Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

nes Stürmen aus allen Kompaß-Ecken sich mit ei¬
ner dauerhaften Windstille beschließen. Ein ewiges
Gleichgewicht von Europa setzt ein Gleichgewicht der
vier übrigen Welttheile voraus, welches man auch,
kleine Litrationen abgerechnet, unserer Kugel verspre¬
chen kann. Man wird künftig eben so wenig einen
Wilden als eine Insel entdecken. Ein Volk muß
das andere aus seinen Tölpeljahren ziehen. Die
gleichere Kultur wird die Kommerzientraktate mit
gleichern Vortheilen abschließen. Die längsten Re¬
genmonate der Menschheit -- die, in die Völkerver¬
pflanzungen allzeit fielen, so wie man Blumen allzeit
an trüben Tagen versetzt -- haben ausgewittert.
Noch steht ein Gespenst aus der Mitternacht da,
das weit in die Zeiten des Lichts herein reicht --
Der Krieg. Aber den Wappen-Adlern wachsen
Krallen und Schnabel so lange, bis sie sich, wie
Eberhauer, krümmen und sich selber unbrauchbar ma¬
chen. Wie man vom Vesuv berechnete, daß er nur
zu 43 Entzündungen noch Stof verschließe: so könnte
man auch die künftigen Kriege zählen. Dieses lange
Gewitter, das schon seit sechs Jahrtausenden über
unserer Kugel steht, stürmt fort bis Wolken und
Erde einander mit einem gleichen Maaß von Blitz¬
materie vollgeschlagen haben.

Alle Völker werden nur in gemeinschaftli¬
cher
Aufbrausung hell; und der Niederschlag ist

nes Stuͤrmen aus allen Kompaß-Ecken ſich mit ei¬
ner dauerhaften Windſtille beſchließen. Ein ewiges
Gleichgewicht von Europa ſetzt ein Gleichgewicht der
vier uͤbrigen Welttheile voraus, welches man auch,
kleine Litrationen abgerechnet, unſerer Kugel verſpre¬
chen kann. Man wird kuͤnftig eben ſo wenig einen
Wilden als eine Inſel entdecken. Ein Volk muß
das andere aus ſeinen Toͤlpeljahren ziehen. Die
gleichere Kultur wird die Kommerzientraktate mit
gleichern Vortheilen abſchließen. Die laͤngſten Re¬
genmonate der Menſchheit — die, in die Voͤlkerver¬
pflanzungen allzeit fielen, ſo wie man Blumen allzeit
an truͤben Tagen verſetzt — haben ausgewittert.
Noch ſteht ein Geſpenſt aus der Mitternacht da,
das weit in die Zeiten des Lichts herein reicht —
Der Krieg. Aber den Wappen-Adlern wachſen
Krallen und Schnabel ſo lange, bis ſie ſich, wie
Eberhauer, kruͤmmen und ſich ſelber unbrauchbar ma¬
chen. Wie man vom Veſuv berechnete, daß er nur
zu 43 Entzuͤndungen noch Stof verſchließe: ſo koͤnnte
man auch die kuͤnftigen Kriege zaͤhlen. Dieſes lange
Gewitter, das ſchon ſeit ſechs Jahrtauſenden uͤber
unſerer Kugel ſteht, ſtuͤrmt fort bis Wolken und
Erde einander mit einem gleichen Maaß von Blitz¬
materie vollgeſchlagen haben.

