uns, die wir bei kälterem Blute das Erhabene und Edle eines Hofs leicht bemerken. -- Das Neueste was er da hörte war, daß der Fürst in Gesellschaft der Fürstin zum Gesundbrunnen in St. Lüne abreise, um die gichtbrüchigen Füße wie diese die Augen heil zu baden. Viktor war wirklich nicht ganz tolerant, da er bei sich dachte: "wenn ihr's nicht besser haben wollt, so geht meinetwegen zum T --" Das Paulli¬ num war für ihn ein Hazhaus und jedes Vorzimmer eine Marterkammer: der Fürst behandelte ihn nicht höfisch-höflich, sondern kalt, welches ihm desto weher that, da es bewies, er habe ihn geliebt -- Die Für¬ stin stolzer -- Bloß Matthieu der mit Leuten am liebsten sprach, die ihn tödtlich haßten, hatte ein Ge¬ sicht voll Sonnenschein -- Von diesem und von sei¬ ner Schwester und einigen Ungenannten hatt' er leichtes Schlangengift der Persiflage über sein Duel einzunehmen und zu verwinden, das wohl der Ma¬ gen wie anderes Schlangengift verdaut, das aber in Wunden gesprützt das Lebensblut auflöset -- -- Ge¬ räth denn nicht sogar mein Korrespondent in Eifer und schickt mir seinen Eifer durch meinen capsarius*), den Hund zu und sagt: "Es bleibe doch einer ein¬ "mal kalt, der warm ist nämlich verliebt, und den "noch nicht der Tod kalt gemacht, er verbleib' es
*) So hieß der römische Sklave, der den Kindern die Schul¬ bücher nachtrug.
uns, die wir bei kaͤlterem Blute das Erhabene und Edle eines Hofs leicht bemerken. — Das Neueſte was er da hoͤrte war, daß der Fuͤrſt in Geſellſchaft der Fuͤrſtin zum Geſundbrunnen in St. Luͤne abreiſe, um die gichtbruͤchigen Fuͤße wie dieſe die Augen heil zu baden. Viktor war wirklich nicht ganz tolerant, da er bei ſich dachte: »wenn ihr's nicht beſſer haben wollt, ſo geht meinetwegen zum T —« Das Paulli¬ num war fuͤr ihn ein Hazhaus und jedes Vorzimmer eine Marterkammer: der Fuͤrſt behandelte ihn nicht hoͤfiſch-hoͤflich, ſondern kalt, welches ihm deſto weher that, da es bewies, er habe ihn geliebt — Die Fuͤr¬ ſtin ſtolzer — Bloß Matthieu der mit Leuten am liebſten ſprach, die ihn toͤdtlich haßten, hatte ein Ge¬ ſicht voll Sonnenſchein — Von dieſem und von ſei¬ ner Schweſter und einigen Ungenannten hatt' er leichtes Schlangengift der Perſiflage uͤber ſein Duel einzunehmen und zu verwinden, das wohl der Ma¬ gen wie anderes Schlangengift verdaut, das aber in Wunden geſpruͤtzt das Lebensblut aufloͤſet — — Ge¬ raͤth denn nicht ſogar mein Korreſpondent in Eifer und ſchickt mir ſeinen Eifer durch meinen capsarius*)‚ den Hund zu und ſagt: »Es bleibe doch einer ein¬ »mal kalt, der warm iſt naͤmlich verliebt, und den »noch nicht der Tod kalt gemacht, er verbleib' es
*) So hieß der römiſche Sklave, der den Kindern die Schul¬ bücher nachtrug.
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uns, die wir bei kaͤlterem Blute das Erhabene und
Edle eines Hofs leicht bemerken. — Das Neueſte
was er da hoͤrte war, daß der Fuͤrſt in Geſellſchaft
der Fuͤrſtin zum Geſundbrunnen in St. Luͤne abreiſe,
um die gichtbruͤchigen Fuͤße wie dieſe die Augen heil
zu baden. Viktor war wirklich nicht ganz tolerant,
da er bei ſich dachte: »wenn ihr's nicht beſſer haben
wollt, ſo geht meinetwegen zum T —« Das Paulli¬
num war fuͤr ihn ein Hazhaus und jedes Vorzimmer
eine Marterkammer: der Fuͤrſt behandelte ihn nicht
hoͤfiſch-hoͤflich, ſondern kalt, welches ihm deſto weher
that, da es bewies, er habe ihn geliebt — Die Fuͤr¬
ſtin ſtolzer — Bloß Matthieu der mit Leuten am
liebſten ſprach, die ihn toͤdtlich haßten, hatte ein Ge¬
ſicht voll Sonnenſchein — Von dieſem und von ſei¬
ner Schweſter und einigen Ungenannten hatt' er
leichtes Schlangengift der Perſiflage uͤber ſein Duel
einzunehmen und zu verwinden, das wohl der Ma¬
gen wie anderes Schlangengift verdaut, das aber in
Wunden geſpruͤtzt das Lebensblut aufloͤſet — — Ge¬
raͤth denn nicht ſogar mein Korreſpondent in Eifer
und ſchickt mir ſeinen Eifer durch meinen capsarius *)‚
den Hund zu und ſagt: »Es bleibe doch einer ein¬
»mal kalt, der warm iſt naͤmlich verliebt, und den
»noch nicht der Tod kalt gemacht, er verbleib' es
*) So hieß der römiſche Sklave, der den Kindern die Schul¬
bücher nachtrug.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/249>, abgerufen am 21.11.2024.
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