Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

der Friseur: so hätten die meisten Geistlichen ihre
Toupees -- die artistischen Hahnenkämme -- bei
ihm machen lassen; -- so aber nicht.

Da der Kaplan gern die Konfituren des Schick¬
sals -- worunter falsche Haare gehören -- mit et¬
was versäuerte und hopfte: so suchte er natürlicher
Weise sich die heutige Perücke, für deren falsche
Touren er an Zahlungsstatt ächte abgeschnittene
Haare seiner Leute gab, durch Skrupel zu versalzen,
die er sich über das lange Wegbleiben Viktors mach¬
te. Er erinnerte: "wir müssen ihn vor den Kopf
"gestossen haben -- er schreibt nicht einmal -- er
"ist vielleicht mit meinem Sohne zerfallen -- etwas
"hats gesetzt -- und dann sieht uns der alte Lord
"auch nicht mehr von der Seite an -- unsere Rat¬
"ten trieben ihn in jedem Falle aus." --

Durch solche Elegien setzte er anfangs nur sich
und zuletzt selber den Zuhörer in Angst. Er war
durch nichts zu widerlegen als dadurch, daß man
etwas Neues was ihn ängstigte, hervorsuchte. Die
Wetterscheide seines Gewölkes oder sein Noth und
Hülfsbüchlein war diesesmal ein wahres Buch, des
Zeizer "Teller's Anekdoten für Prediger", die er
heute durch den Perückenmacher vom kanonischen Le¬
sezirkel empfing. Geistliche, zumal die auf dem
Lande betreiben alles mit einer kleinlichen pünktli¬
chen Aengstlichkeit, worin sie zum Theil ihr regie¬

der Friſeur: ſo haͤtten die meiſten Geiſtlichen ihre
Toupees — die artiſtiſchen Hahnenkaͤmme — bei
ihm machen laſſen; — ſo aber nicht.

Da der Kaplan gern die Konfituren des Schick¬
ſals — worunter falſche Haare gehoͤren — mit et¬
was verſaͤuerte und hopfte: ſo ſuchte er natuͤrlicher
Weiſe ſich die heutige Peruͤcke, fuͤr deren falſche
Touren er an Zahlungsſtatt aͤchte abgeſchnittene
Haare ſeiner Leute gab, durch Skrupel zu verſalzen,
die er ſich uͤber das lange Wegbleiben Viktors mach¬
te. Er erinnerte: »wir muͤſſen ihn vor den Kopf
»geſtoſſen haben — er ſchreibt nicht einmal — er
»iſt vielleicht mit meinem Sohne zerfallen — etwas
»hats geſetzt — und dann ſieht uns der alte Lord
»auch nicht mehr von der Seite an — unſere Rat¬
»ten trieben ihn in jedem Falle aus.» —

