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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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möchte und die das wahre attische Scheerauische
Salz sind: wahrer Witz, dünkt mich, muß sich wie
das Christenthum nicht in Worten, sondern in
Werken offenbaren. Er sah unsere Thorheiten mit
einem vergebenden Auge, mit humoristischen Phan¬
tasien und mir dem ewigen Gedanken an die allge¬
meine Menschennarrheit und mit schwermüthigen
Schlüßen an. Wenn er das ausnahm, daß Zeufel
sich jedem Edelmann zum Mieththier vorstreckte, bis
ihn dieser zurückprügelte, wie man in Paris Schoo߬
hunde zum Spazierengehen miethen kann: so hatt'
er gegen dessen Eitelkeit, da sie zumal in andern
Fällen gutmüthig, freygebig und oft gar witzig war,
wenig einzuwenden. Niemand ertrug Eitelkeit und
Stolz liebreicher als er: "was hat denn der Mensch
"davon, sagt' er viel zu lebhaft, wenn er kein Narr
"ist oder wo soll er denn aufhören, demüthig zu
"seyn? Entweder zu gut oder gar nichts müssen wir
"von uns denken."

Viktor stattete also bei seinem Hausherrn zu¬
gleich einen freundschaftlichen und einen medizini¬
schen Besuch mit seiner theilnehmenden Seele ab.
Diese Gesinnung grif herrlich in den Plan des Apo¬
thekers ein, den Doktor anzuwerben, damit er gegen
Mazen diene. "Dazu brauche ich nichts (sagte Zeu¬
"sel zu Zeusel) als daß ich ihn die Intriguen, die
"das Schleunessche Haus gegen ihn spielet, sehen

moͤchte und die das wahre attiſche Scheerauiſche
Salz ſind: wahrer Witz, duͤnkt mich, muß ſich wie
das Chriſtenthum nicht in Worten, ſondern in
Werken offenbaren. Er ſah unſere Thorheiten mit
einem vergebenden Auge, mit humoriſtiſchen Phan¬
taſien und mir dem ewigen Gedanken an die allge¬
meine Menſchennarrheit und mit ſchwermuͤthigen
Schluͤßen an. Wenn er das ausnahm, daß Zeufel
ſich jedem Edelmann zum Mieththier vorſtreckte, bis
ihn dieſer zuruͤckpruͤgelte, wie man in Paris Schoo߬
hunde zum Spazierengehen miethen kann: ſo hatt'
er gegen deſſen Eitelkeit, da ſie zumal in andern
Faͤllen gutmuͤthig, freygebig und oft gar witzig war,
wenig einzuwenden. Niemand ertrug Eitelkeit und
Stolz liebreicher als er: »was hat denn der Menſch
»davon, ſagt' er viel zu lebhaft, wenn er kein Narr
»iſt oder wo ſoll er denn aufhoͤren, demuͤthig zu
»ſeyn? Entweder zu gut oder gar nichts muͤſſen wir
»von uns denken.»

Viktor ſtattete alſo bei ſeinem Hausherrn zu¬
gleich einen freundſchaftlichen und einen medizini¬
ſchen Beſuch mit ſeiner theilnehmenden Seele ab.
Dieſe Geſinnung grif herrlich in den Plan des Apo¬
thekers ein, den Doktor anzuwerben, damit er gegen
Mazen diene. »Dazu brauche ich nichts (ſagte Zeu¬
»ſel zu Zeuſel) als daß ich ihn die Intriguen, die
»das Schleunesſche Haus gegen ihn ſpielet, ſehen

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[294/0304] moͤchte und die das wahre attiſche Scheerauiſche Salz ſind: wahrer Witz, duͤnkt mich, muß ſich wie das Chriſtenthum nicht in Worten, ſondern in Werken offenbaren. Er ſah unſere Thorheiten mit einem vergebenden Auge, mit humoriſtiſchen Phan¬ taſien und mir dem ewigen Gedanken an die allge¬ meine Menſchennarrheit und mit ſchwermuͤthigen Schluͤßen an. Wenn er das ausnahm, daß Zeufel ſich jedem Edelmann zum Mieththier vorſtreckte, bis ihn dieſer zuruͤckpruͤgelte, wie man in Paris Schoo߬ hunde zum Spazierengehen miethen kann: ſo hatt' er gegen deſſen Eitelkeit, da ſie zumal in andern Faͤllen gutmuͤthig, freygebig und oft gar witzig war, wenig einzuwenden. Niemand ertrug Eitelkeit und Stolz liebreicher als er: »was hat denn der Menſch »davon, ſagt' er viel zu lebhaft, wenn er kein Narr »iſt oder wo ſoll er denn aufhoͤren, demuͤthig zu »ſeyn? Entweder zu gut oder gar nichts muͤſſen wir »von uns denken.» Viktor ſtattete alſo bei ſeinem Hausherrn zu¬ gleich einen freundſchaftlichen und einen medizini¬ ſchen Beſuch mit ſeiner theilnehmenden Seele ab. Dieſe Geſinnung grif herrlich in den Plan des Apo¬ thekers ein, den Doktor anzuwerben, damit er gegen Mazen diene. »Dazu brauche ich nichts (ſagte Zeu¬ »ſel zu Zeuſel) als daß ich ihn die Intriguen, die »das Schleunesſche Haus gegen ihn ſpielet, ſehen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/304>, abgerufen am 19.05.2024.