zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die Jahre." Der Doktor fügte noch bey, daß er sich freue, mit dem Freunde eines berühmten Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei- ßig gelesen, obwohl mehr für physiologische und anatomische Zwecke und oft fast bloß zum Spaße über sie: "Es soll mir überhaupt lieb seyn, fuhr er fort, wenn wir uns gegenseitig fassen und wie Salze einander neutralisiren; leider hab' ich das Unglück, daß ich, wenn ich im Wagen oder sonst Jemand etwas sogenanntes Unangenehmes sage, für satirisch verschrien werde, als ob man nicht jedem ohne alle Satire das ins Gesicht sagen könnte, was er aus Dummheit ist. In- deß gefällt Ihnen der Vater nicht, so sitzt doch die Tochter da, nämlich meine, die nach keinem Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater; mislingt der Winterbau, sagen die Wetterkundi- gen, so geräth der Sommerbau. Ich fand's oft."
Dem Dichter Nieß gefiel dieses akademische Peterfakt ganz, und er wünschte nur, der Mann trieb es noch ärger, damit er ihn gar studieren
zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die Jahre.” Der Doktor fuͤgte noch bey, daß er ſich freue, mit dem Freunde eines berühmten Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei- ßig geleſen, obwohl mehr fuͤr phyſiologiſche und anatomiſche Zwecke und oft faſt bloß zum Spaße uͤber ſie: „Es ſoll mir überhaupt lieb ſeyn, fuhr er fort, wenn wir uns gegenſeitig faſſen und wie Salze einander neutraliſiren; leider hab’ ich das Ungluͤck, daß ich, wenn ich im Wagen oder ſonſt Jemand etwas ſogenanntes Unangenehmes ſage, fuͤr ſatiriſch verſchrien werde, als ob man nicht jedem ohne alle Satire das ins Geſicht ſagen koͤnnte, was er aus Dummheit iſt. In- deß gefaͤllt Ihnen der Vater nicht, ſo ſitzt doch die Tochter da, naͤmlich meine, die nach keinem Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater; mislingt der Winterbau, ſagen die Wetterkundi- gen, ſo geraͤth der Sommerbau. Ich fand’s oft.”
Dem Dichter Nieß gefiel dieſes akademiſche Peterfakt ganz, und er wuͤnſchte nur, der Mann trieb es noch aͤrger, damit er ihn gar ſtudieren
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0041"n="23"/>
zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die<lb/>
Jahre.” Der Doktor fuͤgte noch bey, daß er<lb/>ſich freue, mit dem Freunde eines berühmten<lb/>
Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei-<lb/>
ßig geleſen, obwohl mehr fuͤr phyſiologiſche und<lb/>
anatomiſche Zwecke und oft faſt bloß zum Spaße<lb/>
uͤber ſie: „Es ſoll mir überhaupt lieb ſeyn, fuhr<lb/>
er fort, wenn wir uns gegenſeitig faſſen und wie<lb/>
Salze einander neutraliſiren; leider hab’ ich das<lb/>
Ungluͤck, daß ich, wenn ich im Wagen oder<lb/>ſonſt Jemand etwas ſogenanntes Unangenehmes<lb/>ſage, fuͤr ſatiriſch verſchrien werde, als ob man<lb/>
nicht jedem ohne alle Satire das ins Geſicht<lb/>ſagen koͤnnte, was er aus Dummheit iſt. In-<lb/>
deß gefaͤllt Ihnen der Vater nicht, ſo ſitzt doch<lb/>
die Tochter da, naͤmlich meine, die nach keinem<lb/>
Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater;<lb/>
mislingt der Winterbau, ſagen die Wetterkundi-<lb/>
gen, ſo geraͤth der Sommerbau. Ich fand’s<lb/>
oft.”</p><lb/><p>Dem Dichter Nieß gefiel dieſes akademiſche<lb/>
Peterfakt ganz, und er wuͤnſchte nur, der Mann<lb/>
trieb es noch aͤrger, damit er ihn gar ſtudieren<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[23/0041]
zu vomiren; dazu bin ich verdorben durch die
Jahre.” Der Doktor fuͤgte noch bey, daß er
ſich freue, mit dem Freunde eines berühmten
Dichters zu fahren, da er von jeher Dichter flei-
ßig geleſen, obwohl mehr fuͤr phyſiologiſche und
anatomiſche Zwecke und oft faſt bloß zum Spaße
uͤber ſie: „Es ſoll mir überhaupt lieb ſeyn, fuhr
er fort, wenn wir uns gegenſeitig faſſen und wie
Salze einander neutraliſiren; leider hab’ ich das
Ungluͤck, daß ich, wenn ich im Wagen oder
ſonſt Jemand etwas ſogenanntes Unangenehmes
ſage, fuͤr ſatiriſch verſchrien werde, als ob man
nicht jedem ohne alle Satire das ins Geſicht
ſagen koͤnnte, was er aus Dummheit iſt. In-
deß gefaͤllt Ihnen der Vater nicht, ſo ſitzt doch
die Tochter da, naͤmlich meine, die nach keinem
Manne fragt, nicht einmal nach dem Vater;
mislingt der Winterbau, ſagen die Wetterkundi-
gen, ſo geraͤth der Sommerbau. Ich fand’s
oft.”
Dem Dichter Nieß gefiel dieſes akademiſche
Peterfakt ganz, und er wuͤnſchte nur, der Mann
trieb es noch aͤrger, damit er ihn gar ſtudieren
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/41>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.