Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

den, wer von uns beiden wahren Du's der wahre
und haltbarste ist.

Hier versetzte er sich und dem Notar zugleich
einen derben Schlag und erwachte davon; erst,
nachdem er wie verdutzt sich von Walten lange
auseinandersetzen lassen, wo und was er sei, wur¬
de er dahin gebracht, sich angekleidet aufs Bett zu
werfen. Indem beide einander eine Zeit lang be¬
wachten, fielen beide in einen wahren Schlaf.

Jetzt weckte ihn Walt, der noch traumtrunken
und in berauschter Vergessenheit der vorigen Sze¬
nen ihm aus dem Bette folgenden Traum aufdrang:

Ich weiß kaum recht, wie oder wo der Traum
eigentlich anging, wie ein Chaos wollte die un¬
sichtbare Welt auf einmal alles gebären, eine
Gestalt keimte auf der andern, aus Blumen wuch¬
sen Bäume, daraus Wolkensäulen, aus welchen
oben Gesichter und Blumen brachen. Dann sah
ich ein weites leeres Meer, auf ihm schwamm
blos das kleine graue fleckige Welt-Ei, und zuck¬
te stark. Es wurde mir im Traum alles genannt,
ich weiß aber nicht von wem. Dann fuhr ein
Strom mit der Leiche der Venus durchs Meer;

den, wer von uns beiden wahren Du's der wahre
und haltbarſte iſt.

Hier verſetzte er ſich und dem Notar zugleich
einen derben Schlag und erwachte davon; erſt,
nachdem er wie verdutzt ſich von Walten lange
auseinanderſetzen laſſen, wo und was er ſei, wur¬
de er dahin gebracht, ſich angekleidet aufs Bett zu
werfen. Indem beide einander eine Zeit lang be¬
wachten, fielen beide in einen wahren Schlaf.

Jetzt weckte ihn Walt, der noch traumtrunken
und in berauſchter Vergeſſenheit der vorigen Sze¬
nen ihm aus dem Bette folgenden Traum aufdrang:

Ich weiß kaum recht, wie oder wo der Traum
eigentlich anging, wie ein Chaos wollte die un¬
ſichtbare Welt auf einmal alles gebaͤren, eine
Geſtalt keimte auf der andern, aus Blumen wuch¬
ſen Baͤume, daraus Wolkenſaͤulen, aus welchen
oben Geſichter und Blumen brachen. Dann ſah
ich ein weites leeres Meer, auf ihm ſchwamm
blos das kleine graue fleckige Welt-Ei, und zuck¬
te ſtark. Es wurde mir im Traum alles genannt,
ich weiß aber nicht von wem. Dann fuhr ein
Strom mit der Leiche der Venus durchs Meer;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0308" n="302"/>
den, wer von uns beiden wahren Du's der wahre<lb/>
und haltbar&#x017F;te i&#x017F;t.</p><lb/>
        <p>Hier ver&#x017F;etzte er &#x017F;ich und dem Notar zugleich<lb/>
einen derben Schlag und erwachte davon; er&#x017F;t,<lb/>
nachdem er wie verdutzt &#x017F;ich von Walten lange<lb/>
auseinander&#x017F;etzen la&#x017F;&#x017F;en, wo und was er &#x017F;ei, wur¬<lb/>
de er dahin gebracht, &#x017F;ich angekleidet aufs Bett zu<lb/>
werfen. Indem beide einander eine Zeit lang be¬<lb/>
wachten, fielen beide in einen wahren Schlaf.</p><lb/>
        <p>Jetzt weckte ihn Walt, der noch traumtrunken<lb/>
und in berau&#x017F;chter Verge&#x017F;&#x017F;enheit der vorigen Sze¬<lb/>
nen ihm aus dem Bette folgenden Traum aufdrang:</p><lb/>
        <p>Ich weiß kaum recht, wie oder wo der Traum<lb/>
eigentlich anging, wie ein Chaos wollte die un¬<lb/>
&#x017F;ichtbare Welt auf einmal alles geba&#x0364;ren, eine<lb/>
Ge&#x017F;talt keimte auf der andern, aus Blumen wuch¬<lb/>
&#x017F;en Ba&#x0364;ume, daraus Wolken&#x017F;a&#x0364;ulen, aus welchen<lb/>
oben Ge&#x017F;ichter und Blumen brachen. Dann &#x017F;ah<lb/>
ich ein weites leeres Meer, auf ihm &#x017F;chwamm<lb/>
blos das kleine graue fleckige Welt-Ei, und zuck¬<lb/>
te &#x017F;tark. Es wurde mir im Traum alles genannt,<lb/>
ich weiß aber nicht von wem. Dann fuhr ein<lb/>
Strom mit der Leiche der Venus durchs Meer;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0308] den, wer von uns beiden wahren Du's der wahre und haltbarſte iſt. Hier verſetzte er ſich und dem Notar zugleich einen derben Schlag und erwachte davon; erſt, nachdem er wie verdutzt ſich von Walten lange auseinanderſetzen laſſen, wo und was er ſei, wur¬ de er dahin gebracht, ſich angekleidet aufs Bett zu werfen. Indem beide einander eine Zeit lang be¬ wachten, fielen beide in einen wahren Schlaf. Jetzt weckte ihn Walt, der noch traumtrunken und in berauſchter Vergeſſenheit der vorigen Sze¬ nen ihm aus dem Bette folgenden Traum aufdrang: Ich weiß kaum recht, wie oder wo der Traum eigentlich anging, wie ein Chaos wollte die un¬ ſichtbare Welt auf einmal alles gebaͤren, eine Geſtalt keimte auf der andern, aus Blumen wuch¬ ſen Baͤume, daraus Wolkenſaͤulen, aus welchen oben Geſichter und Blumen brachen. Dann ſah ich ein weites leeres Meer, auf ihm ſchwamm blos das kleine graue fleckige Welt-Ei, und zuck¬ te ſtark. Es wurde mir im Traum alles genannt, ich weiß aber nicht von wem. Dann fuhr ein Strom mit der Leiche der Venus durchs Meer;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/308
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/308>, abgerufen am 24.11.2024.