sucht in der Zukunft zuerst das Geliebte; daher hört man diese sorgende Frage nach Wiedersehen zuerst von ihnen. "Was göttlich ist an der Liebe, das kann nie untergehen, sagt' ich, oder sonst, da das Irrdische ohnehin vermodert, bliebe gar Nichts. Aber der altchristliche Ausdruck aus der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das ist der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit, so wenig wie vor dem Leben; über das andere Leben lässet sich so wenig etwas darüber hinaus denken, als über den Urgrund alles Seyns."
Ernst wandte noch schnell ein: "und doch spreche man von Fortdauer und wolle mit diesem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber gesetzt warum wolle man denn vor der Ewig- keit vorher, für welche Millionen Jahre nicht mehr wären als achtzig, uns nur letztere, nicht auch die Millionen zugestehen?" Ich mußte dieß einräumen und sogar noch fester machen, indem ich versetzte: "dieß komme denn und Trilli- onen dahinter; denn so gut der Schöpfer hier unsere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge- hen ließ, so kann er sie noch über tausend Er-
ſucht in der Zukunft zuerſt das Geliebte; daher hoͤrt man dieſe ſorgende Frage nach Wiederſehen zuerſt von ihnen. „Was goͤttlich iſt an der Liebe, das kann nie untergehen, ſagt’ ich, oder ſonſt, da das Irrdiſche ohnehin vermodert, bliebe gar Nichts. Aber der altchriſtliche Ausdruck aus der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das iſt der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit, ſo wenig wie vor dem Leben; uͤber das andere Leben laͤſſet ſich ſo wenig etwas daruͤber hinaus denken, als uͤber den Urgrund alles Seyns.”
Ernſt wandte noch ſchnell ein: „und doch ſpreche man von Fortdauer und wolle mit dieſem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber geſetzt warum wolle man denn vor der Ewig- keit vorher, fuͤr welche Millionen Jahre nicht mehr waͤren als achtzig, uns nur letztere, nicht auch die Millionen zugeſtehen?” Ich mußte dieß einräumen und ſogar noch feſter machen, indem ich verſetzte: „dieß komme denn und Trilli- onen dahinter; denn ſo gut der Schöpfer hier unſere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge- hen ließ, ſo kann er ſie noch uͤber tauſend Er-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="251"/>ſucht in der Zukunft zuerſt das Geliebte; daher<lb/>
hoͤrt man dieſe ſorgende Frage nach Wiederſehen<lb/>
zuerſt von ihnen. „Was goͤttlich iſt an der Liebe,<lb/>
das kann nie untergehen, ſagt’ ich, oder ſonſt,<lb/>
da das Irrdiſche ohnehin vermodert, bliebe gar<lb/>
Nichts. Aber der altchriſtliche Ausdruck aus<lb/>
der <hirendition="#g">Zeitlichkeit in die Ewigkeit</hi>, das iſt<lb/>
der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit,<lb/>ſo wenig wie vor dem Leben; uͤber das andere<lb/>
Leben laͤſſet ſich ſo wenig etwas daruͤber hinaus<lb/>
denken, als uͤber den Urgrund alles Seyns.”</p><lb/><p>Ernſt wandte noch ſchnell ein: „und doch<lb/>ſpreche man von <hirendition="#g">Fortdauer</hi> und wolle mit<lb/>
dieſem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber<lb/>
geſetzt warum wolle man denn <hirendition="#g">vor</hi> der Ewig-<lb/>
keit vorher, fuͤr welche Millionen Jahre<lb/>
nicht mehr waͤren als achtzig, uns nur letztere,<lb/>
nicht auch die Millionen zugeſtehen?” Ich mußte<lb/>
dieß einräumen und ſogar noch feſter machen,<lb/>
indem ich verſetzte: „dieß komme denn und Trilli-<lb/>
onen dahinter; denn ſo gut der Schöpfer hier<lb/>
unſere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge-<lb/>
hen ließ, ſo kann er ſie noch uͤber tauſend Er-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[251/0269]
ſucht in der Zukunft zuerſt das Geliebte; daher
hoͤrt man dieſe ſorgende Frage nach Wiederſehen
zuerſt von ihnen. „Was goͤttlich iſt an der Liebe,
das kann nie untergehen, ſagt’ ich, oder ſonſt,
da das Irrdiſche ohnehin vermodert, bliebe gar
Nichts. Aber der altchriſtliche Ausdruck aus
der Zeitlichkeit in die Ewigkeit, das iſt
der rechte; hinter dem Leben gibts keine Zeit,
ſo wenig wie vor dem Leben; uͤber das andere
Leben laͤſſet ſich ſo wenig etwas daruͤber hinaus
denken, als uͤber den Urgrund alles Seyns.”
Ernſt wandte noch ſchnell ein: „und doch
ſpreche man von Fortdauer und wolle mit
dieſem Zeitpleonasmus alle Zeit vernichten; aber
geſetzt warum wolle man denn vor der Ewig-
keit vorher, fuͤr welche Millionen Jahre
nicht mehr waͤren als achtzig, uns nur letztere,
nicht auch die Millionen zugeſtehen?” Ich mußte
dieß einräumen und ſogar noch feſter machen,
indem ich verſetzte: „dieß komme denn und Trilli-
onen dahinter; denn ſo gut der Schöpfer hier
unſere Spiel- und Laufbahn über Eine Erde ge-
hen ließ, ſo kann er ſie noch uͤber tauſend Er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/269>, abgerufen am 02.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.