Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

styl; aber bei Hofleuten ist die Zunge die Pulsader
ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder
ihrer Seelen; alle sind geborne Kunstrichter, die auf
nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache
sehen. Das macht, sie haben nichts zu thun; ihre
gute Werke sind Bonmots, ihre Meßgeschäfte Vi¬
sitenbillets, ihre Hauswirthschaft eine Spiel- und
ihre Feldwirthschaft eine Jagdparthie und der kleine
Dienst eine Physiognomie. Daher müssen sie frem¬
de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen
die schlaffe Weile, wie die Aerzte die Kräze einim¬
pfen gegen Dummheit; ein Hofstaat ist das ordent¬
liche Pennypostamt der kleinsten Neuigkeiten, sogar
von euch Bürgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht
-- Lächerliches gethan habt. Zu wünschen wäre,
wir hätten Festins oder Spielparthien, oder Komö¬
dien, oder Assembleen, oder Soupees, oder etwas
Gutes zu essen, oder irgend eine Lustbarkeit; aber
daran ist nicht zu denken -- wir haben zwar alle
diese Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬
merpräsident würde die Achsel zucken, wenn wir nur
des Jahrs viermal so glänzend fröhlich seyn wollten
als Sie es des Monats viermal sind. Da unsere
Woche aus 7 Sontagen besteht: so sind unsere Lust¬
barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abschnitte, auf
die niemand achtet und ein Festin ist nichts als ein
Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬

ſtyl; aber bei Hofleuten iſt die Zunge die Pulsader
ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder
ihrer Seelen; alle ſind geborne Kunſtrichter, die auf
nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache
ſehen. Das macht, ſie haben nichts zu thun; ihre
gute Werke ſind Bonmots, ihre Meßgeſchaͤfte Vi¬
ſitenbillets, ihre Hauswirthſchaft eine Spiel- und
ihre Feldwirthſchaft eine Jagdparthie und der kleine
Dienſt eine Phyſiognomie. Daher muͤſſen ſie frem¬
de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen
die ſchlaffe Weile, wie die Aerzte die Kraͤze einim¬
pfen gegen Dummheit; ein Hofſtaat iſt das ordent¬
liche Pennypoſtamt der kleinſten Neuigkeiten, ſogar
von euch Buͤrgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht
— Laͤcherliches gethan habt. Zu wuͤnſchen waͤre,
wir haͤtten Feſtins oder Spielparthien, oder Komoͤ¬
dien, oder Aſſembleen, oder Soupees, oder etwas
Gutes zu eſſen, oder irgend eine Luſtbarkeit; aber
daran iſt nicht zu denken — wir haben zwar alle
dieſe Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬
merpraͤſident wuͤrde die Achſel zucken, wenn wir nur
des Jahrs viermal ſo glaͤnzend froͤhlich ſeyn wollten
als Sie es des Monats viermal ſind. Da unſere
Woche aus 7 Sontagen beſteht: ſo ſind unſere Luſt¬
barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abſchnitte, auf
die niemand achtet und ein Feſtin iſt nichts als ein
Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0038" n="28"/>
&#x017F;tyl; aber bei Hofleuten i&#x017F;t die Zunge die Pulsader<lb/>
ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder<lb/>
ihrer Seelen; alle &#x017F;ind geborne Kun&#x017F;trichter, die auf<lb/>
nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache<lb/>
&#x017F;ehen. Das macht, &#x017F;ie haben nichts zu thun; ihre<lb/>
gute Werke &#x017F;ind Bonmots, ihre Meßge&#x017F;cha&#x0364;fte Vi¬<lb/>
&#x017F;itenbillets, ihre Hauswirth&#x017F;chaft eine Spiel- und<lb/>
ihre Feldwirth&#x017F;chaft eine Jagdparthie und der kleine<lb/>
Dien&#x017F;t eine Phy&#x017F;iognomie. Daher mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie frem¬<lb/>
de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen<lb/>
die &#x017F;chlaffe Weile, wie die Aerzte die Kra&#x0364;ze einim¬<lb/>
pfen gegen Dummheit; ein Hof&#x017F;taat i&#x017F;t das ordent¬<lb/>
liche Pennypo&#x017F;tamt der klein&#x017F;ten Neuigkeiten, &#x017F;ogar<lb/>
von euch Bu&#x0364;rgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht<lb/>
&#x2014; La&#x0364;cherliches gethan habt. Zu wu&#x0364;n&#x017F;chen wa&#x0364;re,<lb/>
wir ha&#x0364;tten Fe&#x017F;tins oder Spielparthien, oder Komo&#x0364;¬<lb/>
dien, oder A&#x017F;&#x017F;embleen, oder Soupees, oder etwas<lb/>
Gutes zu e&#x017F;&#x017F;en, oder irgend eine Lu&#x017F;tbarkeit; aber<lb/>
daran i&#x017F;t nicht zu denken &#x2014; wir haben zwar alle<lb/>
die&#x017F;e Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬<lb/>
merpra&#x0364;&#x017F;ident wu&#x0364;rde die Ach&#x017F;el zucken, wenn wir nur<lb/>
des Jahrs viermal &#x017F;o gla&#x0364;nzend fro&#x0364;hlich &#x017F;eyn wollten<lb/>
als Sie es des Monats viermal &#x017F;ind. Da un&#x017F;ere<lb/>
Woche aus 7 Sontagen be&#x017F;teht: &#x017F;o &#x017F;ind un&#x017F;ere Lu&#x017F;<lb/>
barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Ab&#x017F;chnitte, auf<lb/>
die niemand achtet und ein Fe&#x017F;tin i&#x017F;t nichts als ein<lb/>
Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0038] ſtyl; aber bei Hofleuten iſt die Zunge die Pulsader ihres welken Lebens, die Spiral- und Schwungfeder ihrer Seelen; alle ſind geborne Kunſtrichter, die auf nichts als Wendung, Ausdruck, Feuer und Sprache ſehen. Das macht, ſie haben nichts zu thun; ihre gute Werke ſind Bonmots, ihre Meßgeſchaͤfte Vi¬ ſitenbillets, ihre Hauswirthſchaft eine Spiel- und ihre Feldwirthſchaft eine Jagdparthie und der kleine Dienſt eine Phyſiognomie. Daher muͤſſen ſie frem¬ de Fehler den ganzen Tag in Ohren haben gegen die ſchlaffe Weile, wie die Aerzte die Kraͤze einim¬ pfen gegen Dummheit; ein Hofſtaat iſt das ordent¬ liche Pennypoſtamt der kleinſten Neuigkeiten, ſogar von euch Buͤrgerlichen, wenn ihr gerade etwas recht — Laͤcherliches gethan habt. Zu wuͤnſchen waͤre, wir haͤtten Feſtins oder Spielparthien, oder Komoͤ¬ dien, oder Aſſembleen, oder Soupees, oder etwas Gutes zu eſſen, oder irgend eine Luſtbarkeit; aber daran iſt nicht zu denken — wir haben zwar alle dieſe Dinge, aber nur die Namen davon: der Kam¬ merpraͤſident wuͤrde die Achſel zucken, wenn wir nur des Jahrs viermal ſo glaͤnzend froͤhlich ſeyn wollten als Sie es des Monats viermal ſind. Da unſere Woche aus 7 Sontagen beſteht: ſo ſind unſere Luſt¬ barkeiten nur Kalenderzeichen, Zeit-Abſchnitte, auf die niemand achtet und ein Feſtin iſt nichts als ein Spielraum der Plane die jeder hat, das Bretterge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/38
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/38>, abgerufen am 28.03.2024.