Herren von Hofe nach verschiedenen verdorbnen Ver¬ suchen sich die mit so vieler Schönheit unverträgliche Tugend zu erklären, bald aus Temperament bald aus verhehlter Liebe, bald aus einer koketten Prüderie, die sich wie das Wasser bei St. Clermont endlich zur eignen Brücke über sich selber versteinert, daß diese listigen Herren recht glücklich auf die Ver¬ muthung verfielen, Klotilde nehme diese Maske als eine Kopie des Gesichts der Fürstin vor ihres, um in der Gunst zu bleiben. Daher wurde Klotildens züchtige Tugend von den meisten mit wahrer Scho¬ nung beurtheilt, indem man sie als eine absichtliche Nachahmung des ähnlichen Fehlers der Fürstin schon entschuldigen konnte durch das Beispiel ähnli¬ cher Nachahmungen -- da Hofleute oft die größten äußern Naturfehler, ja die Tugenden eines Regen¬ ten nachäften. -- So dachte wenigstens der billigere Theil des Hofes.
Agnola war unserem Helden einen immer größern Dank für die Visiten Jenners zu zeigen beflissen, ob sie gleich, denk' ich, die untreue Absicht des Für¬ sten in der Gegenwart Klotildens eben so gut ent¬ decken konnte als sie zuweilen in Viktors Seele bei der Gegenwart Joachimens blicken mochte. . . . Ue¬ berhaupt hätt' ich den Leser längst bitten sollen, auf¬ zupassen: ich trage die Sachen mit erlaubter Dumm¬ heit vor, obwohl mit historischer Treue; sind nun
feine,
Herren von Hofe nach verſchiedenen verdorbnen Ver¬ ſuchen ſich die mit ſo vieler Schoͤnheit unvertraͤgliche Tugend zu erklaͤren, bald aus Temperament bald aus verhehlter Liebe, bald aus einer koketten Pruͤderie, die ſich wie das Waſſer bei St. Clermont endlich zur eignen Bruͤcke uͤber ſich ſelber verſteinert, daß dieſe liſtigen Herren recht gluͤcklich auf die Ver¬ muthung verfielen, Klotilde nehme dieſe Maske als eine Kopie des Geſichts der Fuͤrſtin vor ihres, um in der Gunſt zu bleiben. Daher wurde Klotildens zuͤchtige Tugend von den meiſten mit wahrer Scho¬ nung beurtheilt, indem man ſie als eine abſichtliche Nachahmung des aͤhnlichen Fehlers der Fuͤrſtin ſchon entſchuldigen konnte durch das Beiſpiel aͤhnli¬ cher Nachahmungen — da Hofleute oft die groͤßten aͤußern Naturfehler, ja die Tugenden eines Regen¬ ten nachaͤften. — So dachte wenigſtens der billigere Theil des Hofes.
Agnola war unſerem Helden einen immer groͤßern Dank fuͤr die Viſiten Jenners zu zeigen befliſſen, ob ſie gleich, denk' ich, die untreue Abſicht des Fuͤr¬ ſten in der Gegenwart Klotildens eben ſo gut ent¬ decken konnte als ſie zuweilen in Viktors Seele bei der Gegenwart Joachimens blicken mochte. . . . Ue¬ berhaupt haͤtt' ich den Leſer laͤngſt bitten ſollen, auf¬ zupaſſen: ich trage die Sachen mit erlaubter Dumm¬ heit vor, obwohl mit hiſtoriſcher Treue; ſind nun
feine,
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Herren von Hofe nach verſchiedenen verdorbnen Ver¬
ſuchen ſich die mit ſo vieler Schoͤnheit unvertraͤgliche
Tugend zu erklaͤren, bald aus Temperament bald aus
verhehlter Liebe, bald aus einer koketten Pruͤderie,
die ſich wie das Waſſer bei St. Clermont endlich
zur eignen Bruͤcke uͤber ſich ſelber verſteinert,
daß dieſe liſtigen Herren recht gluͤcklich auf die Ver¬
muthung verfielen, Klotilde nehme dieſe Maske als
eine Kopie des Geſichts der Fuͤrſtin vor ihres, um
in der Gunſt zu bleiben. Daher wurde Klotildens
zuͤchtige Tugend von den meiſten mit wahrer Scho¬
nung beurtheilt, indem man ſie als eine abſichtliche
Nachahmung des aͤhnlichen Fehlers der Fuͤrſtin
ſchon entſchuldigen konnte durch das Beiſpiel aͤhnli¬
cher Nachahmungen — da Hofleute oft die groͤßten
aͤußern Naturfehler, ja die Tugenden eines Regen¬
ten nachaͤften. — So dachte wenigſtens der billigere
Theil des Hofes.
Agnola war unſerem Helden einen immer groͤßern
Dank fuͤr die Viſiten Jenners zu zeigen befliſſen,
ob ſie gleich, denk' ich, die untreue Abſicht des Fuͤr¬
ſten in der Gegenwart Klotildens eben ſo gut ent¬
decken konnte als ſie zuweilen in Viktors Seele bei
der Gegenwart Joachimens blicken mochte. . . . Ue¬
berhaupt haͤtt' ich den Leſer laͤngſt bitten ſollen, auf¬
zupaſſen: ich trage die Sachen mit erlaubter Dumm¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/218>, abgerufen am 16.02.2025.
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