oder lesen gar alles vor -- er lässet sich von nichts stören sondern der Schweizer oder die Kinder müssen sagen, Papa ist aus -- da das Leben an einem Fuß einen Kothurn und am andern einen Sockus trägt: so ists ihm lieb, daß eine Lebensbeschreibung auch in Einem Athem lacht und weint -- und da die Bel¬ letristen immer mit dem Moralischen ihrer Schriften, das nützt, etwas Unmoralisches, das vergiftet, aber reitzt, zu verbinden wissen, gleich den Apothekern, die zugleich Arzneien und Aquavit verzapfen: so vergiebt er mir gern für das Unmoralische, das vorsticht, das Religiöse, das ich etwa habe und um¬ gekehrt -- und da diese Biographie in Musik gesetzt wird, weil Ramler sie vorher in Hexameter setzt (welches sie auch mehr bedarf als der harmonische Gesner;) so kann er, wenn er sie gelesen hat, auf¬ stehen und sie auch spielen oder singen. . . . Auch ich bin fast eben so glücklich als läs' ich das Werk -- der indische Ozean schlägt die Pfauenräder seiner beleuchteten Wellenkreise vor meiner Insel -- mit allem steh' ich auf dem besten Fuße, mit dem Leser, mit dem Rezensenten und mit dem Hund -- alles ist schon zu den Hundsposttagen da, ein Dinten¬ rezept von einem Alchemiker, der Gänsehirt mit Spuhlen war schon gestern da, der Buchbinder mit bunten Schreibbüchern erst heute -- die Natur kno¬ spet, mein Leib blüht, mein Geist trägt -- und so
oder leſen gar alles vor — er laͤſſet ſich von nichts ſtoͤren ſondern der Schweizer oder die Kinder muͤſſen ſagen, Papa iſt aus — da das Leben an einem Fuß einen Kothurn und am andern einen Sockus traͤgt: ſo iſts ihm lieb, daß eine Lebensbeſchreibung auch in Einem Athem lacht und weint — und da die Bel¬ letriſten immer mit dem Moraliſchen ihrer Schriften, das nuͤtzt, etwas Unmoraliſches, das vergiftet, aber reitzt, zu verbinden wiſſen, gleich den Apothekern, die zugleich Arzneien und Aquavit verzapfen: ſo vergiebt er mir gern fuͤr das Unmoraliſche, das vorſticht, das Religioͤſe, das ich etwa habe und um¬ gekehrt — und da dieſe Biographie in Muſik geſetzt wird, weil Ramler ſie vorher in Hexameter ſetzt (welches ſie auch mehr bedarf als der harmoniſche Gesner;) ſo kann er, wenn er ſie geleſen hat, auf¬ ſtehen und ſie auch ſpielen oder ſingen. . . . Auch ich bin faſt eben ſo gluͤcklich als laͤſ' ich das Werk — der indiſche Ozean ſchlaͤgt die Pfauenraͤder ſeiner beleuchteten Wellenkreiſe vor meiner Inſel — mit allem ſteh' ich auf dem beſten Fuße, mit dem Leſer, mit dem Rezenſenten und mit dem Hund — alles iſt ſchon zu den Hundspoſttagen da, ein Dinten¬ rezept von einem Alchemiker, der Gaͤnſehirt mit Spuhlen war ſchon geſtern da, der Buchbinder mit bunten Schreibbuͤchern erſt heute — die Natur kno¬ ſpet, mein Leib bluͤht, mein Geiſt traͤgt — und ſo
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oder leſen gar alles vor — er laͤſſet ſich von nichts
ſtoͤren ſondern der Schweizer oder die Kinder muͤſſen
ſagen, Papa iſt aus — da das Leben an einem Fuß
einen Kothurn und am andern einen Sockus traͤgt:
ſo iſts ihm lieb, daß eine Lebensbeſchreibung auch in
Einem Athem lacht und weint — und da die Bel¬
letriſten immer mit dem Moraliſchen ihrer Schriften,
das nuͤtzt, etwas Unmoraliſches, das vergiftet, aber
reitzt, zu verbinden wiſſen, gleich den Apothekern,
die zugleich Arzneien und Aquavit verzapfen:
ſo vergiebt er mir gern fuͤr das Unmoraliſche, das
vorſticht, das Religioͤſe, das ich etwa habe und um¬
gekehrt — und da dieſe Biographie in Muſik geſetzt
wird, weil Ramler ſie vorher in Hexameter ſetzt
(welches ſie auch mehr bedarf als der harmoniſche
Gesner;) ſo kann er, wenn er ſie geleſen hat, auf¬
ſtehen und ſie auch ſpielen oder ſingen. . . . Auch
ich bin faſt eben ſo gluͤcklich als laͤſ' ich das Werk
— der indiſche Ozean ſchlaͤgt die Pfauenraͤder ſeiner
beleuchteten Wellenkreiſe vor meiner Inſel — mit
allem ſteh' ich auf dem beſten Fuße, mit dem Leſer,
mit dem Rezenſenten und mit dem Hund — alles
iſt ſchon zu den Hundspoſttagen da, ein Dinten¬
rezept von einem Alchemiker, der Gaͤnſehirt mit
Spuhlen war ſchon geſtern da, der Buchbinder mit
bunten Schreibbuͤchern erſt heute — die Natur kno¬
ſpet, mein Leib bluͤht, mein Geiſt traͤgt — und ſo
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/54>, abgerufen am 24.11.2024.
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