styl; aber bei Hofleuten ist die Zunge die Pulsader ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder ihrer Seelen; alle sind geborne Kunstrichter, die auf nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache sehen. Das macht, sie haben nichts zu thun; ihre gute Werke sind Bonmots, ihre Meßgeschäfte Vi¬ sitenbillets, ihre Hauswirthschaft eine Spiel- und ihre Feldwirthschaft eine Jagdparthie und der kleine Dienst eine Physiognomie. Daher müssen sie frem¬ de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen die schlaffe Weile, wie die Aerzte die Kräze einim¬ pfen gegen Dummheit; ein Hofstaat ist das ordent¬ liche Pennypostamt der kleinsten Neuigkeiten, sogar von euch Bürgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht -- Lächerliches gethan habt. Zu wünschen wäre, wir hätten Festins oder Spielparthien, oder Komö¬ dien, oder Assembleen, oder Soupees, oder etwas Gutes zu essen, oder irgend eine Lustbarkeit; aber daran ist nicht zu denken -- wir haben zwar alle diese Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬ merpräsident würde die Achsel zucken, wenn wir nur des Jahrs viermal so glänzend fröhlich seyn wollten als Sie es des Monats viermal sind. Da unsere Woche aus 7 Sontagen besteht: so sind unsere Lust¬ barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abschnitte, auf die niemand achtet und ein Festin ist nichts als ein Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬
ſtyl; aber bei Hofleuten iſt die Zunge die Pulsader ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder ihrer Seelen; alle ſind geborne Kunſtrichter, die auf nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache ſehen. Das macht, ſie haben nichts zu thun; ihre gute Werke ſind Bonmots, ihre Meßgeſchaͤfte Vi¬ ſitenbillets, ihre Hauswirthſchaft eine Spiel- und ihre Feldwirthſchaft eine Jagdparthie und der kleine Dienſt eine Phyſiognomie. Daher muͤſſen ſie frem¬ de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen die ſchlaffe Weile, wie die Aerzte die Kraͤze einim¬ pfen gegen Dummheit; ein Hofſtaat iſt das ordent¬ liche Pennypoſtamt der kleinſten Neuigkeiten, ſogar von euch Buͤrgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht — Laͤcherliches gethan habt. Zu wuͤnſchen waͤre, wir haͤtten Feſtins oder Spielparthien, oder Komoͤ¬ dien, oder Aſſembleen, oder Soupees, oder etwas Gutes zu eſſen, oder irgend eine Luſtbarkeit; aber daran iſt nicht zu denken — wir haben zwar alle dieſe Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬ merpraͤſident wuͤrde die Achſel zucken, wenn wir nur des Jahrs viermal ſo glaͤnzend froͤhlich ſeyn wollten als Sie es des Monats viermal ſind. Da unſere Woche aus 7 Sontagen beſteht: ſo ſind unſere Luſt¬ barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abſchnitte, auf die niemand achtet und ein Feſtin iſt nichts als ein Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="28"/>ſtyl; aber bei Hofleuten iſt die Zunge die Pulsader<lb/>
ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder<lb/>
ihrer Seelen; alle ſind geborne Kunſtrichter, die auf<lb/>
nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache<lb/>ſehen. Das macht, ſie haben nichts zu thun; ihre<lb/>
gute Werke ſind Bonmots, ihre Meßgeſchaͤfte Vi¬<lb/>ſitenbillets, ihre Hauswirthſchaft eine Spiel- und<lb/>
ihre Feldwirthſchaft eine Jagdparthie und der kleine<lb/>
Dienſt eine Phyſiognomie. Daher muͤſſen ſie frem¬<lb/>
de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen<lb/>
die ſchlaffe Weile, wie die Aerzte die Kraͤze einim¬<lb/>
pfen gegen Dummheit; ein Hofſtaat iſt das ordent¬<lb/>
liche Pennypoſtamt der kleinſten Neuigkeiten, ſogar<lb/>
von euch Buͤrgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht<lb/>— Laͤcherliches gethan habt. Zu wuͤnſchen waͤre,<lb/>
wir haͤtten Feſtins oder Spielparthien, oder Komoͤ¬<lb/>
dien, oder Aſſembleen, oder Soupees, oder etwas<lb/>
Gutes zu eſſen, oder irgend eine Luſtbarkeit; aber<lb/>
daran iſt nicht zu denken — wir haben zwar alle<lb/>
dieſe Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬<lb/>
merpraͤſident wuͤrde die Achſel zucken, wenn wir nur<lb/>
des Jahrs viermal ſo glaͤnzend froͤhlich ſeyn wollten<lb/>
als Sie es des Monats viermal ſind. Da unſere<lb/>
Woche aus 7 Sontagen beſteht: ſo ſind unſere Luſt¬<lb/>
barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abſchnitte, auf<lb/>
die niemand achtet und ein Feſtin iſt nichts als ein<lb/>
Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0038]
ſtyl; aber bei Hofleuten iſt die Zunge die Pulsader
ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder
ihrer Seelen; alle ſind geborne Kunſtrichter, die auf
nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache
ſehen. Das macht, ſie haben nichts zu thun; ihre
gute Werke ſind Bonmots, ihre Meßgeſchaͤfte Vi¬
ſitenbillets, ihre Hauswirthſchaft eine Spiel- und
ihre Feldwirthſchaft eine Jagdparthie und der kleine
Dienſt eine Phyſiognomie. Daher muͤſſen ſie frem¬
de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen
die ſchlaffe Weile, wie die Aerzte die Kraͤze einim¬
pfen gegen Dummheit; ein Hofſtaat iſt das ordent¬
liche Pennypoſtamt der kleinſten Neuigkeiten, ſogar
von euch Buͤrgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht
— Laͤcherliches gethan habt. Zu wuͤnſchen waͤre,
wir haͤtten Feſtins oder Spielparthien, oder Komoͤ¬
dien, oder Aſſembleen, oder Soupees, oder etwas
Gutes zu eſſen, oder irgend eine Luſtbarkeit; aber
daran iſt nicht zu denken — wir haben zwar alle
dieſe Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬
merpraͤſident wuͤrde die Achſel zucken, wenn wir nur
des Jahrs viermal ſo glaͤnzend froͤhlich ſeyn wollten
als Sie es des Monats viermal ſind. Da unſere
Woche aus 7 Sontagen beſteht: ſo ſind unſere Luſt¬
barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abſchnitte, auf
die niemand achtet und ein Feſtin iſt nichts als ein
Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.