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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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42. Hundsposttag.

Aufopferung -- Valetreden an die Erde -- Memento-mori-
Spatziergang -- Herz von Wachs. --


Es giebt einen Schmerz, der sich mit einem gro¬
ßen Saugestachel ans Herz legt und Thränen durstig
zieht -- das ganze Herz rinnt und quillt und drückt
zuckend die innersten Fasern zusammen, um zu einem
Thränenstrom zu werden und fühlt den Zug des
Schmerzens nicht unter der tödtlich-süßen Ergies¬
sung. ... So tödtlich süß schmerzte unsern Viktor
Klotildens Brief.

Aber tödtlich-bitter war der des Lords. "O die¬
"ser müd-gequälte Geist -- rief er aus -- sehnte
"sich ja schon auf der Insel der Vereinigung nach
"Todten-Ruhe -- ach er ist gewiß schon aus der
"schwülen Erde geflohen, die ihm so klein und drük¬
"kend vorkam." War das: so waren alle Schwüre,
an deren Erlassung Flamins Leben hieng, ewig ge¬
macht und dieser verloren. War's nicht, so war
wenigstens keine Zurückkehr zu hoffen, da Emanuels
Tod und Geständniß, Flamins Gefangenschaft und
alle bisherigen Zufälle, die der Lord alle erfahren

42. Hundspoſttag.

Aufopferung — Valetreden an die Erde — Memento-mori-
Spatziergang — Herz von Wachs. —


Es giebt einen Schmerz, der ſich mit einem gro¬
ßen Saugeſtachel ans Herz legt und Thraͤnen durſtig
zieht — das ganze Herz rinnt und quillt und druͤckt
zuckend die innerſten Faſern zuſammen, um zu einem
Thraͤnenſtrom zu werden und fuͤhlt den Zug des
Schmerzens nicht unter der toͤdtlich-ſuͤßen Ergies¬
ſung. ... So toͤdtlich ſuͤß ſchmerzte unſern Viktor
Klotildens Brief.

Aber toͤdtlich-bitter war der des Lords. »O die¬
»ſer muͤd-gequaͤlte Geiſt — rief er aus — ſehnte
»ſich ja ſchon auf der Inſel der Vereinigung nach
»Todten-Ruhe — ach er iſt gewiß ſchon aus der
»ſchwuͤlen Erde geflohen, die ihm ſo klein und druͤk¬
»kend vorkam.« War das: ſo waren alle Schwuͤre,
an deren Erlaſſung Flamins Leben hieng, ewig ge¬
macht und dieſer verloren. War's nicht, ſo war
wenigſtens keine Zuruͤckkehr zu hoffen, da Emanuels
Tod und Geſtaͤndniß, Flamins Gefangenſchaft und
alle bisherigen Zufaͤlle, die der Lord alle erfahren

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[354/0364] 42. Hundspoſttag. Aufopferung — Valetreden an die Erde — Memento-mori- Spatziergang — Herz von Wachs. — Es giebt einen Schmerz, der ſich mit einem gro¬ ßen Saugeſtachel ans Herz legt und Thraͤnen durſtig zieht — das ganze Herz rinnt und quillt und druͤckt zuckend die innerſten Faſern zuſammen, um zu einem Thraͤnenſtrom zu werden und fuͤhlt den Zug des Schmerzens nicht unter der toͤdtlich-ſuͤßen Ergies¬ ſung. ... So toͤdtlich ſuͤß ſchmerzte unſern Viktor Klotildens Brief. Aber toͤdtlich-bitter war der des Lords. »O die¬ »ſer muͤd-gequaͤlte Geiſt — rief er aus — ſehnte »ſich ja ſchon auf der Inſel der Vereinigung nach »Todten-Ruhe — ach er iſt gewiß ſchon aus der »ſchwuͤlen Erde geflohen, die ihm ſo klein und druͤk¬ »kend vorkam.« War das: ſo waren alle Schwuͤre, an deren Erlaſſung Flamins Leben hieng, ewig ge¬ macht und dieſer verloren. War's nicht, ſo war wenigſtens keine Zuruͤckkehr zu hoffen, da Emanuels Tod und Geſtaͤndniß, Flamins Gefangenſchaft und alle bisherigen Zufaͤlle, die der Lord alle erfahren

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/364>, abgerufen am 21.11.2024.