Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr Leibliches begehre, du guter Gott, so er¬
kenne ich deine Güte nicht, die mir ja in Einem
fort mit stillsten Freuden wie mit tiefen Quellen
die Seele überfüllt."

Im durchsichtigen Netze seiner Phantasie
fing sich jeder vorüberschießende Freuden-Zwei¬
falter -- dazu gehörte sogar ein erwachender gel¬
ber Schmetterling im Gartenhaus -- jeder Stern,
der stark funkelte -- italienische Blumen, deren
deutschen Treibscherben zwischen Schauls er auf
der Gasse aufgestoßen -- eine bekränzte, zwischen
Andacht und Putz glühende Braut -- ein schönes
Kind -- ein Kanarienvogel in der Webergasse,
der mitten im deutschen Winter in Kanarieninseln
und in Sommergärten hinüber schauen ließ --
und alles.

Flog Flora, die Bettmeisterin, mit hellen
Gesängen die Treppen herauf, so hörte er erste
Sängerinnen für seinen Theil. --

Einst an einem Markttage hatt' er halb Ita¬
lien mit einem ganzen Frühling um sich. Der
Tag schien dazu erlesen zu seyn. Es war ein
sehr kalter und heller Winternachmittag, worin

Mücken

mehr Leibliches begehre, du guter Gott, ſo er¬
kenne ich deine Guͤte nicht, die mir ja in Einem
fort mit ſtillſten Freuden wie mit tiefen Quellen
die Seele uͤberfuͤllt.”

Im durchſichtigen Netze ſeiner Phantaſie
fing ſich jeder voruͤberſchießende Freuden-Zwei¬
falter — dazu gehoͤrte ſogar ein erwachender gel¬
ber Schmetterling im Gartenhaus — jeder Stern,
der ſtark funkelte — italieniſche Blumen, deren
deutſchen Treibſcherben zwiſchen Schauls er auf
der Gaſſe aufgeſtoßen — eine bekraͤnzte, zwiſchen
Andacht und Putz gluͤhende Braut — ein ſchoͤnes
Kind — ein Kanarienvogel in der Webergaſſe,
der mitten im deutſchen Winter in Kanarieninſeln
und in Sommergaͤrten hinuͤber ſchauen ließ —
und alles.

Flog Flora, die Bettmeiſterin, mit hellen
Geſaͤngen die Treppen herauf, ſo hoͤrte er erſte
Saͤngerinnen fuͤr ſeinen Theil. —

Einſt an einem Markttage hatt' er halb Ita¬
lien mit einem ganzen Fruͤhling um ſich. Der
Tag ſchien dazu erleſen zu ſeyn. Es war ein
ſehr kalter und heller Winternachmittag, worin

Muͤcken
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0166" n="160"/>
mehr Leibliches begehre, du guter Gott, &#x017F;o er¬<lb/>
kenne ich deine Gu&#x0364;te nicht, die mir ja in Einem<lb/>
fort mit &#x017F;till&#x017F;ten Freuden wie mit tiefen Quellen<lb/>
die Seele u&#x0364;berfu&#x0364;llt.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Im durch&#x017F;ichtigen Netze &#x017F;einer Phanta&#x017F;ie<lb/>
fing &#x017F;ich jeder voru&#x0364;ber&#x017F;chießende Freuden-Zwei¬<lb/>
falter &#x2014; dazu geho&#x0364;rte &#x017F;ogar ein erwachender gel¬<lb/>
ber Schmetterling im Gartenhaus &#x2014; jeder Stern,<lb/>
der &#x017F;tark funkelte &#x2014; italieni&#x017F;che Blumen, deren<lb/>
deut&#x017F;chen Treib&#x017F;cherben zwi&#x017F;chen Schauls er auf<lb/>
der Ga&#x017F;&#x017F;e aufge&#x017F;toßen &#x2014; eine bekra&#x0364;nzte, zwi&#x017F;chen<lb/>
Andacht und Putz glu&#x0364;hende Braut &#x2014; ein &#x017F;cho&#x0364;nes<lb/>
Kind &#x2014; ein Kanarienvogel in der Weberga&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
der mitten im deut&#x017F;chen Winter in Kanarienin&#x017F;eln<lb/>
und in Sommerga&#x0364;rten hinu&#x0364;ber &#x017F;chauen ließ &#x2014;<lb/>
und alles.</p><lb/>
        <p>Flog Flora, die Bettmei&#x017F;terin, mit hellen<lb/>
Ge&#x017F;a&#x0364;ngen die Treppen herauf, &#x017F;o ho&#x0364;rte er er&#x017F;te<lb/>
Sa&#x0364;ngerinnen fu&#x0364;r &#x017F;einen Theil. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ein&#x017F;t an einem Markttage hatt' er halb Ita¬<lb/>
lien mit einem ganzen Fru&#x0364;hling um &#x017F;ich. Der<lb/>
Tag &#x017F;chien dazu erle&#x017F;en zu &#x017F;eyn. Es war ein<lb/>
&#x017F;ehr kalter und heller Winternachmittag, worin<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Mu&#x0364;cken<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0166] mehr Leibliches begehre, du guter Gott, ſo er¬ kenne ich deine Guͤte nicht, die mir ja in Einem fort mit ſtillſten Freuden wie mit tiefen Quellen die Seele uͤberfuͤllt.” Im durchſichtigen Netze ſeiner Phantaſie fing ſich jeder voruͤberſchießende Freuden-Zwei¬ falter — dazu gehoͤrte ſogar ein erwachender gel¬ ber Schmetterling im Gartenhaus — jeder Stern, der ſtark funkelte — italieniſche Blumen, deren deutſchen Treibſcherben zwiſchen Schauls er auf der Gaſſe aufgeſtoßen — eine bekraͤnzte, zwiſchen Andacht und Putz gluͤhende Braut — ein ſchoͤnes Kind — ein Kanarienvogel in der Webergaſſe, der mitten im deutſchen Winter in Kanarieninſeln und in Sommergaͤrten hinuͤber ſchauen ließ — und alles. Flog Flora, die Bettmeiſterin, mit hellen Geſaͤngen die Treppen herauf, ſo hoͤrte er erſte Saͤngerinnen fuͤr ſeinen Theil. — Einſt an einem Markttage hatt' er halb Ita¬ lien mit einem ganzen Fruͤhling um ſich. Der Tag ſchien dazu erleſen zu ſeyn. Es war ein ſehr kalter und heller Winternachmittag, worin Muͤcken

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/166
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/166>, abgerufen am 23.11.2024.