stein bei, dessen Säulen und Bildungen bekannt¬ lich aus weichen Tropfen erstarren.
Erster Polymeter.
Weich sinkt der Tropfe im Hölen-Gebirge, aber hart und zackig und scharf verewigt er sich. Schöner ist die Menschen-Thräne. Sie durch¬ schneidet das Auge, das sie wund gebiert; aber der geweinte Diamant wird endlich weich, das Auge sieht sich um nach ihm und er ist der Thau in einer Blume.
Zweiter.
Blick' in die Höle, wo kleine stumme Zähren den Glanz des Himmels und die Tempelsäulen der Erde spielend nachschaffen. Auch deine Thränen und Schmerzen, Mensch, werden einst schimmern, wie Sterne, und werden dich tragen als Pfeiler.
Vult antwortete darauf: "mündlich das Uebrige, Lieber! Wie mich unser so wacker ge¬ födertes Schreiben freut, weißt du besser als ich selber." -- "So hol' ihn der Henker, sagte Walt, ich habe mehr eingebüßt als er, denn ich lieb ihn ganz anders." Er war nun so unglücklich als es die Liebe auf der Erde seyn kann. Er webte --
ſtein bei, deſſen Saͤulen und Bildungen bekannt¬ lich aus weichen Tropfen erſtarren.
Erſter Polymeter.
Weich ſinkt der Tropfe im Hoͤlen-Gebirge, aber hart und zackig und ſcharf verewigt er ſich. Schoͤner iſt die Menſchen-Thraͤne. Sie durch¬ ſchneidet das Auge, das ſie wund gebiert; aber der geweinte Diamant wird endlich weich, das Auge ſieht ſich um nach ihm und er iſt der Thau in einer Blume.
Zweiter.
Blick' in die Hoͤle, wo kleine ſtumme Zaͤhren den Glanz des Himmels und die Tempelſaͤulen der Erde ſpielend nachſchaffen. Auch deine Thraͤnen und Schmerzen, Menſch, werden einſt ſchimmern, wie Sterne, und werden dich tragen als Pfeiler.
Vult antwortete darauf: „muͤndlich das Uebrige, Lieber! Wie mich unſer ſo wacker ge¬ foͤdertes Schreiben freut, weißt du beſſer als ich ſelber.“ — „So hol' ihn der Henker, ſagte Walt, ich habe mehr eingebuͤßt als er, denn ich lieb ihn ganz anders.“ Er war nun ſo ungluͤcklich als es die Liebe auf der Erde ſeyn kann. Er webte —
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ſtein bei, deſſen Saͤulen und Bildungen bekannt¬
lich aus weichen Tropfen erſtarren.
Erſter Polymeter.
Weich ſinkt der Tropfe im Hoͤlen-Gebirge,
aber hart und zackig und ſcharf verewigt er ſich.
Schoͤner iſt die Menſchen-Thraͤne. Sie durch¬
ſchneidet das Auge, das ſie wund gebiert; aber
der geweinte Diamant wird endlich weich, das
Auge ſieht ſich um nach ihm und er iſt der Thau
in einer Blume.
Zweiter.
Blick' in die Hoͤle, wo kleine ſtumme Zaͤhren
den Glanz des Himmels und die Tempelſaͤulen der
Erde ſpielend nachſchaffen. Auch deine Thraͤnen
und Schmerzen, Menſch, werden einſt ſchimmern,
wie Sterne, und werden dich tragen als Pfeiler.
Vult antwortete darauf: „muͤndlich das
Uebrige, Lieber! Wie mich unſer ſo wacker ge¬
foͤdertes Schreiben freut, weißt du beſſer als ich
ſelber.“ — „So hol' ihn der Henker, ſagte Walt,
ich habe mehr eingebuͤßt als er, denn ich lieb ihn
ganz anders.“ Er war nun ſo ungluͤcklich als es
die Liebe auf der Erde ſeyn kann. Er webte —
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/117>, abgerufen am 17.02.2025.
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