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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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ach sie ist das Bild des verwelkenden Engels neben
"mir" -- und als die Töne immer leiser flatterten
und endlich in dem flusternden Laube eines Todten¬
kranzes herumliefen -- und als die brechende Stim¬
me wieder kam und sagte: "kennst du diese alten
"Töne nicht? -- Siehe sie gingen schon in deinem
"Traum vor ihrem Geburtstage und senkten dort
"bis an's Herz die kranke Seele neben dir in's Grab
"und sie ließ dir nichts zurück als ein Auge voll
"Thränen und eine Seele voll Schmerz" -- -- --
"Nein, mehr ließ sie mir nicht" sagte gebrochen
sein müdes Herz und alle seine bekämpften Thrä¬
nen drangen in Strömen aus den Augen. . . .

Aber das Licht ward eben aus dem Zimmer ge¬
tragen und der erste Strom fiel ungesehen in den
Schoos der Nacht.

Die Harmonika fing die Melodie der Todten an:
"Wie sie so sanft ruhn! etc. -- Ach in solchen Tö¬
nen schlagen die zerlaufenden Wellen des Meeres der
Ewigkeit an das Herz der dunklen Menschen, die am
Ufer stehen und sich hinübersehnen! -- Jetzt wirst du,
Horion, von einem tönenden Wehen aus dem Regen¬
dunst des Lebens hinübergehoben in die lichte Ewig¬
keit! -- Höre, welche Töne umlaufen die weiten
Gefilde von Eden! Schlagen nicht die Laute, in
Hauche verflogen, an fernen Blumen zurück und um¬
schwimmen, vom Echo geschwollen, den Schwanen¬

Hesperus. II. Th. A a

ach ſie iſt das Bild des verwelkenden Engels neben
»mir« — und als die Toͤne immer leiſer flatterten
und endlich in dem fluſternden Laube eines Todten¬
kranzes herumliefen — und als die brechende Stim¬
me wieder kam und ſagte: »kennſt du dieſe alten
»Toͤne nicht? — Siehe ſie gingen ſchon in deinem
»Traum vor ihrem Geburtstage und ſenkten dort
»bis an's Herz die kranke Seele neben dir in's Grab
»und ſie ließ dir nichts zuruͤck als ein Auge voll
»Thraͤnen und eine Seele voll Schmerz« — — —
»Nein, mehr ließ ſie mir nicht« ſagte gebrochen
ſein muͤdes Herz und alle ſeine bekaͤmpften Thraͤ¬
nen drangen in Stroͤmen aus den Augen. . . .

Aber das Licht ward eben aus dem Zimmer ge¬
tragen und der erſte Strom fiel ungeſehen in den
Schoos der Nacht.

Die Harmonika fing die Melodie der Todten an:
»Wie ſie ſo ſanft ruhn! ꝛc. — Ach in ſolchen Toͤ¬
nen ſchlagen die zerlaufenden Wellen des Meeres der
Ewigkeit an das Herz der dunklen Menſchen, die am
Ufer ſtehen und ſich hinuͤberſehnen! — Jetzt wirſt du,
Horion, von einem toͤnenden Wehen aus dem Regen¬
dunſt des Lebens hinuͤbergehoben in die lichte Ewig¬
keit! — Hoͤre, welche Toͤne umlaufen die weiten
Gefilde von Eden! Schlagen nicht die Laute, in
Hauche verflogen, an fernen Blumen zuruͤck und um¬
ſchwimmen, vom Echo geſchwollen, den Schwanen¬

Heſperus. II. Th. A a
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[369/0379] ach ſie iſt das Bild des verwelkenden Engels neben »mir« — und als die Toͤne immer leiſer flatterten und endlich in dem fluſternden Laube eines Todten¬ kranzes herumliefen — und als die brechende Stim¬ me wieder kam und ſagte: »kennſt du dieſe alten »Toͤne nicht? — Siehe ſie gingen ſchon in deinem »Traum vor ihrem Geburtstage und ſenkten dort »bis an's Herz die kranke Seele neben dir in's Grab »und ſie ließ dir nichts zuruͤck als ein Auge voll »Thraͤnen und eine Seele voll Schmerz« — — — »Nein, mehr ließ ſie mir nicht« ſagte gebrochen ſein muͤdes Herz und alle ſeine bekaͤmpften Thraͤ¬ nen drangen in Stroͤmen aus den Augen. . . . Aber das Licht ward eben aus dem Zimmer ge¬ tragen und der erſte Strom fiel ungeſehen in den Schoos der Nacht. Die Harmonika fing die Melodie der Todten an: »Wie ſie ſo ſanft ruhn! ꝛc. — Ach in ſolchen Toͤ¬ nen ſchlagen die zerlaufenden Wellen des Meeres der Ewigkeit an das Herz der dunklen Menſchen, die am Ufer ſtehen und ſich hinuͤberſehnen! — Jetzt wirſt du, Horion, von einem toͤnenden Wehen aus dem Regen¬ dunſt des Lebens hinuͤbergehoben in die lichte Ewig¬ keit! — Hoͤre, welche Toͤne umlaufen die weiten Gefilde von Eden! Schlagen nicht die Laute, in Hauche verflogen, an fernen Blumen zuruͤck und um¬ ſchwimmen, vom Echo geſchwollen, den Schwanen¬ Heſperus. II. Th. A a

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/379>, abgerufen am 27.05.2024.