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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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sich im Deklamatorium über seinen Eintritt ent-
zücken, zumal da eben etwas von ihm vorgelesen
werde. Der Wirth trug sogar Vorsorge, ihm
unter dem Deckmantel eines Wegweisers seinen
Sohn mitzugeben, der der Wirthstochter, weil
sie belesen, und mit darin war, sogleich das ganze
Signalement des neuen Zuhörers durch drey
Worte ins Ohr zustecken sollte.

Als der Hauptmann eintrat, blickten ihn die
übrigen weiblichen Augen an, ausgenommen
nur ein Paar; Theoda sah unter dem Vorlesen
keine Gesichter, als -- ihre innern, und zu den
poetischen Höhen hinauf. Noch ehe die Wirths-
tochter die Nachricht von Theudobachs Ankunft
wie einen elektrischen Funken hatte durch die
Weiber-Ohrenkette laufen lassen: hatten sich
schon alle Augen an den Hauptmann festge-
schraubt. Denn immerhin halte Christus auf
einem Berge seine Predigt, oder auf dem Rich-
terstuhle sein jüngstes Gericht: es ist unmöglich,
daß die Ftauen, die davon erbauet oder gerührt
werden, nicht mehrere Minuten den Heiland
vergessen, und sich alle an den ersten Kirchen-

ſich im Deklamatorium uͤber ſeinen Eintritt ent-
zuͤcken, zumal da eben etwas von ihm vorgeleſen
werde. Der Wirth trug ſogar Vorſorge, ihm
unter dem Deckmantel eines Wegweiſers ſeinen
Sohn mitzugeben, der der Wirthstochter, weil
ſie beleſen, und mit darin war, ſogleich das ganze
Signalement des neuen Zuhoͤrers durch drey
Worte ins Ohr zuſtecken ſollte.

Als der Hauptmann eintrat, blickten ihn die
uͤbrigen weiblichen Augen an, ausgenommen
nur ein Paar; Theoda ſah unter dem Vorleſen
keine Geſichter, als — ihre innern, und zu den
poetiſchen Hoͤhen hinauf. Noch ehe die Wirths-
tochter die Nachricht von Theudobachs Ankunft
wie einen elektriſchen Funken hatte durch die
Weiber-Ohrenkette laufen laſſen: hatten ſich
ſchon alle Augen an den Hauptmann feſtge-
ſchraubt. Denn immerhin halte Chriſtus auf
einem Berge ſeine Predigt, oder auf dem Rich-
terſtuhle ſein juͤngſtes Gericht: es iſt unmoͤglich,
daß die Ftauen, die davon erbauet oder geruͤhrt
werden, nicht mehrere Minuten den Heiland
vergeſſen, und ſich alle an den erſten Kirchen-

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[160/0178] ſich im Deklamatorium uͤber ſeinen Eintritt ent- zuͤcken, zumal da eben etwas von ihm vorgeleſen werde. Der Wirth trug ſogar Vorſorge, ihm unter dem Deckmantel eines Wegweiſers ſeinen Sohn mitzugeben, der der Wirthstochter, weil ſie beleſen, und mit darin war, ſogleich das ganze Signalement des neuen Zuhoͤrers durch drey Worte ins Ohr zuſtecken ſollte. Als der Hauptmann eintrat, blickten ihn die uͤbrigen weiblichen Augen an, ausgenommen nur ein Paar; Theoda ſah unter dem Vorleſen keine Geſichter, als — ihre innern, und zu den poetiſchen Hoͤhen hinauf. Noch ehe die Wirths- tochter die Nachricht von Theudobachs Ankunft wie einen elektriſchen Funken hatte durch die Weiber-Ohrenkette laufen laſſen: hatten ſich ſchon alle Augen an den Hauptmann feſtge- ſchraubt. Denn immerhin halte Chriſtus auf einem Berge ſeine Predigt, oder auf dem Rich- terſtuhle ſein juͤngſtes Gericht: es iſt unmoͤglich, daß die Ftauen, die davon erbauet oder geruͤhrt werden, nicht mehrere Minuten den Heiland vergeſſen, und ſich alle an den erſten Kirchen-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/178>, abgerufen am 22.11.2024.