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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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ihren Vater. Sie antwortete heftig: das sei es
am wenigsten; sogar dem Kirchenrathe Glanz,
der öfters mit ihr über den heil. Glauben gespro¬
chen, habe sie nur höflich zugehört; den Grafen
aber nicht mehr geliebt als jeden guten Men¬
schen." Zablocki fragte erstaunt, warum sie ihn
bei ihrer Freiheit der Wahl, doch heirathen wol¬
len? "Ich dachte, sagte sie, ich könnt' ihn viel¬
leicht zu unserer Religion durch rechtes Aufopfern
bringen." Walt! einen Philosophen bekehren!
Tauft und tonsurirt lieber eine Perücke! --

Der General lächelte und weinte zugleich vor
Lust, lief aber immer mehr auf das weiche zarte
Wesen Sturm, stieg ins ofne Herz und holte sich
das zweite Geheimnis. Sie hofte nämlich ihrer
abgeschiedenen protestantischen Mutter (und wohl
dem verschuldeten Vater) zu Zeiten ein Kopfkissen
aus dem reichen Ehebette zuzuwerfen; gestand es
es aber ohne Metaphern. Da konnte sich der
trunkene Vater nicht enthalten, zu schwören,
ihm solle lieber ein Traubenschuß in den Magen
fahren, oder sein Warschauer Prozeß verloren ge¬
hen, woll' er je einem solchen seelentreuen Kinde

ihren Vater. Sie antwortete heftig: das ſei es
am wenigſten; ſogar dem Kirchenrathe Glanz,
der oͤfters mit ihr uͤber den heil. Glauben geſpro¬
chen, habe ſie nur hoͤflich zugehoͤrt; den Grafen
aber nicht mehr geliebt als jeden guten Men¬
ſchen.“ Zablocki fragte erſtaunt, warum ſie ihn
bei ihrer Freiheit der Wahl, doch heirathen wol¬
len? „Ich dachte, ſagte ſie, ich koͤnnt' ihn viel¬
leicht zu unſerer Religion durch rechtes Aufopfern
bringen.“ Walt! einen Philoſophen bekehren!
Tauft und tonſurirt lieber eine Peruͤcke! —

Der General laͤchelte und weinte zugleich vor
Luſt, lief aber immer mehr auf das weiche zarte
Weſen Sturm, ſtieg ins ofne Herz und holte ſich
das zweite Geheimnis. Sie hofte naͤmlich ihrer
abgeſchiedenen proteſtantiſchen Mutter (und wohl
dem verſchuldeten Vater) zu Zeiten ein Kopfkiſſen
aus dem reichen Ehebette zuzuwerfen; geſtand es
es aber ohne Metaphern. Da konnte ſich der
trunkene Vater nicht enthalten, zu ſchwoͤren,
ihm ſolle lieber ein Traubenſchuß in den Magen
fahren, oder ſein Warſchauer Prozeß verloren ge¬
hen, woll' er je einem ſolchen ſeelentreuen Kinde

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[14/0022] ihren Vater. Sie antwortete heftig: das ſei es am wenigſten; ſogar dem Kirchenrathe Glanz, der oͤfters mit ihr uͤber den heil. Glauben geſpro¬ chen, habe ſie nur hoͤflich zugehoͤrt; den Grafen aber nicht mehr geliebt als jeden guten Men¬ ſchen.“ Zablocki fragte erſtaunt, warum ſie ihn bei ihrer Freiheit der Wahl, doch heirathen wol¬ len? „Ich dachte, ſagte ſie, ich koͤnnt' ihn viel¬ leicht zu unſerer Religion durch rechtes Aufopfern bringen.“ Walt! einen Philoſophen bekehren! Tauft und tonſurirt lieber eine Peruͤcke! — Der General laͤchelte und weinte zugleich vor Luſt, lief aber immer mehr auf das weiche zarte Weſen Sturm, ſtieg ins ofne Herz und holte ſich das zweite Geheimnis. Sie hofte naͤmlich ihrer abgeſchiedenen proteſtantiſchen Mutter (und wohl dem verſchuldeten Vater) zu Zeiten ein Kopfkiſſen aus dem reichen Ehebette zuzuwerfen; geſtand es es aber ohne Metaphern. Da konnte ſich der trunkene Vater nicht enthalten, zu ſchwoͤren, ihm ſolle lieber ein Traubenſchuß in den Magen fahren, oder ſein Warſchauer Prozeß verloren ge¬ hen, woll' er je einem ſolchen ſeelentreuen Kinde

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/22>, abgerufen am 28.03.2024.