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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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einmal, aber ausführlicher, vorzutragen. Der
Mensch will nicht, daß man ihm die spitze, blan¬
ke Pointe zu hitzig auf der Schwelle auf das
Zwergfell setze. Eine gemeine Anekdote ergreift
ihn mit ihrem Ausgang froh, sobald er nur
vorher durch viel Langeweile dahin getrieben wur¬
de. Geschichten wollen Länge, Meinungen Kür¬
ze. Walt trieb die zweite anonyme Geschichte
von einem Holländer, auf und vor, welcher
gern ein Landhaus, wegen der herrlichen Aus¬
sicht auf die See, besessen hätte, wie alle Welt
um ihn, allein nicht das Geld dazu hatte. Der
Mann aber liebte Aussichten dermassen, daß er
alle Schwierigkeiten dadurch zu besiegen suchte,
daß er sich auf einem Hügel, den er gegen die
See hatte, eine kurze Wandmauer, und darein
ein Fenster brechen ließ, in welches er sich nur
zu legen brauchte, um die ofne See zu geniessen
und vor sich zu haben, so gut als irgend ein Nach¬
bar in seinem Gartenhaus.

Sogar Wina lächelte glänzend unter dem
rothen Taft-Schatten hervor. Mit noch mehr
Anmuth als bisher theilte Walt die dritte Anek¬
dote mit.

einmal, aber ausfuͤhrlicher, vorzutragen. Der
Menſch will nicht, daß man ihm die ſpitze, blan¬
ke Pointe zu hitzig auf der Schwelle auf das
Zwergfell ſetze. Eine gemeine Anekdote ergreift
ihn mit ihrem Ausgang froh, ſobald er nur
vorher durch viel Langeweile dahin getrieben wur¬
de. Geſchichten wollen Laͤnge, Meinungen Kuͤr¬
ze. Walt trieb die zweite anonyme Geſchichte
von einem Hollaͤnder, auf und vor, welcher
gern ein Landhaus, wegen der herrlichen Aus¬
ſicht auf die See, beſeſſen haͤtte, wie alle Welt
um ihn, allein nicht das Geld dazu hatte. Der
Mann aber liebte Ausſichten dermaſſen, daß er
alle Schwierigkeiten dadurch zu beſiegen ſuchte,
daß er ſich auf einem Huͤgel, den er gegen die
See hatte, eine kurze Wandmauer, und darein
ein Fenſter brechen ließ, in welches er ſich nur
zu legen brauchte, um die ofne See zu genieſſen
und vor ſich zu haben, ſo gut als irgend ein Nach¬
bar in ſeinem Gartenhaus.

Sogar Wina laͤchelte glaͤnzend unter dem
rothen Taft-Schatten hervor. Mit noch mehr
Anmuth als bisher theilte Walt die dritte Anek¬
dote mit.

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[179/0187] einmal, aber ausfuͤhrlicher, vorzutragen. Der Menſch will nicht, daß man ihm die ſpitze, blan¬ ke Pointe zu hitzig auf der Schwelle auf das Zwergfell ſetze. Eine gemeine Anekdote ergreift ihn mit ihrem Ausgang froh, ſobald er nur vorher durch viel Langeweile dahin getrieben wur¬ de. Geſchichten wollen Laͤnge, Meinungen Kuͤr¬ ze. Walt trieb die zweite anonyme Geſchichte von einem Hollaͤnder, auf und vor, welcher gern ein Landhaus, wegen der herrlichen Aus¬ ſicht auf die See, beſeſſen haͤtte, wie alle Welt um ihn, allein nicht das Geld dazu hatte. Der Mann aber liebte Ausſichten dermaſſen, daß er alle Schwierigkeiten dadurch zu beſiegen ſuchte, daß er ſich auf einem Huͤgel, den er gegen die See hatte, eine kurze Wandmauer, und darein ein Fenſter brechen ließ, in welches er ſich nur zu legen brauchte, um die ofne See zu genieſſen und vor ſich zu haben, ſo gut als irgend ein Nach¬ bar in ſeinem Gartenhaus. Sogar Wina laͤchelte glaͤnzend unter dem rothen Taft-Schatten hervor. Mit noch mehr Anmuth als bisher theilte Walt die dritte Anek¬ dote mit.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/187>, abgerufen am 05.05.2024.