Durch ſolche Elegien ſetzte er anfangs nur ſich
und zuletzt ſelber den Zuhoͤrer in Angſt. Er war
durch nichts zu widerlegen als dadurch, daß man
etwas Neues was ihn aͤngſtigte, hervorſuchte. Die
Wetterſcheide ſeines Gewoͤlkes oder ſein Noth und
Huͤlfsbuͤchlein war dieſesmal ein wahres Buch, des
Zeizer »Teller's Anekdoten fuͤr Prediger», die er
heute durch den Peruͤckenmacher vom kanoniſchen Le¬
ſezirkel empfing. Geiſtliche, zumal die auf dem
Lande betreiben alles mit einer kleinlichen puͤnktli¬
chen Aengſtlichkeit, worin ſie zum Theil ihr regie¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0076" n="66"/>
der Fri&#x017F;eur: &#x017F;o ha&#x0364;tten die mei&#x017F;ten Gei&#x017F;tlichen ihre<lb/>
Toupees &#x2014; die arti&#x017F;ti&#x017F;chen Hahnenka&#x0364;mme &#x2014; bei<lb/>
ihm machen la&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; &#x017F;o aber nicht.</p><lb/>
          <p>Da der Kaplan gern die Konfituren des Schick¬<lb/>
&#x017F;als &#x2014; worunter fal&#x017F;che Haare geho&#x0364;ren &#x2014; mit et¬<lb/>
was ver&#x017F;a&#x0364;uerte und hopfte: &#x017F;o &#x017F;uchte er natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e &#x017F;ich die heutige Peru&#x0364;cke, fu&#x0364;r deren fal&#x017F;che<lb/>
Touren er an Zahlungs&#x017F;tatt a&#x0364;chte abge&#x017F;chnittene<lb/>
Haare &#x017F;einer Leute gab, durch Skrupel zu ver&#x017F;alzen,<lb/>
die er &#x017F;ich u&#x0364;ber das lange Wegbleiben Viktors mach¬<lb/>
te. Er erinnerte: »wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ihn vor den Kopf<lb/>
»ge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en haben &#x2014; er &#x017F;chreibt nicht einmal &#x2014; er<lb/>
»i&#x017F;t vielleicht mit meinem Sohne zerfallen &#x2014; etwas<lb/>
»hats ge&#x017F;etzt &#x2014; und dann &#x017F;ieht uns der alte Lord<lb/>
»auch nicht mehr von der Seite an &#x2014; un&#x017F;ere Rat¬<lb/>
»ten trieben ihn in jedem Falle aus.» &#x2014;</p><lb/>
          <p>Durch &#x017F;olche Elegien &#x017F;etzte er anfangs nur &#x017F;ich<lb/>
und zuletzt &#x017F;elber den Zuho&#x0364;rer in Ang&#x017F;t. Er war<lb/>
durch nichts zu widerlegen als dadurch, daß man<lb/>
etwas Neues was ihn a&#x0364;ng&#x017F;tigte, hervor&#x017F;uchte. Die<lb/>
Wetter&#x017F;cheide &#x017F;eines Gewo&#x0364;lkes oder &#x017F;ein Noth und<lb/>
Hu&#x0364;lfsbu&#x0364;chlein war die&#x017F;esmal ein wahres Buch, des<lb/>
Zeizer »Teller's Anekdoten fu&#x0364;r Prediger», die er<lb/>
heute durch den Peru&#x0364;ckenmacher vom kanoni&#x017F;chen Le¬<lb/>
&#x017F;ezirkel empfing. Gei&#x017F;tliche, zumal die auf dem<lb/>
Lande betreiben alles mit einer kleinlichen pu&#x0364;nktli¬<lb/>
chen Aeng&#x017F;tlichkeit, worin &#x017F;ie zum Theil ihr regie¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] der Friſeur: ſo haͤtten die meiſten Geiſtlichen ihre Toupees — die artiſtiſchen Hahnenkaͤmme — bei ihm machen laſſen; — ſo aber nicht. Da der Kaplan gern die Konfituren des Schick¬ ſals — worunter falſche Haare gehoͤren — mit et¬ was verſaͤuerte und hopfte: ſo ſuchte er natuͤrlicher Weiſe ſich die heutige Peruͤcke, fuͤr deren falſche Touren er an Zahlungsſtatt aͤchte abgeſchnittene Haare ſeiner Leute gab, durch Skrupel zu verſalzen, die er ſich uͤber das lange Wegbleiben Viktors mach¬ te. Er erinnerte: »wir muͤſſen ihn vor den Kopf »geſtoſſen haben — er ſchreibt nicht einmal — er »iſt vielleicht mit meinem Sohne zerfallen — etwas »hats geſetzt — und dann ſieht uns der alte Lord »auch nicht mehr von der Seite an — unſere Rat¬ »ten trieben ihn in jedem Falle aus.» — Durch ſolche Elegien ſetzte er anfangs nur ſich und zuletzt ſelber den Zuhoͤrer in Angſt. Er war durch nichts zu widerlegen als dadurch, daß man etwas Neues was ihn aͤngſtigte, hervorſuchte. Die Wetterſcheide ſeines Gewoͤlkes oder ſein Noth und Huͤlfsbuͤchlein war dieſesmal ein wahres Buch, des Zeizer »Teller's Anekdoten fuͤr Prediger», die er heute durch den Peruͤckenmacher vom kanoniſchen Le¬ ſezirkel empfing. Geiſtliche, zumal die auf dem Lande betreiben alles mit einer kleinlichen puͤnktli¬ chen Aengſtlichkeit, worin ſie zum Theil ihr regie¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/76
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/76>, abgerufen am 02.05.2024.