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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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Glieder sämmtlichen Rumpf aufwecken und auf-
kratzen; -- und dann ist die Nacht ruinirt und
er mag zusehen. Dagegen man sehe mich im
Bett! -- Nie berühre doch jemand im Schlaf
ein lebendiges Wesen, welches ja er selber ist.
Der kleinlichern Vorsichtsregeln gedenk' ich gar
nicht, z. B. gegen den Hund, der auf der Stu-
bendiele mit dem Ellenbogen hämmert, oder
auf einem wankenden Stuhl mit zwey Stuhl-
beinen auf- und abklappert, wenn er sich kratzt.
Und doch leidet der unvorsichtige Leser so viel
im Bette als ich, weil wir beyde nie schärfer
denken und reicher empfinden als in der Nacht,
diese Mutter der Götter und mithin Großmut-
ter der Musen; und ginge am Morgen nicht der
Körper mit Nachwehen herum, es gäbe kein
besseres Braut- und Kindbett geistiger Sonn-
tagsgeburten als das Bett, ordentlich wenn
die Schlaffedern zu Schreibfedern auswüchsen.

Eh' ich endlich meine eilf Mittel, einzuschla-
fen, folgen lasse, merk' ich ganz kurz an, daß
sie sämmtlich nichts helfen; -- denn man strengt
sich sehr dabey an, und mich hat jedes Schlaf

Glieder ſaͤmmtlichen Rumpf aufwecken und auf-
kratzen; — und dann iſt die Nacht ruinirt und
er mag zuſehen. Dagegen man ſehe mich im
Bett! — Nie beruͤhre doch jemand im Schlaf
ein lebendiges Weſen, welches ja er ſelber iſt.
Der kleinlichern Vorſichtsregeln gedenk’ ich gar
nicht, z. B. gegen den Hund, der auf der Stu-
bendiele mit dem Ellenbogen haͤmmert, oder
auf einem wankenden Stuhl mit zwey Stuhl-
beinen auf- und abklappert, wenn er ſich kratzt.
Und doch leidet der unvorſichtige Leſer ſo viel
im Bette als ich, weil wir beyde nie ſchaͤrfer
denken und reicher empfinden als in der Nacht,
dieſe Mutter der Goͤtter und mithin Großmut-
ter der Muſen; und ginge am Morgen nicht der
Koͤrper mit Nachwehen herum, es gaͤbe kein
beſſeres Braut- und Kindbett geiſtiger Sonn-
tagsgeburten als das Bett, ordentlich wenn
die Schlaffedern zu Schreibfedern auswuͤchſen.

Eh’ ich endlich meine eilf Mittel, einzuſchla-
fen, folgen laſſe, merk’ ich ganz kurz an, daß
ſie ſämmtlich nichts helfen; — denn man ſtrengt
ſich ſehr dabey an, und mich hat jedes Schlaf

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[223/0241] Glieder ſaͤmmtlichen Rumpf aufwecken und auf- kratzen; — und dann iſt die Nacht ruinirt und er mag zuſehen. Dagegen man ſehe mich im Bett! — Nie beruͤhre doch jemand im Schlaf ein lebendiges Weſen, welches ja er ſelber iſt. Der kleinlichern Vorſichtsregeln gedenk’ ich gar nicht, z. B. gegen den Hund, der auf der Stu- bendiele mit dem Ellenbogen haͤmmert, oder auf einem wankenden Stuhl mit zwey Stuhl- beinen auf- und abklappert, wenn er ſich kratzt. Und doch leidet der unvorſichtige Leſer ſo viel im Bette als ich, weil wir beyde nie ſchaͤrfer denken und reicher empfinden als in der Nacht, dieſe Mutter der Goͤtter und mithin Großmut- ter der Muſen; und ginge am Morgen nicht der Koͤrper mit Nachwehen herum, es gaͤbe kein beſſeres Braut- und Kindbett geiſtiger Sonn- tagsgeburten als das Bett, ordentlich wenn die Schlaffedern zu Schreibfedern auswuͤchſen. Eh’ ich endlich meine eilf Mittel, einzuſchla- fen, folgen laſſe, merk’ ich ganz kurz an, daß ſie ſämmtlich nichts helfen; — denn man ſtrengt ſich ſehr dabey an, und mich hat jedes Schlaf

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/241>, abgerufen am 24.11.2024.