(die Genesung) begünstigen möge, und die Frage in die Freude, wie glücklich sie in Maienthal neben Dahore seyn werde, wie seelig er sonst dort gewesen und wie wenig er sonst geglaubt, daß man's da noch mehr werden könne. Klotilde antwortete (wahrschein¬ lich auf seinen Wunsch nachzureisen): "ich hinterlasse Ihnen eben soviel, meinen Bruder und Ihren Freund, vergessen Sie meine vorige Bitte nicht."
Erst, da die annähernden Eltern Klotilden erin¬ nerten, den Schleier zurückzuschlagen, und ihren Ge¬ liebten anmahnten, den ersten Abschied von dem er¬ rungenen Herzen zu nehmen: da blickten beide weit in das großen Eden hinein, das sich um ihr Leben aufgethan -- und die helle Minute, die jetzt im Strom der Zeit vorüberfloß, spiegelte in die Ewig¬ keit zwei himmlische Gestalten hinauf, eine entschlei¬ erte, blaßrothe, von Thränen verklärte, und eine von Liebe verherrlichte, von Hoffnung wiederscheinende -- und jetzt lasset nicht länger die Hand Seelen zeich¬ nen, die nicht einmal das glänzende große Auge der Liebe abmahlet. . . .
Als die Eltern kamen: fühlt' er alle mögliche Kontraste, aber er vergab alle mögliche. Er nahm bald Abschied, um zu Hause in der Stille der Nacht den ersten betenden Blick über seinen künftigen Le¬ bensstrom zu werfen, der sich jetzt zum Grab hinzog in Schönheitslinien und in dem bunte Minuten spiel¬ ten wie Goldfische.
In der Nachtstille, nicht weit von seiner Wachs¬ mumie wollte der Glückliche niederfallen vor dem unendlichen Genius und ihm mit neuen Thränen danken für diese Nacht, für diese Freundin, deren erste Liebe er ist. -- Aber der Gedanke es zu thun, ist die That und o wie könnte unser gerührtes Herz, das schon vor Menschen verstummt, noch andere
(die Geneſung) beguͤnſtigen moͤge, und die Frage in die Freude, wie gluͤcklich ſie in Maienthal neben Dahore ſeyn werde, wie ſeelig er ſonſt dort geweſen und wie wenig er ſonſt geglaubt, daß man's da noch mehr werden koͤnne. Klotilde antwortete (wahrſchein¬ lich auf ſeinen Wunſch nachzureiſen): »ich hinterlaſſe Ihnen eben ſoviel, meinen Bruder und Ihren Freund, vergeſſen Sie meine vorige Bitte nicht.»
Erſt, da die annaͤhernden Eltern Klotilden erin¬ nerten, den Schleier zuruͤckzuſchlagen, und ihren Ge¬ liebten anmahnten, den erſten Abſchied von dem er¬ rungenen Herzen zu nehmen: da blickten beide weit in das großen Eden hinein, das ſich um ihr Leben aufgethan — und die helle Minute, die jetzt im Strom der Zeit voruͤberfloß, ſpiegelte in die Ewig¬ keit zwei himmliſche Geſtalten hinauf, eine entſchlei¬ erte, blaßrothe, von Thraͤnen verklaͤrte, und eine von Liebe verherrlichte, von Hoffnung wiederſcheinende — und jetzt laſſet nicht laͤnger die Hand Seelen zeich¬ nen, die nicht einmal das glaͤnzende große Auge der Liebe abmahlet. . . .
Als die Eltern kamen: fuͤhlt' er alle moͤgliche Kontraſte, aber er vergab alle moͤgliche. Er nahm bald Abſchied, um zu Hauſe in der Stille der Nacht den erſten betenden Blick uͤber ſeinen kuͤnftigen Le¬ bensſtrom zu werfen, der ſich jetzt zum Grab hinzog in Schoͤnheitslinien und in dem bunte Minuten ſpiel¬ ten wie Goldfiſche.
In der Nachtſtille, nicht weit von ſeiner Wachs¬ mumie wollte der Gluͤckliche niederfallen vor dem unendlichen Genius und ihm mit neuen Thraͤnen danken fuͤr dieſe Nacht, fuͤr dieſe Freundin, deren erſte Liebe er iſt. — Aber der Gedanke es zu thun, iſt die That und o wie koͤnnte unſer geruͤhrtes Herz, das ſchon vor Menſchen verſtummt, noch andere
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(die Geneſung) beguͤnſtigen moͤge, und die Frage
in die Freude, wie gluͤcklich ſie in Maienthal neben
Dahore ſeyn werde, wie ſeelig er ſonſt dort geweſen
und wie wenig er ſonſt geglaubt, daß man's da noch
mehr werden koͤnne. Klotilde antwortete (wahrſchein¬
lich auf ſeinen Wunſch nachzureiſen): »ich hinterlaſſe
Ihnen eben ſoviel, meinen Bruder und Ihren
Freund, vergeſſen Sie meine vorige Bitte nicht.»
Erſt, da die annaͤhernden Eltern Klotilden erin¬
nerten, den Schleier zuruͤckzuſchlagen, und ihren Ge¬
liebten anmahnten, den erſten Abſchied von dem er¬
rungenen Herzen zu nehmen: da blickten beide weit
in das großen Eden hinein, das ſich um ihr Leben
aufgethan — und die helle Minute, die jetzt im
Strom der Zeit voruͤberfloß, ſpiegelte in die Ewig¬
keit zwei himmliſche Geſtalten hinauf, eine entſchlei¬
erte, blaßrothe, von Thraͤnen verklaͤrte, und eine von
Liebe verherrlichte, von Hoffnung wiederſcheinende
— und jetzt laſſet nicht laͤnger die Hand Seelen zeich¬
nen, die nicht einmal das glaͤnzende große Auge der
Liebe abmahlet. . . .
Als die Eltern kamen: fuͤhlt' er alle moͤgliche
Kontraſte, aber er vergab alle moͤgliche. Er nahm
bald Abſchied, um zu Hauſe in der Stille der Nacht
den erſten betenden Blick uͤber ſeinen kuͤnftigen Le¬
bensſtrom zu werfen, der ſich jetzt zum Grab hinzog
in Schoͤnheitslinien und in dem bunte Minuten ſpiel¬
ten wie Goldfiſche.
In der Nachtſtille, nicht weit von ſeiner Wachs¬
mumie wollte der Gluͤckliche niederfallen vor dem
unendlichen Genius und ihm mit neuen Thraͤnen
danken fuͤr dieſe Nacht, fuͤr dieſe Freundin, deren
erſte Liebe er iſt. — Aber der Gedanke es zu thun,
iſt die That und o wie koͤnnte unſer geruͤhrtes Herz,
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/397>, abgerufen am 22.11.2024.
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