Ob er gleich nicht im Stande war, unter ei¬ ner fremden Stubendecke den Hut aufzubehalten -- sogar unter seiner sah er ungern bedekt aus dem Fenster aus Artigkeit --: so hatt' er doch seine Freude daran, daß andere Gäste ihren auf¬ hatten, und sonst überall von den herrlichen aka¬ demischen Freiheiten und Independenzakten der Wirthsstuben den besten Gebrauch machten, es sei, daß sie lagen, oder schwiegen, oder sich kraz¬ ten. Ihm schienen die Wirthsstuben ordentlich als hübsche geräumliche, aus abgebrochenen ein¬ geäscherten Reichsstädten unversehrt herausgeho¬ bene reichsunmittelbare Diogenes-Fässer vorzu¬ kommen, als hübsche aus Marathons-Ebenen ausgestochne Grünplätze, vom Keller grünend ge¬ wässert.
Es wurde schon erwähnt, daß er auf und ab gieng; aber er gieng weiter und -- denn das Wirthshausschild sezt' er als Achilles-Schild vor, den Weinbecher als Minervens Helm auf -- schrieb unter aller Augen ein und das andere Tex¬ teswort in seine Schreibtafel, um, wenn er allein wäre Abends im Quartier, darüber zu predigen.
Flegeljahre III. Bd. 6
Ob er gleich nicht im Stande war, unter ei¬ ner fremden Stubendecke den Hut aufzubehalten — ſogar unter ſeiner ſah er ungern bedekt aus dem Fenſter aus Artigkeit —: ſo hatt' er doch ſeine Freude daran, daß andere Gaͤſte ihren auf¬ hatten, und ſonſt uͤberall von den herrlichen aka¬ demiſchen Freiheiten und Independenzakten der Wirthsſtuben den beſten Gebrauch machten, es ſei, daß ſie lagen, oder ſchwiegen, oder ſich kraz¬ ten. Ihm ſchienen die Wirthsſtuben ordentlich als huͤbſche geraͤumliche, aus abgebrochenen ein¬ geaͤſcherten Reichsſtaͤdten unverſehrt herausgeho¬ bene reichsunmittelbare Diogenes-Faͤſſer vorzu¬ kommen, als huͤbſche aus Marathons-Ebenen ausgeſtochne Gruͤnplaͤtze, vom Keller gruͤnend ge¬ waͤſſert.
Es wurde ſchon erwaͤhnt, daß er auf und ab gieng; aber er gieng weiter und — denn das Wirthshausſchild ſezt' er als Achilles-Schild vor, den Weinbecher als Minervens Helm auf — ſchrieb unter aller Augen ein und das andere Tex¬ teswort in ſeine Schreibtafel, um, wenn er allein waͤre Abends im Quartier, daruͤber zu predigen.
Flegeljahre III. Bd. 6
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Ob er gleich nicht im Stande war, unter ei¬
ner fremden Stubendecke den Hut aufzubehalten
— ſogar unter ſeiner ſah er ungern bedekt aus
dem Fenſter aus Artigkeit —: ſo hatt' er doch
ſeine Freude daran, daß andere Gaͤſte ihren auf¬
hatten, und ſonſt uͤberall von den herrlichen aka¬
demiſchen Freiheiten und Independenzakten der
Wirthsſtuben den beſten Gebrauch machten, es
ſei, daß ſie lagen, oder ſchwiegen, oder ſich kraz¬
ten. Ihm ſchienen die Wirthsſtuben ordentlich
als huͤbſche geraͤumliche, aus abgebrochenen ein¬
geaͤſcherten Reichsſtaͤdten unverſehrt herausgeho¬
bene reichsunmittelbare Diogenes-Faͤſſer vorzu¬
kommen, als huͤbſche aus Marathons-Ebenen
ausgeſtochne Gruͤnplaͤtze, vom Keller gruͤnend ge¬
waͤſſert.
Es wurde ſchon erwaͤhnt, daß er auf und
ab gieng; aber er gieng weiter und — denn das
Wirthshausſchild ſezt' er als Achilles-Schild
vor, den Weinbecher als Minervens Helm auf —
ſchrieb unter aller Augen ein und das andere Tex¬
teswort in ſeine Schreibtafel, um, wenn er allein
waͤre Abends im Quartier, daruͤber zu predigen.
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/89>, abgerufen am 16.02.2025.
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