Sie nahm so viel Antheil an
mit ihrem alten Arzte ein Wort zu reden. Man ging leicht, nur Mehlhorn ſchwer.
Sie leitete wirklich mit einigen Kranken- Fragen ein, ehe ſie den Doktor zur Geſchichte ihrer Freundin, zu der Vergangenheit, Ge- genwart und Zukunft derſelben uͤberfuͤhrt. Zu- letzt kam ihr eben aus Woͤchnerin-Schwaͤche ihre Schwaͤche ganz aus dem Sinn, und ſie ließ Herz und Zunge flammen fuͤr Theoda. Ihr verſchwinde zwar, ſagte ſie, mit ihr das halbe Gluͤck des Lebens; wenn aber dieſe dadurch das ganze gewinnen, ſo weine ſie gern ihre bitterſten Thraͤnen.
Der Doktor bat, ihn mit den nähern Ver- haͤltniſſen des Mannes in Bekanntſchaft zu ſetzen. Sie erzählte, ihr Mann habe ſchon Vormittags uͤber ſeine Umſtaͤnde bey mehr als fuͤnf Studenten aus Theudobachs Nachbar- ſchaft Nachrichten, und uͤber die Wahrheit ſeiner Verſichrungen einziehen muͤſſen, aber lauter Bejahungen eingebracht, wie ſich denn im ganzen Weſen deſſelben der Mann von Wort ausweiſe; Sie nahm ſo viel Antheil an
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0144"n="138"/>
mit ihrem alten Arzte ein Wort zu reden.<lb/>
Man ging leicht, nur Mehlhorn ſchwer.</p><lb/><p>Sie leitete wirklich mit einigen Kranken-<lb/>
Fragen ein, ehe ſie den Doktor zur Geſchichte<lb/>
ihrer Freundin, zu der Vergangenheit, Ge-<lb/>
genwart und Zukunft derſelben uͤberfuͤhrt. Zu-<lb/>
letzt kam ihr eben aus Woͤchnerin-Schwaͤche ihre<lb/>
Schwaͤche ganz aus dem Sinn, und ſie ließ Herz<lb/>
und Zunge flammen fuͤr Theoda. Ihr verſchwinde<lb/>
zwar, ſagte ſie, mit ihr das halbe Gluͤck des<lb/>
Lebens; wenn aber dieſe dadurch das ganze<lb/>
gewinnen, ſo weine ſie gern ihre bitterſten<lb/>
Thraͤnen.</p><lb/><p>Der Doktor bat, ihn mit den nähern Ver-<lb/>
haͤltniſſen des Mannes in Bekanntſchaft zu<lb/>ſetzen. Sie erzählte, ihr Mann habe ſchon<lb/>
Vormittags uͤber ſeine Umſtaͤnde bey mehr als<lb/>
fuͤnf Studenten aus Theudobachs Nachbar-<lb/>ſchaft Nachrichten, und uͤber die Wahrheit<lb/>ſeiner Verſichrungen einziehen muͤſſen, aber<lb/>
lauter Bejahungen eingebracht, wie ſich denn<lb/>
im ganzen Weſen deſſelben der Mann von<lb/>
Wort ausweiſe; Sie nahm ſo viel Antheil an<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[138/0144]
mit ihrem alten Arzte ein Wort zu reden.
Man ging leicht, nur Mehlhorn ſchwer.
Sie leitete wirklich mit einigen Kranken-
Fragen ein, ehe ſie den Doktor zur Geſchichte
ihrer Freundin, zu der Vergangenheit, Ge-
genwart und Zukunft derſelben uͤberfuͤhrt. Zu-
letzt kam ihr eben aus Woͤchnerin-Schwaͤche ihre
Schwaͤche ganz aus dem Sinn, und ſie ließ Herz
und Zunge flammen fuͤr Theoda. Ihr verſchwinde
zwar, ſagte ſie, mit ihr das halbe Gluͤck des
Lebens; wenn aber dieſe dadurch das ganze
gewinnen, ſo weine ſie gern ihre bitterſten
Thraͤnen.
Der Doktor bat, ihn mit den nähern Ver-
haͤltniſſen des Mannes in Bekanntſchaft zu
ſetzen. Sie erzählte, ihr Mann habe ſchon
Vormittags uͤber ſeine Umſtaͤnde bey mehr als
fuͤnf Studenten aus Theudobachs Nachbar-
ſchaft Nachrichten, und uͤber die Wahrheit
ſeiner Verſichrungen einziehen muͤſſen, aber
lauter Bejahungen eingebracht, wie ſich denn
im ganzen Weſen deſſelben der Mann von
Wort ausweiſe; Sie nahm ſo viel Antheil an
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/144>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.