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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Flügel sichtbar in den Scheiden kleben, sollen
einmal nur neue Scheiden aus alten ziehen, und
dieses Ausscheiden Fliegen heißen? Und wenn
wir vor der Sündfluth des Irrdischen uns ret-
tend zu heiligern Bergen geflohen, sollen wir auf
jedem wie auf dem Pilatusberge wieder einem
See begegnen? Und die Ewigkeit wäre bloß
ein ewiger Vorhalt auf der Dissonanz?"

Jetzt kam der Jüngling durch mich zu sich,
und er fragte mich kalt: "Demnach müßte ich
doch irgend eine Original-Vorstellung vom an-
dern Leben geben können; weil nur dieses Ur-
bild jedes Urtheil über ein Nachbild rechtfertigen
könne." --

Ich quadruplizierte: Könnt' ich das künftige
Leben beschreiben, so hätt' ich es und der, der
mich verstände; der neugeborne Säugling aber
drängte sich durstend nach einer Kost, die er
nicht chemisch prophezeien könne, und die doch
der Instinkt verbürge und treffe. Von der an-
dern Welt sprechen wir jetzt wie Blinde vor der
Operation von der sichtbaren -- alle Malereyen
ihres Morgenroths würden wie bey jenem Blin-

Fluͤgel ſichtbar in den Scheiden kleben, ſollen
einmal nur neue Scheiden aus alten ziehen, und
dieſes Ausſcheiden Fliegen heißen? Und wenn
wir vor der Suͤndfluth des Irrdiſchen uns ret-
tend zu heiligern Bergen geflohen, ſollen wir auf
jedem wie auf dem Pilatusberge wieder einem
See begegnen? Und die Ewigkeit waͤre bloß
ein ewiger Vorhalt auf der Diſſonanz?”

Jetzt kam der Juͤngling durch mich zu ſich,
und er fragte mich kalt: „Demnach muͤßte ich
doch irgend eine Original-Vorſtellung vom an-
dern Leben geben koͤnnen; weil nur dieſes Ur-
bild jedes Urtheil uͤber ein Nachbild rechtfertigen
koͤnne.” —

Ich quadruplizierte: Koͤnnt’ ich das kuͤnftige
Leben beſchreiben, ſo haͤtt’ ich es und der, der
mich verſtaͤnde; der neugeborne Saͤugling aber
draͤngte ſich durſtend nach einer Koſt, die er
nicht chemiſch prophezeien koͤnne, und die doch
der Inſtinkt verbuͤrge und treffe. Von der an-
dern Welt ſprechen wir jetzt wie Blinde vor der
Operation von der ſichtbaren — alle Malereyen
ihres Morgenroths wuͤrden wie bey jenem Blin-

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[247/0265] Fluͤgel ſichtbar in den Scheiden kleben, ſollen einmal nur neue Scheiden aus alten ziehen, und dieſes Ausſcheiden Fliegen heißen? Und wenn wir vor der Suͤndfluth des Irrdiſchen uns ret- tend zu heiligern Bergen geflohen, ſollen wir auf jedem wie auf dem Pilatusberge wieder einem See begegnen? Und die Ewigkeit waͤre bloß ein ewiger Vorhalt auf der Diſſonanz?” Jetzt kam der Juͤngling durch mich zu ſich, und er fragte mich kalt: „Demnach muͤßte ich doch irgend eine Original-Vorſtellung vom an- dern Leben geben koͤnnen; weil nur dieſes Ur- bild jedes Urtheil uͤber ein Nachbild rechtfertigen koͤnne.” — Ich quadruplizierte: Koͤnnt’ ich das kuͤnftige Leben beſchreiben, ſo haͤtt’ ich es und der, der mich verſtaͤnde; der neugeborne Saͤugling aber draͤngte ſich durſtend nach einer Koſt, die er nicht chemiſch prophezeien koͤnne, und die doch der Inſtinkt verbuͤrge und treffe. Von der an- dern Welt ſprechen wir jetzt wie Blinde vor der Operation von der ſichtbaren — alle Malereyen ihres Morgenroths wuͤrden wie bey jenem Blin-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/265>, abgerufen am 24.11.2024.