Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.fälliger Weise zersprang jetzt das Glas über dem Viktor wurde stiller und trüber; seine enge Brust faͤlliger Weiſe zerſprang jetzt das Glas uͤber dem Viktor wurde ſtiller und truͤber; ſeine enge Bruſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0191" n="180"/> faͤlliger Weiſe zerſprang jetzt das Glas uͤber dem<lb/> ſchoͤnen Angeſicht, und Viktor und der Vater fuhren<lb/> zuſammen. Denn letzterer war wie die meiſten Gro¬<lb/> ßen aus Mangel an Zeit aberglaͤubig und unglaͤubig<lb/> zugleich; und bekanntlich haͤlt der Aberglaube das<lb/> Zerſpringen eines Portraitglaſes fuͤr einen Vorboten<lb/> des Todes des Originals. Der Vater warf ſich<lb/> jetzt aͤngſtlich die Erlaubniß vor, die er Klotilden<lb/> gegeben, ſo lange in Maienthal zu bleiben, da ſie doch<lb/> da ihre Geſundheit in unnuͤtzen jugendlichen Schwaͤr¬<lb/> mereien verderbe. Er meinte ihre Trauer um ihre<lb/> begrabene Giulia; denn ſie war (erzaͤhlte er) bloß<lb/> vor Schmerz uͤber dieſe ohne alles Gepaͤck am 1ten<lb/> Mai hieher geeilet; und ſogar die Kleider der ge¬<lb/> liebten Freundin hatte ſie heute mit unter den ihri¬<lb/> gen geſchickt. Er brach heiter ab; denn Matthieu<lb/> kam, der Bruder dieſer Giulia; er wollte ſich nur<lb/> praͤſentiren und beurlauben, weil er wie mehrere<lb/> von der Stief-Bruͤdergemeine des Hofs der Prin¬<lb/> zeſſin entgegen reiſete.</p><lb/> <p>Viktor wurde ſtiller und truͤber; ſeine enge Bruſt<lb/> quoll ihm auf einmal voll unſichtbarer Thraͤnen, de¬<lb/> ren Quelle er an ſeinem Herzen nicht finden konnte.<lb/> Und als man noch dazu durch Klodildens ſtilles leeres<lb/> Zimmer ging, wo Ordnung und Einfachheit an die<lb/> ſchoͤne Seele der Beſitzerin zu ſtark erinnerten: ſo<lb/> fiel ſein ploͤtzliches geruͤhrtes Verſtummen auch an¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0191]
faͤlliger Weiſe zerſprang jetzt das Glas uͤber dem
ſchoͤnen Angeſicht, und Viktor und der Vater fuhren
zuſammen. Denn letzterer war wie die meiſten Gro¬
ßen aus Mangel an Zeit aberglaͤubig und unglaͤubig
zugleich; und bekanntlich haͤlt der Aberglaube das
Zerſpringen eines Portraitglaſes fuͤr einen Vorboten
des Todes des Originals. Der Vater warf ſich
jetzt aͤngſtlich die Erlaubniß vor, die er Klotilden
gegeben, ſo lange in Maienthal zu bleiben, da ſie doch
da ihre Geſundheit in unnuͤtzen jugendlichen Schwaͤr¬
mereien verderbe. Er meinte ihre Trauer um ihre
begrabene Giulia; denn ſie war (erzaͤhlte er) bloß
vor Schmerz uͤber dieſe ohne alles Gepaͤck am 1ten
Mai hieher geeilet; und ſogar die Kleider der ge¬
liebten Freundin hatte ſie heute mit unter den ihri¬
gen geſchickt. Er brach heiter ab; denn Matthieu
kam, der Bruder dieſer Giulia; er wollte ſich nur
praͤſentiren und beurlauben, weil er wie mehrere
von der Stief-Bruͤdergemeine des Hofs der Prin¬
zeſſin entgegen reiſete.
Viktor wurde ſtiller und truͤber; ſeine enge Bruſt
quoll ihm auf einmal voll unſichtbarer Thraͤnen, de¬
ren Quelle er an ſeinem Herzen nicht finden konnte.
Und als man noch dazu durch Klodildens ſtilles leeres
Zimmer ging, wo Ordnung und Einfachheit an die
ſchoͤne Seele der Beſitzerin zu ſtark erinnerten: ſo
fiel ſein ploͤtzliches geruͤhrtes Verſtummen auch an¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/191 |
Zitationshilfe: | Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/191>, abgerufen am 22.07.2024. |