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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die
Jahre." Der Doktor fügte noch bey, daß er
sich freue, mit dem Freunde eines berühmten
Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei-
ßig gelesen, obwohl mehr für physiologische und
anatomische Zwecke und oft fast bloß zum Spaße
über sie: "Es soll mir überhaupt lieb seyn, fuhr
er fort, wenn wir uns gegenseitig fassen und wie
Salze einander neutralisiren; leider hab' ich das
Unglück, daß ich, wenn ich im Wagen oder
sonst Jemand etwas sogenanntes Unangenehmes
sage, für satirisch verschrien werde, als ob man
nicht jedem ohne alle Satire das ins Gesicht
sagen könnte, was er aus Dummheit ist. In-
deß gefällt Ihnen der Vater nicht, so sitzt doch
die Tochter da, nämlich meine, die nach keinem
Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater;
mislingt der Winterbau, sagen die Wetterkundi-
gen, so geräth der Sommerbau. Ich fand's
oft."

Dem Dichter Nieß gefiel dieses akademische
Peterfakt ganz, und er wünschte nur, der Mann
trieb es noch ärger, damit er ihn gar studieren

zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die
Jahre.” Der Doktor fuͤgte noch bey, daß er
ſich freue, mit dem Freunde eines berühmten
Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei-
ßig geleſen, obwohl mehr fuͤr phyſiologiſche und
anatomiſche Zwecke und oft faſt bloß zum Spaße
uͤber ſie: „Es ſoll mir überhaupt lieb ſeyn, fuhr
er fort, wenn wir uns gegenſeitig faſſen und wie
Salze einander neutraliſiren; leider hab’ ich das
Ungluͤck, daß ich, wenn ich im Wagen oder
ſonſt Jemand etwas ſogenanntes Unangenehmes
ſage, fuͤr ſatiriſch verſchrien werde, als ob man
nicht jedem ohne alle Satire das ins Geſicht
ſagen koͤnnte, was er aus Dummheit iſt. In-
deß gefaͤllt Ihnen der Vater nicht, ſo ſitzt doch
die Tochter da, naͤmlich meine, die nach keinem
Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater;
mislingt der Winterbau, ſagen die Wetterkundi-
gen, ſo geraͤth der Sommerbau. Ich fand’s
oft.”

Dem Dichter Nieß gefiel dieſes akademiſche
Peterfakt ganz, und er wuͤnſchte nur, der Mann
trieb es noch aͤrger, damit er ihn gar ſtudieren

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[23/0041] zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die Jahre.” Der Doktor fuͤgte noch bey, daß er ſich freue, mit dem Freunde eines berühmten Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei- ßig geleſen, obwohl mehr fuͤr phyſiologiſche und anatomiſche Zwecke und oft faſt bloß zum Spaße uͤber ſie: „Es ſoll mir überhaupt lieb ſeyn, fuhr er fort, wenn wir uns gegenſeitig faſſen und wie Salze einander neutraliſiren; leider hab’ ich das Ungluͤck, daß ich, wenn ich im Wagen oder ſonſt Jemand etwas ſogenanntes Unangenehmes ſage, fuͤr ſatiriſch verſchrien werde, als ob man nicht jedem ohne alle Satire das ins Geſicht ſagen koͤnnte, was er aus Dummheit iſt. In- deß gefaͤllt Ihnen der Vater nicht, ſo ſitzt doch die Tochter da, naͤmlich meine, die nach keinem Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater; mislingt der Winterbau, ſagen die Wetterkundi- gen, ſo geraͤth der Sommerbau. Ich fand’s oft.” Dem Dichter Nieß gefiel dieſes akademiſche Peterfakt ganz, und er wuͤnſchte nur, der Mann trieb es noch aͤrger, damit er ihn gar ſtudieren

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/41>, abgerufen am 29.03.2024.