verschmerzen lieber uneingeschränkten Widerspruch als eingeschränkten Beifall. Die Sache war die:
Matthieu gab durch seine satirischen Uebertrei¬ bungen, der kleinen Unähnlichkeit zwischen Viktor und ihnen ein immer größeres Relief. Er sagte, (nicht um anzuspielen sondern um es zu scheinen) die Fürsten, von denen die Unterthanen wie vom sinesi¬ schen König, die Witterung des Staats erbäten, hälfen sich wie jener Rektor, der den Kalender selber verfaßte und seinen Schülern (hier den Günstlingen der Fürsten) zuließ, das Wetter dazu zu machen. Auch sagt' er, die Dichter könnten wohl für die Freiheit singen aber nicht sprechen, sondern sie machten in furchtsamer Verfassung unter der Larve der Tragödienhelden die Stimme der Helden nach, so wie er einen ähnlichen Spas oft an einem gebrat¬ nen Kalbskopfe gesehen, der der ganzen table zu brüllen geschienen wie ein lebendes Kalb, indeß nichts als ein lebender Laubfrosch darin gesteckt wäre, dessen Quäcken nur daraus erklungen. Aber Eine noch größere Feigheit wär's, sagte Viktor, nicht einmal zu singen; allein ich weiß, die Menschen sind jetzt weder barbarisch noch kultivirt genug, um die Dichter zu goutiren und zu befolgen: die Dich¬ ter, die Religion, die Leidenschaften und die Weiber sind vier Dinge, die drei Epochen erleben, wovon wir erst in der mittlern sind, sie zu verachten, die
verſchmerzen lieber uneingeſchraͤnkten Widerſpruch als eingeſchraͤnkten Beifall. Die Sache war die:
Matthieu gab durch ſeine ſatiriſchen Uebertrei¬ bungen, der kleinen Unaͤhnlichkeit zwiſchen Viktor und ihnen ein immer groͤßeres Relief. Er ſagte, (nicht um anzuſpielen ſondern um es zu ſcheinen) die Fuͤrſten, von denen die Unterthanen wie vom ſineſi¬ ſchen Koͤnig, die Witterung des Staats erbaͤten, haͤlfen ſich wie jener Rektor, der den Kalender ſelber verfaßte und ſeinen Schuͤlern (hier den Guͤnſtlingen der Fuͤrſten) zuließ, das Wetter dazu zu machen. Auch ſagt' er, die Dichter koͤnnten wohl fuͤr die Freiheit ſingen aber nicht ſprechen, ſondern ſie machten in furchtſamer Verfaſſung unter der Larve der Tragoͤdienhelden die Stimme der Helden nach, ſo wie er einen aͤhnlichen Spas oft an einem gebrat¬ nen Kalbskopfe geſehen, der der ganzen table zu bruͤllen geſchienen wie ein lebendes Kalb, indeß nichts als ein lebender Laubfroſch darin geſteckt waͤre, deſſen Quaͤcken nur daraus erklungen. Aber Eine noch groͤßere Feigheit waͤr's, ſagte Viktor, nicht einmal zu ſingen; allein ich weiß, die Menſchen ſind jetzt weder barbariſch noch kultivirt genug, um die Dichter zu goutiren und zu befolgen: die Dich¬ ter, die Religion, die Leidenſchaften und die Weiber ſind vier Dinge, die drei Epochen erleben, wovon wir erſt in der mittlern ſind, ſie zu verachten, die
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verſchmerzen lieber uneingeſchraͤnkten Widerſpruch
als eingeſchraͤnkten Beifall. Die Sache war die:
Matthieu gab durch ſeine ſatiriſchen Uebertrei¬
bungen, der kleinen Unaͤhnlichkeit zwiſchen Viktor
und ihnen ein immer groͤßeres Relief. Er ſagte,
(nicht um anzuſpielen ſondern um es zu ſcheinen) die
Fuͤrſten, von denen die Unterthanen wie vom ſineſi¬
ſchen Koͤnig, die Witterung des Staats erbaͤten,
haͤlfen ſich wie jener Rektor, der den Kalender ſelber
verfaßte und ſeinen Schuͤlern (hier den Guͤnſtlingen
der Fuͤrſten) zuließ, das Wetter dazu zu machen.
Auch ſagt' er, die Dichter koͤnnten wohl fuͤr die
Freiheit ſingen aber nicht ſprechen, ſondern ſie
machten in furchtſamer Verfaſſung unter der Larve
der Tragoͤdienhelden die Stimme der Helden nach,
ſo wie er einen aͤhnlichen Spas oft an einem gebrat¬
nen Kalbskopfe geſehen, der der ganzen table zu
bruͤllen geſchienen wie ein lebendes Kalb, indeß nichts
als ein lebender Laubfroſch darin geſteckt waͤre,
deſſen Quaͤcken nur daraus erklungen. Aber Eine
noch groͤßere Feigheit waͤr's, ſagte Viktor, nicht
einmal zu ſingen; allein ich weiß, die Menſchen ſind
jetzt weder barbariſch noch kultivirt genug, um
die Dichter zu goutiren und zu befolgen: die Dich¬
ter, die Religion, die Leidenſchaften und die Weiber
ſind vier Dinge, die drei Epochen erleben, wovon
wir erſt in der mittlern ſind, ſie zu verachten, die
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/342>, abgerufen am 24.11.2024.
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