Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

leidigt und geblendet. Ich vergaß leider bald dich
und die Bitte über dem herrlichen süßen Wein,
den ich trank. Auf dem Lande hat man zu wenig
Erfahrung der vornehmern Welt und bewundert
ein Glas Wein. Der Pfarrer ließ mich Entzück¬
ten durch ein Prisma schauen und gleichsam jedes
einzelne Stück Welt mit einer Aurora und Iris
umziehen. Ich bildete mir oft ein, ich könnte
wohl, da ich so viel Gefühl für Mahlerei, sogar
für Farben an Schachteln, Zwickeln, Zwickelstei¬
nen zeigte, fast mehr zum Mahler taugen als ich
dächte. Da ich meinen Vater tief unten an der
Tafel sitzen sah, dacht' ich mir das Vergnügen,
ihn einst sehr auszuzeichnen, falls ich etwas
würde."

"Es ist auffallend, wie oft auch ich schon
seit Jahren geschworen, mich meiner Herkunft zu
entsinnen, wenn ich im Publikum bedeutend in
die Höhe und Dicke wüchse, und mich weder dei¬
ner! noch der Eltern zu schämen. Man kann fast
nicht früh genug anfangen, sich bescheiden zu ge¬
wöhnen, weil man nicht weiß, wie unendlich viel
man noch wird am Ende. -- Liebe für Farben,

leidigt und geblendet. Ich vergaß leider bald dich
und die Bitte uͤber dem herrlichen ſuͤßen Wein,
den ich trank. Auf dem Lande hat man zu wenig
Erfahrung der vornehmern Welt und bewundert
ein Glas Wein. Der Pfarrer ließ mich Entzuͤck¬
ten durch ein Priſma ſchauen und gleichſam jedes
einzelne Stuͤck Welt mit einer Aurora und Iris
umziehen. Ich bildete mir oft ein, ich koͤnnte
wohl, da ich ſo viel Gefuͤhl fuͤr Mahlerei, ſogar
fuͤr Farben an Schachteln, Zwickeln, Zwickelſtei¬
nen zeigte, faſt mehr zum Mahler taugen als ich
daͤchte. Da ich meinen Vater tief unten an der
Tafel ſitzen ſah, dacht' ich mir das Vergnuͤgen,
ihn einſt ſehr auszuzeichnen, falls ich etwas
wuͤrde.“

„Es iſt auffallend, wie oft auch ich ſchon
ſeit Jahren geſchworen, mich meiner Herkunft zu
entſinnen, wenn ich im Publikum bedeutend in
die Hoͤhe und Dicke wuͤchſe, und mich weder dei¬
ner! noch der Eltern zu ſchaͤmen. Man kann faſt
nicht fruͤh genug anfangen, ſich beſcheiden zu ge¬
woͤhnen, weil man nicht weiß, wie unendlich viel
man noch wird am Ende. — Liebe fuͤr Farben,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0193" n="187"/>
leidigt und geblendet. Ich vergaß leider bald dich<lb/>
und die Bitte u&#x0364;ber dem herrlichen &#x017F;u&#x0364;ßen Wein,<lb/>
den ich trank. Auf dem Lande hat man zu wenig<lb/>
Erfahrung der vornehmern Welt und bewundert<lb/>
ein Glas Wein. Der Pfarrer ließ mich Entzu&#x0364;ck¬<lb/>
ten durch ein Pri&#x017F;ma &#x017F;chauen und gleich&#x017F;am jedes<lb/>
einzelne Stu&#x0364;ck Welt mit einer Aurora und Iris<lb/>
umziehen. Ich bildete mir oft ein, ich ko&#x0364;nnte<lb/>
wohl, da ich &#x017F;o viel Gefu&#x0364;hl fu&#x0364;r Mahlerei, &#x017F;ogar<lb/>
fu&#x0364;r Farben an Schachteln, Zwickeln, Zwickel&#x017F;tei¬<lb/>
nen zeigte, fa&#x017F;t mehr zum Mahler taugen als ich<lb/>
da&#x0364;chte. Da ich meinen Vater tief unten an der<lb/>
Tafel &#x017F;itzen &#x017F;ah, dacht' ich mir das Vergnu&#x0364;gen,<lb/>
ihn ein&#x017F;t &#x017F;ehr auszuzeichnen, falls ich etwas<lb/>
wu&#x0364;rde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t auffallend, wie oft auch ich &#x017F;chon<lb/>
&#x017F;eit Jahren ge&#x017F;chworen, mich meiner Herkunft zu<lb/>
ent&#x017F;innen, wenn ich im Publikum bedeutend in<lb/>
die Ho&#x0364;he und Dicke wu&#x0364;ch&#x017F;e, und mich weder dei¬<lb/>
ner! noch der Eltern zu &#x017F;cha&#x0364;men. Man kann fa&#x017F;t<lb/>
nicht fru&#x0364;h genug anfangen, &#x017F;ich be&#x017F;cheiden zu ge¬<lb/>
wo&#x0364;hnen, weil man nicht weiß, wie unendlich viel<lb/>
man noch wird am Ende. &#x2014; Liebe fu&#x0364;r Farben,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0193] leidigt und geblendet. Ich vergaß leider bald dich und die Bitte uͤber dem herrlichen ſuͤßen Wein, den ich trank. Auf dem Lande hat man zu wenig Erfahrung der vornehmern Welt und bewundert ein Glas Wein. Der Pfarrer ließ mich Entzuͤck¬ ten durch ein Priſma ſchauen und gleichſam jedes einzelne Stuͤck Welt mit einer Aurora und Iris umziehen. Ich bildete mir oft ein, ich koͤnnte wohl, da ich ſo viel Gefuͤhl fuͤr Mahlerei, ſogar fuͤr Farben an Schachteln, Zwickeln, Zwickelſtei¬ nen zeigte, faſt mehr zum Mahler taugen als ich daͤchte. Da ich meinen Vater tief unten an der Tafel ſitzen ſah, dacht' ich mir das Vergnuͤgen, ihn einſt ſehr auszuzeichnen, falls ich etwas wuͤrde.“ „Es iſt auffallend, wie oft auch ich ſchon ſeit Jahren geſchworen, mich meiner Herkunft zu entſinnen, wenn ich im Publikum bedeutend in die Hoͤhe und Dicke wuͤchſe, und mich weder dei¬ ner! noch der Eltern zu ſchaͤmen. Man kann faſt nicht fruͤh genug anfangen, ſich beſcheiden zu ge¬ woͤhnen, weil man nicht weiß, wie unendlich viel man noch wird am Ende. — Liebe fuͤr Farben,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/193
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/193>, abgerufen am 23.11.2024.