Alle Voͤlker werden nur in gemeinſchaftli¬
cher
Aufbrauſung hell; und der Niederſchlag iſt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0255" n="245"/>
nes Stu&#x0364;rmen aus allen Kompaß-Ecken &#x017F;ich mit ei¬<lb/>
ner dauerhaften Wind&#x017F;tille be&#x017F;chließen. Ein ewiges<lb/>
Gleichgewicht von Europa &#x017F;etzt ein Gleichgewicht der<lb/>
vier u&#x0364;brigen Welttheile voraus, welches man auch,<lb/>
kleine Litrationen abgerechnet, un&#x017F;erer Kugel ver&#x017F;pre¬<lb/>
chen kann. Man wird ku&#x0364;nftig eben &#x017F;o wenig einen<lb/>
Wilden als eine In&#x017F;el entdecken. Ein Volk muß<lb/>
das andere aus &#x017F;einen To&#x0364;lpeljahren ziehen. Die<lb/>
gleichere Kultur wird die Kommerzientraktate mit<lb/>
gleichern Vortheilen ab&#x017F;chließen. Die la&#x0364;ng&#x017F;ten Re¬<lb/>
genmonate der Men&#x017F;chheit &#x2014; die, in die Vo&#x0364;lkerver¬<lb/>
pflanzungen allzeit fielen, &#x017F;o wie man Blumen allzeit<lb/>
an tru&#x0364;ben Tagen ver&#x017F;etzt &#x2014; haben ausgewittert.<lb/>
Noch &#x017F;teht ein Ge&#x017F;pen&#x017F;t aus der Mitternacht da,<lb/>
das weit in die Zeiten des Lichts herein reicht &#x2014;<lb/>
Der Krieg. Aber den Wappen-Adlern wach&#x017F;en<lb/>
Krallen und Schnabel &#x017F;o lange, bis &#x017F;ie &#x017F;ich, wie<lb/>
Eberhauer, kru&#x0364;mmen und &#x017F;ich &#x017F;elber unbrauchbar ma¬<lb/>
chen. Wie man vom Ve&#x017F;uv berechnete, daß er nur<lb/>
zu 43 Entzu&#x0364;ndungen noch Stof ver&#x017F;chließe: &#x017F;o ko&#x0364;nnte<lb/>
man auch die ku&#x0364;nftigen Kriege za&#x0364;hlen. Die&#x017F;es lange<lb/>
Gewitter, das &#x017F;chon &#x017F;eit &#x017F;echs Jahrtau&#x017F;enden u&#x0364;ber<lb/>
un&#x017F;erer Kugel &#x017F;teht, &#x017F;tu&#x0364;rmt fort bis Wolken und<lb/>
Erde einander mit einem <hi rendition="#g">gleichen</hi> Maaß von Blitz¬<lb/>
materie vollge&#x017F;chlagen haben.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Alle</hi> Vo&#x0364;lker werden nur in <hi rendition="#g">gemein&#x017F;chaftli¬<lb/>
cher</hi> Aufbrau&#x017F;ung hell; und der Nieder&#x017F;chlag i&#x017F;t<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0255] nes Stuͤrmen aus allen Kompaß-Ecken ſich mit ei¬ ner dauerhaften Windſtille beſchließen. Ein ewiges Gleichgewicht von Europa ſetzt ein Gleichgewicht der vier uͤbrigen Welttheile voraus, welches man auch, kleine Litrationen abgerechnet, unſerer Kugel verſpre¬ chen kann. Man wird kuͤnftig eben ſo wenig einen Wilden als eine Inſel entdecken. Ein Volk muß das andere aus ſeinen Toͤlpeljahren ziehen. Die gleichere Kultur wird die Kommerzientraktate mit gleichern Vortheilen abſchließen. Die laͤngſten Re¬ genmonate der Menſchheit — die, in die Voͤlkerver¬ pflanzungen allzeit fielen, ſo wie man Blumen allzeit an truͤben Tagen verſetzt — haben ausgewittert. Noch ſteht ein Geſpenſt aus der Mitternacht da, das weit in die Zeiten des Lichts herein reicht — Der Krieg. Aber den Wappen-Adlern wachſen Krallen und Schnabel ſo lange, bis ſie ſich, wie Eberhauer, kruͤmmen und ſich ſelber unbrauchbar ma¬ chen. Wie man vom Veſuv berechnete, daß er nur zu 43 Entzuͤndungen noch Stof verſchließe: ſo koͤnnte man auch die kuͤnftigen Kriege zaͤhlen. Dieſes lange Gewitter, das ſchon ſeit ſechs Jahrtauſenden uͤber unſerer Kugel ſteht, ſtuͤrmt fort bis Wolken und Erde einander mit einem gleichen Maaß von Blitz¬ materie vollgeſchlagen haben. Alle Voͤlker werden nur in gemeinſchaftli¬ cher Aufbrauſung hell; und der Niederſchlag iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/255
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/255>, abgerufen am 24.11.2024.