Versprechens. Wenig oder nichts ist an der Both¬ schaft schon darum, weil der Apotheker nur sein Eigenlob loßhusten und in das Lob Viktors verklei¬ den wollte, daß dieser mit so unendlicher Feinheit seine neulichen Winke, den Evangelisten zu unter¬ graben, zu vollführen gewußt. Die Winke waren wie man sich erinnert, die zwei Vorschläge, der Liebhaber der Fürstin und der Ehemann Klotildens zu werden, um den Fürsten zu gewinnen und wie ein Schwein die Klapperschlange, Mazen, ohne Schaden zu verschlucken. Man muß der von einem Wurmstock von Schmerzen angenagten Seele Vik¬ tors vergeben, daß er aufbraußte und mit einem Auge voll tiefster Verachtung Zeuseln anfuhr: "ich weiß nicht, wer verdiente, solche Vorschläge anzu¬ hören -- wenn's nicht einer ist, der sie machen kann."
Der Korrespondent hört traurig und kurz mit den Worten auf: "abends kam Viktor spät und mit geschwollnen Augen in Maienthal an, um zu sehen, ob am andern Tage der schönste Lehrer und der größte Freund verwelke!" -- -- Wir können uns alle denken wie die Umarmung eines Geliebten we¬ nige Schritte von seinem Grabe seyn mußte -- Der Freund, der uns sein Sterben drohet, greift schmerz¬ haft unsere Seele an, auch wenn wir es bezweifeln -- wir können uns alle das nasse Auge denken, das
Verſprechens. Wenig oder nichts iſt an der Both¬ ſchaft ſchon darum, weil der Apotheker nur ſein Eigenlob loßhuſten und in das Lob Viktors verklei¬ den wollte, daß dieſer mit ſo unendlicher Feinheit ſeine neulichen Winke, den Evangeliſten zu unter¬ graben, zu vollfuͤhren gewußt. Die Winke waren wie man ſich erinnert, die zwei Vorſchlaͤge, der Liebhaber der Fuͤrſtin und der Ehemann Klotildens zu werden, um den Fuͤrſten zu gewinnen und wie ein Schwein die Klapperſchlange, Mazen, ohne Schaden zu verſchlucken. Man muß der von einem Wurmſtock von Schmerzen angenagten Seele Vik¬ tors vergeben, daß er aufbraußte und mit einem Auge voll tiefſter Verachtung Zeuſeln anfuhr: »ich weiß nicht, wer verdiente, ſolche Vorſchlaͤge anzu¬ hoͤren — wenn's nicht einer iſt, der ſie machen kann.»
Der Korreſpondent hoͤrt traurig und kurz mit den Worten auf: »abends kam Viktor ſpaͤt und mit geſchwollnen Augen in Maienthal an, um zu ſehen, ob am andern Tage der ſchoͤnſte Lehrer und der groͤßte Freund verwelke!» — — Wir koͤnnen uns alle denken wie die Umarmung eines Geliebten we¬ nige Schritte von ſeinem Grabe ſeyn mußte — Der Freund, der uns ſein Sterben drohet, greift ſchmerz¬ haft unſere Seele an, auch wenn wir es bezweifeln — wir koͤnnen uns alle das naſſe Auge denken, das
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Verſprechens. Wenig oder nichts iſt an der Both¬
ſchaft ſchon darum, weil der Apotheker nur ſein
Eigenlob loßhuſten und in das Lob Viktors verklei¬
den wollte, daß dieſer mit ſo unendlicher Feinheit
ſeine neulichen Winke, den Evangeliſten zu unter¬
graben, zu vollfuͤhren gewußt. Die Winke waren
wie man ſich erinnert, die zwei Vorſchlaͤge, der
Liebhaber der Fuͤrſtin und der Ehemann Klotildens
zu werden, um den Fuͤrſten zu gewinnen und wie
ein Schwein die Klapperſchlange, Mazen, ohne
Schaden zu verſchlucken. Man muß der von einem
Wurmſtock von Schmerzen angenagten Seele Vik¬
tors vergeben, daß er aufbraußte und mit einem
Auge voll tiefſter Verachtung Zeuſeln anfuhr: »ich
weiß nicht, wer verdiente, ſolche Vorſchlaͤge anzu¬
hoͤren — wenn's nicht einer iſt, der ſie machen
kann.»
Der Korreſpondent hoͤrt traurig und kurz mit
den Worten auf: »abends kam Viktor ſpaͤt und mit
geſchwollnen Augen in Maienthal an, um zu ſehen,
ob am andern Tage der ſchoͤnſte Lehrer und der
groͤßte Freund verwelke!» — — Wir koͤnnen uns
alle denken wie die Umarmung eines Geliebten we¬
nige Schritte von ſeinem Grabe ſeyn mußte — Der
Freund, der uns ſein Sterben drohet, greift ſchmerz¬
haft unſere Seele an, auch wenn wir es bezweifeln
— wir koͤnnen uns alle das naſſe Auge denken, das
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/264>, abgerufen am 25.11.2024.
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