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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Tugend so nützlich, so vernünftig dar, daß sie nichts
weiter ist als ein Schluß: man hat bei ihr nichts
zu überwinden als Irrthümer. -- Da sie (nach ihm)
nicht das höchste sondern das einzige Gut ist; da
alle Begierden nach ihm auf ein leeres Nichts los¬
gehen: so ist Tugend kein Verdienst, sondern eine
Nothwendigkeit. Z. B. wenn es nichts hassenswer¬
thes giebt: so ist der Sieg über den Zorn und die
Liebe gegen den Feind nicht schwerer oder verdienst¬
licher als die gegen den Freund, sondern einerlei.

Was hat denn der Stoiker der Tugend nach sei¬
ner Meinung aufzuopfern als Vexirgüter, Luft¬
schlößer und Fieberbilder? -- Gleichwohl thut der
Stoizismus der Tugend, wie die Kritik dem Genie,
negative Dienste -- die stoische Erkältung treibt
keinen Frühling heraus, aber sie richtet die Insekten
hin, die ihn zernagen -- der stoische Winter nimmt
wie der physische, die Pest hinweg eh' die wär¬
mern Monate kommen, die neues Leben rei¬
chen. . . .

Obgleich Viktor sagte: "Du Theure, kein
"Herz kann rein, still, zart und groß genug für dei¬
"nes seyn, aber das schwache, das du erduldest, wird
"an deinem sich heiligen und kömmt gebessert zu
"dir:" so war doch die bloße Liebe die Quelle
seiner Tugend, sondern umgekehrt konnte nur Tu¬
gend sich durch eine solche Liebe offenbaren. Aber

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Tugend ſo nuͤtzlich, ſo vernuͤnftig dar, daß ſie nichts
weiter iſt als ein Schluß: man hat bei ihr nichts
zu uͤberwinden als Irrthuͤmer. — Da ſie (nach ihm)
nicht das hoͤchſte ſondern das einzige Gut iſt; da
alle Begierden nach ihm auf ein leeres Nichts los¬
gehen: ſo iſt Tugend kein Verdienſt, ſondern eine
Nothwendigkeit. Z. B. wenn es nichts haſſenswer¬
thes giebt: ſo iſt der Sieg uͤber den Zorn und die
Liebe gegen den Feind nicht ſchwerer oder verdienſt¬
licher als die gegen den Freund, ſondern einerlei.

Was hat denn der Stoiker der Tugend nach ſei¬
ner Meinung aufzuopfern als Vexirguͤter, Luft¬
ſchloͤßer und Fieberbilder? — Gleichwohl thut der
Stoizismus der Tugend, wie die Kritik dem Genie,
negative Dienſte — die ſtoiſche Erkaͤltung treibt
keinen Fruͤhling heraus, aber ſie richtet die Inſekten
hin, die ihn zernagen — der ſtoiſche Winter nimmt
wie der phyſiſche, die Peſt hinweg eh' die waͤr¬
mern Monate kommen, die neues Leben rei¬
chen. . . .

Obgleich Viktor ſagte: »Du Theure, kein
»Herz kann rein, ſtill, zart und groß genug fuͤr dei¬
»nes ſeyn, aber das ſchwache, das du erduldeſt, wird
»an deinem ſich heiligen und koͤmmt gebeſſert zu
»dir:» ſo war doch die bloße Liebe die Quelle
ſeiner Tugend, ſondern umgekehrt konnte nur Tu¬
gend ſich durch eine ſolche Liebe offenbaren. Aber

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[19/0029] Tugend ſo nuͤtzlich, ſo vernuͤnftig dar, daß ſie nichts weiter iſt als ein Schluß: man hat bei ihr nichts zu uͤberwinden als Irrthuͤmer. — Da ſie (nach ihm) nicht das hoͤchſte ſondern das einzige Gut iſt; da alle Begierden nach ihm auf ein leeres Nichts los¬ gehen: ſo iſt Tugend kein Verdienſt, ſondern eine Nothwendigkeit. Z. B. wenn es nichts haſſenswer¬ thes giebt: ſo iſt der Sieg uͤber den Zorn und die Liebe gegen den Feind nicht ſchwerer oder verdienſt¬ licher als die gegen den Freund, ſondern einerlei. Was hat denn der Stoiker der Tugend nach ſei¬ ner Meinung aufzuopfern als Vexirguͤter, Luft¬ ſchloͤßer und Fieberbilder? — Gleichwohl thut der Stoizismus der Tugend, wie die Kritik dem Genie, negative Dienſte — die ſtoiſche Erkaͤltung treibt keinen Fruͤhling heraus, aber ſie richtet die Inſekten hin, die ihn zernagen — der ſtoiſche Winter nimmt wie der phyſiſche, die Peſt hinweg eh' die waͤr¬ mern Monate kommen, die neues Leben rei¬ chen. . . . Obgleich Viktor ſagte: »Du Theure, kein »Herz kann rein, ſtill, zart und groß genug fuͤr dei¬ »nes ſeyn, aber das ſchwache, das du erduldeſt, wird »an deinem ſich heiligen und koͤmmt gebeſſert zu »dir:» ſo war doch die bloße Liebe die Quelle ſeiner Tugend, ſondern umgekehrt konnte nur Tu¬ gend ſich durch eine ſolche Liebe offenbaren. Aber B2

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/29>, abgerufen am 21.11.2024.