Ach ist es lange, daß ich fragte: wird sich dieses Buch mit einer Thräne schließen? -- Viktor kam heute Nachts um 8 Uhr mit zwei großen unbeweg¬ lichen Thränen auf dem Augenrand zurück und sagte: wir wollen nur ein wenig schnell auf die Insel zu¬ rückeilen; Klotilde bittet uns selber darum, sie lie¬ ber ein anderesmal zu sehen. "Ein Unglück -- "(habe ihr geträumt) -- richte sich jetzt groß und "hoch wie eine Meerschlange auf und werfe sich nie¬ "der auf Menschenherzen wie jene auf Schiffe und "drücke sie hinunter." Sie war mit jeder Minute banger und enger geworden wie man an einer dum¬ pfen Stelle wird, über der noch der Blitz zielet und zischt. Was setzte das anders voraus, als daß der Lord seiner treuen Freundin Dinge entdeckt hatte, die wir in dieser Nacht zu erleben besorgten? Und wir konnten uns alle die Sorge nicht mehr verheh¬ len, daß sein müder Geist vielleicht wie Lykurg das Siegel seiner Leiche auf seine Versicherung drük¬ ken wolle, daß wir Jenners Söhne sind, ferner auf unsern Schwur, gut zu seyn, und auf den fürstlichen, meinen Brüdern zu folgen bis er wiederkomme.
"Weine nicht so sehr, Viktor! (sagt' ich), es ist "doch noch nicht gewiß." Er trocknete sich still
Fruͤh um vier Uhr in der Inſel der Vereinigung.
Ach iſt es lange, daß ich fragte: wird ſich dieſes Buch mit einer Thraͤne ſchließen? — Viktor kam heute Nachts um 8 Uhr mit zwei großen unbeweg¬ lichen Thraͤnen auf dem Augenrand zuruͤck und ſagte: wir wollen nur ein wenig ſchnell auf die Inſel zu¬ ruͤckeilen; Klotilde bittet uns ſelber darum, ſie lie¬ ber ein anderesmal zu ſehen. »Ein Ungluͤck — »(habe ihr getraͤumt) — richte ſich jetzt groß und »hoch wie eine Meerſchlange auf und werfe ſich nie¬ »der auf Menſchenherzen wie jene auf Schiffe und »druͤcke ſie hinunter.» Sie war mit jeder Minute banger und enger geworden wie man an einer dum¬ pfen Stelle wird, uͤber der noch der Blitz zielet und ziſcht. Was ſetzte das anders voraus, als daß der Lord ſeiner treuen Freundin Dinge entdeckt hatte, die wir in dieſer Nacht zu erleben beſorgten? Und wir konnten uns alle die Sorge nicht mehr verheh¬ len, daß ſein muͤder Geiſt vielleicht wie Lykurg das Siegel ſeiner Leiche auf ſeine Verſicherung druͤk¬ ken wolle, daß wir Jenners Soͤhne ſind, ferner auf unſern Schwur, gut zu ſeyn, und auf den fuͤrſtlichen, meinen Bruͤdern zu folgen bis er wiederkomme.
»Weine nicht ſo ſehr, Viktor! (ſagt' ich), es iſt »doch noch nicht gewiß.» Er trocknete ſich ſtill
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Fruͤh um vier Uhr in der Inſel der
Vereinigung.
Ach iſt es lange, daß ich fragte: wird ſich dieſes
Buch mit einer Thraͤne ſchließen? — Viktor kam
heute Nachts um 8 Uhr mit zwei großen unbeweg¬
lichen Thraͤnen auf dem Augenrand zuruͤck und ſagte:
wir wollen nur ein wenig ſchnell auf die Inſel zu¬
ruͤckeilen; Klotilde bittet uns ſelber darum, ſie lie¬
ber ein anderesmal zu ſehen. »Ein Ungluͤck —
»(habe ihr getraͤumt) — richte ſich jetzt groß und
»hoch wie eine Meerſchlange auf und werfe ſich nie¬
»der auf Menſchenherzen wie jene auf Schiffe und
»druͤcke ſie hinunter.» Sie war mit jeder Minute
banger und enger geworden wie man an einer dum¬
pfen Stelle wird, uͤber der noch der Blitz zielet und
ziſcht. Was ſetzte das anders voraus, als daß der
Lord ſeiner treuen Freundin Dinge entdeckt hatte,
die wir in dieſer Nacht zu erleben beſorgten? Und
wir konnten uns alle die Sorge nicht mehr verheh¬
len, daß ſein muͤder Geiſt vielleicht wie Lykurg
das Siegel ſeiner Leiche auf ſeine Verſicherung druͤk¬
ken wolle, daß wir Jenners Soͤhne ſind, ferner auf
unſern Schwur, gut zu ſeyn, und auf den fuͤrſtlichen,
meinen Bruͤdern zu folgen bis er wiederkomme.
»Weine nicht ſo ſehr, Viktor! (ſagt' ich), es iſt
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/450>, abgerufen am 22.11.2024.
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