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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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Dieses rührte den Eifersüchtigen, der heute über¬
haupt (wegen einer sogleich kommenden Ursache) ge¬
lassener war. "Sieh (sagte er,) ich glaube dir alle¬
"mal: sag' es, thust du nie etwas gegen mich?" --
"Nie, nie, mein Lieber!" -- "Jetzt verzeih meiner
"Hitze; aber thue dem Matthieu nicht Unrecht: er
"ists vielmehr, der mich beruhigte. Er sagte mir
"es zwar, was Klotildens Eltern zu merken geglaubt,
"ja noch mehr -- sieh ich sage dir alles -- sie hät¬
"ten sogar wegen deiner vorgeblichen Neigung und
"wegen deines jetzigen Einflusses, den der Kammer¬
"herr gern zu seiner Wiedererhebung benützen möchte,
"von einer möglichen Verbindung mit der Tochter
"gesprochen, auch gegen diese und sie ausgeforscht;
"aber (dir ists doch gleichgültig) meine Geliebte
"blieb mir treu und sagte Nein." --

Nun war unserem Freund das vorher so glückliche
Herz gebrochen; dieses harte Nein war bisher noch
nicht gegen ihn ausgesprochen worden -- mit einer
unaussprechlichen, niederdrückenden aber stillen Weh¬
muth sagt' er leise zu Flamin: "bleib du mir auch
"treu -- denn ich habe ja wenig und quäle mich nie
"mehr so wie heute." Er konnte nicht mehr reden;
die erstickten Thränen stürmten fluthend an sein Herz
hinan und wollten jede Minute durch die Augen
brechen -- er mußte jetzt einen stillen dunkeln Ort
haben, wo er sich recht ausweinen konnte und in

Dieſes ruͤhrte den Eiferſuͤchtigen, der heute uͤber¬
haupt (wegen einer ſogleich kommenden Urſache) ge¬
laſſener war. »Sieh (ſagte er,) ich glaube dir alle¬
»mal: ſag' es, thuſt du nie etwas gegen mich?« —
»Nie, nie, mein Lieber!« — »Jetzt verzeih meiner
»Hitze; aber thue dem Matthieu nicht Unrecht: er
»iſts vielmehr, der mich beruhigte. Er ſagte mir
»es zwar, was Klotildens Eltern zu merken geglaubt,
»ja noch mehr — ſieh ich ſage dir alles — ſie haͤt¬
»ten ſogar wegen deiner vorgeblichen Neigung und
»wegen deines jetzigen Einfluſſes, den der Kammer¬
»herr gern zu ſeiner Wiedererhebung benuͤtzen moͤchte,
»von einer moͤglichen Verbindung mit der Tochter
»geſprochen, auch gegen dieſe und ſie ausgeforſcht;
»aber (dir iſts doch gleichguͤltig) meine Geliebte
»blieb mir treu und ſagte Nein.« —

Nun war unſerem Freund das vorher ſo gluͤckliche
Herz gebrochen; dieſes harte Nein war bisher noch
nicht gegen ihn ausgeſprochen worden — mit einer
unausſprechlichen, niederdruͤckenden aber ſtillen Weh¬
muth ſagt' er leiſe zu Flamin: »bleib du mir auch
»treu — denn ich habe ja wenig und quaͤle mich nie
»mehr ſo wie heute.« Er konnte nicht mehr reden;
die erſtickten Thraͤnen ſtuͤrmten fluthend an ſein Herz
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brechen — er mußte jetzt einen ſtillen dunkeln Ort
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[91/0101] Dieſes ruͤhrte den Eiferſuͤchtigen, der heute uͤber¬ haupt (wegen einer ſogleich kommenden Urſache) ge¬ laſſener war. »Sieh (ſagte er,) ich glaube dir alle¬ »mal: ſag' es, thuſt du nie etwas gegen mich?« — »Nie, nie, mein Lieber!« — »Jetzt verzeih meiner »Hitze; aber thue dem Matthieu nicht Unrecht: er »iſts vielmehr, der mich beruhigte. Er ſagte mir »es zwar, was Klotildens Eltern zu merken geglaubt, »ja noch mehr — ſieh ich ſage dir alles — ſie haͤt¬ »ten ſogar wegen deiner vorgeblichen Neigung und »wegen deines jetzigen Einfluſſes, den der Kammer¬ »herr gern zu ſeiner Wiedererhebung benuͤtzen moͤchte, »von einer moͤglichen Verbindung mit der Tochter »geſprochen, auch gegen dieſe und ſie ausgeforſcht; »aber (dir iſts doch gleichguͤltig) meine Geliebte »blieb mir treu und ſagte Nein.« — Nun war unſerem Freund das vorher ſo gluͤckliche Herz gebrochen; dieſes harte Nein war bisher noch nicht gegen ihn ausgeſprochen worden — mit einer unausſprechlichen, niederdruͤckenden aber ſtillen Weh¬ muth ſagt' er leiſe zu Flamin: »bleib du mir auch »treu — denn ich habe ja wenig und quaͤle mich nie »mehr ſo wie heute.« Er konnte nicht mehr reden; die erſtickten Thraͤnen ſtuͤrmten fluthend an ſein Herz hinan und wollten jede Minute durch die Augen brechen — er mußte jetzt einen ſtillen dunkeln Ort haben, wo er ſich recht ausweinen konnte und in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/101>, abgerufen am 05.05.2024.