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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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schadet (ob ich's gleich anfangs besorgte), daß ich
mehr als gemeine Kenntnisse habe. In unsern Ta¬
gen sind die adelichen Vorderpferde nicht mehr so
weit wie vor hundert Jahren vor den bürgerlichen
Deichselpferden am Staats-Wagen vorausgespannt;
daher ist's Pflicht, wenigstens Klugheit, (auch für
einen neuen Edelmann wie mich), daß er (oder ich)
sich herablässet und das Gefühl seines Standes --
warum soll mir das nicht so gut gelingen wie an¬
dern? -- unter die Verzierung einer gefälligen leich¬
ten Lebensart versteckt und sich überhaupt auf keine
Ahnen etwas einbildet als auf die künftigen, de¬
ren sämmtliche Verdienste ich mir nicht groß genug
denken kann, weil die Erde noch blutjung und erst
im Flügelkleide und wie Pohlen, im polnischen Röck¬
gen ist.

Ich komme zurück. Um 2 Uhr kam der Lord
mit seinem blinden Sohn, gleichsam die Philosophie
mit der Dichtkunst. Schöner schöner Jüngling! die
Unschuld hat deine Wangen gezeichnet, die Liebe
deine Lippen, die Schwärmerei deine Stirne. Der
Lord mit der Laudons Stirne und mit einem heute
mehr als in Hof verdunkelten schattigem Gesicht,
an das die Flitterwochen der Jugend und die Mar¬
terwochen des spätern Alters vermischtes Helldunkel

war¬

ſchadet (ob ich's gleich anfangs beſorgte), daß ich
mehr als gemeine Kenntniſſe habe. In unſern Ta¬
gen ſind die adelichen Vorderpferde nicht mehr ſo
weit wie vor hundert Jahren vor den buͤrgerlichen
Deichſelpferden am Staats-Wagen vorausgeſpannt;
daher iſt's Pflicht, wenigſtens Klugheit, (auch fuͤr
einen neuen Edelmann wie mich), daß er (oder ich)
ſich herablaͤſſet und das Gefuͤhl ſeines Standes —
warum ſoll mir das nicht ſo gut gelingen wie an¬
dern? — unter die Verzierung einer gefaͤlligen leich¬
ten Lebensart verſteckt und ſich uͤberhaupt auf keine
Ahnen etwas einbildet als auf die kuͤnftigen, de¬
ren ſaͤmmtliche Verdienſte ich mir nicht groß genug
denken kann, weil die Erde noch blutjung und erſt
im Fluͤgelkleide und wie Pohlen, im polniſchen Roͤck¬
gen iſt.

Ich komme zuruͤck. Um 2 Uhr kam der Lord
mit ſeinem blinden Sohn, gleichſam die Philoſophie
mit der Dichtkunſt. Schoͤner ſchoͤner Juͤngling! die
Unſchuld hat deine Wangen gezeichnet, die Liebe
deine Lippen, die Schwaͤrmerei deine Stirne. Der
Lord mit der Laudons Stirne und mit einem heute
mehr als in Hof verdunkelten ſchattigem Geſicht,
an das die Flitterwochen der Jugend und die Mar¬
terwochen des ſpaͤtern Alters vermiſchtes Helldunkel

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[432/0442] ſchadet (ob ich's gleich anfangs beſorgte), daß ich mehr als gemeine Kenntniſſe habe. In unſern Ta¬ gen ſind die adelichen Vorderpferde nicht mehr ſo weit wie vor hundert Jahren vor den buͤrgerlichen Deichſelpferden am Staats-Wagen vorausgeſpannt; daher iſt's Pflicht, wenigſtens Klugheit, (auch fuͤr einen neuen Edelmann wie mich), daß er (oder ich) ſich herablaͤſſet und das Gefuͤhl ſeines Standes — warum ſoll mir das nicht ſo gut gelingen wie an¬ dern? — unter die Verzierung einer gefaͤlligen leich¬ ten Lebensart verſteckt und ſich uͤberhaupt auf keine Ahnen etwas einbildet als auf die kuͤnftigen, de¬ ren ſaͤmmtliche Verdienſte ich mir nicht groß genug denken kann, weil die Erde noch blutjung und erſt im Fluͤgelkleide und wie Pohlen, im polniſchen Roͤck¬ gen iſt. Ich komme zuruͤck. Um 2 Uhr kam der Lord mit ſeinem blinden Sohn, gleichſam die Philoſophie mit der Dichtkunſt. Schoͤner ſchoͤner Juͤngling! die Unſchuld hat deine Wangen gezeichnet, die Liebe deine Lippen, die Schwaͤrmerei deine Stirne. Der Lord mit der Laudons Stirne und mit einem heute mehr als in Hof verdunkelten ſchattigem Geſicht, an das die Flitterwochen der Jugend und die Mar¬ terwochen des ſpaͤtern Alters vermiſchtes Helldunkel war¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/442>, abgerufen am 25.11.2024.