Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

zu regnen. Aber da der Vorhang vor dem Sing¬
spiele der Liebe aufgegangen war: so wust' er,
mit Augen und Ohren unter ihren Gesängen und
Lichtern wohnend, wenig oder nicht, ob es auf
das Dach des Opernhauses regne oder schneie.

Da das Schicksal gern nach dem Feste der
süssesten Brode dem Menschen verschimmeltes,
wurmvolles aus dem Brodschrank vorschneidet:
so ließ es den Notar hinter Jodiz auf Irrwe¬
ge -- auf physische -- laufen, was dem Ver¬
hängniß leicht wurde, da er ohnehin nichts
Oertliches behielt, nicht den Riß eines Parks,
in welchem er einen ganzen Sommer lang spa¬
zieren gegangen. Dann must' er die gebogne
weisse Hutfeder, welche ohne Kopf von einem
Kavalleristen aus einem Hohlweg vorstach, für
die Schwanzfeder eines laufenden Hahns anse¬
hen, und nachher den Irrthum dem Militair
gutmeinend entdecken, der ihn sehr anschnauzte.
In einem Kirmesdorf wurd' ihm aus den Fen¬
stern eines betrunknen Wirthshauses ein wenig
nachgelacht. Das Rosanathal lief voll Wasser.
In einem schönen Gartenhaus spielte der Regen¬

zu regnen. Aber da der Vorhang vor dem Sing¬
ſpiele der Liebe aufgegangen war: ſo wuſt' er,
mit Augen und Ohren unter ihren Geſaͤngen und
Lichtern wohnend, wenig oder nicht, ob es auf
das Dach des Opernhauſes regne oder ſchneie.

Da das Schickſal gern nach dem Feſte der
ſuͤſſeſten Brode dem Menſchen verſchimmeltes,
wurmvolles aus dem Brodſchrank vorſchneidet:
ſo ließ es den Notar hinter Jodiz auf Irrwe¬
ge — auf phyſiſche — laufen, was dem Ver¬
haͤngniß leicht wurde, da er ohnehin nichts
Oertliches behielt, nicht den Riß eines Parks,
in welchem er einen ganzen Sommer lang ſpa¬
zieren gegangen. Dann muſt' er die gebogne
weiſſe Hutfeder, welche ohne Kopf von einem
Kavalleriſten aus einem Hohlweg vorſtach, fuͤr
die Schwanzfeder eines laufenden Hahns anſe¬
hen, und nachher den Irrthum dem Militair
gutmeinend entdecken, der ihn ſehr anſchnauzte.
In einem Kirmesdorf wurd' ihm aus den Fen¬
ſtern eines betrunknen Wirthshauſes ein wenig
nachgelacht. Das Roſanathal lief voll Waſſer.
In einem ſchoͤnen Gartenhaus ſpielte der Regen¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0215" n="207"/>
zu regnen. Aber da der Vorhang vor dem Sing¬<lb/>
&#x017F;piele der Liebe aufgegangen war: &#x017F;o wu&#x017F;t' er,<lb/>
mit Augen und Ohren unter ihren Ge&#x017F;a&#x0364;ngen und<lb/>
Lichtern wohnend, wenig oder nicht, ob es auf<lb/>
das Dach des Opernhau&#x017F;es regne oder &#x017F;chneie.</p><lb/>
        <p>Da das Schick&#x017F;al gern nach dem Fe&#x017F;te der<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Brode dem Men&#x017F;chen ver&#x017F;chimmeltes,<lb/>
wurmvolles aus dem Brod&#x017F;chrank vor&#x017F;chneidet:<lb/>
&#x017F;o ließ es den Notar hinter <hi rendition="#g">Jodiz</hi> auf Irrwe¬<lb/>
ge &#x2014; auf phy&#x017F;i&#x017F;che &#x2014; laufen, was dem Ver¬<lb/>
ha&#x0364;ngniß leicht wurde, da er ohnehin nichts<lb/>
Oertliches behielt, nicht den Riß eines Parks,<lb/>
in welchem er einen ganzen Sommer lang &#x017F;pa¬<lb/>
zieren gegangen. Dann mu&#x017F;t' er die gebogne<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;e Hutfeder, welche ohne Kopf von einem<lb/>
Kavalleri&#x017F;ten aus einem Hohlweg vor&#x017F;tach, fu&#x0364;r<lb/>
die Schwanzfeder eines laufenden Hahns an&#x017F;<lb/>
hen, und nachher den Irrthum dem Militair<lb/>
gutmeinend entdecken, der ihn &#x017F;ehr an&#x017F;chnauzte.<lb/>
In einem Kirmesdorf wurd' ihm aus den Fen¬<lb/>
&#x017F;tern eines betrunknen Wirthshau&#x017F;es ein wenig<lb/>
nachgelacht. Das Ro&#x017F;anathal lief voll Wa&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
In einem &#x017F;cho&#x0364;nen Gartenhaus &#x017F;pielte der Regen¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0215] zu regnen. Aber da der Vorhang vor dem Sing¬ ſpiele der Liebe aufgegangen war: ſo wuſt' er, mit Augen und Ohren unter ihren Geſaͤngen und Lichtern wohnend, wenig oder nicht, ob es auf das Dach des Opernhauſes regne oder ſchneie. Da das Schickſal gern nach dem Feſte der ſuͤſſeſten Brode dem Menſchen verſchimmeltes, wurmvolles aus dem Brodſchrank vorſchneidet: ſo ließ es den Notar hinter Jodiz auf Irrwe¬ ge — auf phyſiſche — laufen, was dem Ver¬ haͤngniß leicht wurde, da er ohnehin nichts Oertliches behielt, nicht den Riß eines Parks, in welchem er einen ganzen Sommer lang ſpa¬ zieren gegangen. Dann muſt' er die gebogne weiſſe Hutfeder, welche ohne Kopf von einem Kavalleriſten aus einem Hohlweg vorſtach, fuͤr die Schwanzfeder eines laufenden Hahns anſe¬ hen, und nachher den Irrthum dem Militair gutmeinend entdecken, der ihn ſehr anſchnauzte. In einem Kirmesdorf wurd' ihm aus den Fen¬ ſtern eines betrunknen Wirthshauſes ein wenig nachgelacht. Das Roſanathal lief voll Waſſer. In einem ſchoͤnen Gartenhaus ſpielte der Regen¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/215
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/215>, abgerufen am 22.11.2024.